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Das dürfte Lars Klingbeil schwergefallen sein – aber es ist richtig

Liebe Leserinnen und Leser,

es kommt wirklich selten vor, dass einflussreiche Politiker die Hände vors Gesicht schlagen und Mea Culpa rufen. Und weil das so selten ist, möchte ich Ihnen heute von einer ganz ungewöhnlichen Rede berichten, die der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil gestern Abend in Berlin gehalten hat.

Es ging um die Fehleinschätzungen seiner Partei gegenüber Russland – und das über Jahrzehnte.

«Auf der Suche nach Gemeinsamkeiten haben wir oft das Trennende übersehen. Das war ein Fehler», sagte der Obergenosse und bestätigte damit meine Ansicht schon vom Teenager-Alter an. Sozialisiert durch meinen Vater, Kriegsteilnehmer, der dreieinhalb Jahre lang die russische Gastfreundschaft in einem Straflager in Sibirien erleben musste, begann ich mich mit 16 in der Schüler Union, dann in der Jungen Union zu engagieren. Unser großes Thema war die Ostpolitik Willy Brandts. Wir verteilten Flugblätter, demonstrierten am Rande von SPD-Wahlveranstaltungen und waren im jugendlichen Alter sicher, auf der richtigen Seite zu stehen.

Viele Jahre später geriet unsere Gewissheit ins Wanken mit Brandts Kniefall in Warschau, Michail Gorbatschow und seiner Perestroika, mit dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes und der Sowjetunion. Die Winds of Change wurden nicht nur besungen, sie wehten tatsächlich. Und Politiker und Historiker priesen das Ende der Geschichte, wie wir sie kannten.

Heute sind wir schlauer. So wie der SPD-Chef gestern Abend freimütig bekannte. Die Aussage, dass es Sicherheit und Stabilität in Europa nur mit und nicht gegen Russland geben könne, habe keinen Bestand mehr. Wörtlich: «Heute geht es darum, Sicherheit vor Russland zu organisieren. Die Hoffnung auf einen „Wandel durch Annäherung hat nicht funktioniert…“

Konkret benannte Klingbeil vier dramatische Fehleinschätzungen seiner Partei in der Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges:

Man habe daran geglaubt, dass die Geschichte beide Länder einander verpflichte. Dabei habe die SPD verkannt, dass Putin das anders sehe und die Geschichte für die autokratische Konsolidierung nach innen und seine Großmachtpolitik nach außen instrumentalisiere.

Das Paradigma Wandel durch Annäherung habe nicht funktioniert. Immer engere wirtschaftliche Verflechtungen hätten nicht zu einer stabileren europäischen Ordnung beigetragen.

Deutschland habe sich mit seiner Energiepolitik abhängig von Russland gemacht. «Eine solch einseitige Abhängigkeit darf nie wieder passieren.»

Die Interessen der ost- und mitteleuropäischen Partner seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Das habe zu einem massiven Vertrauensverlust geführt.

Amen!

Ziehen wir endlich die richtigen Schlüsse für die Zukunft daraus…

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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Klaus Kelle, Chefredakteur