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„Whataboutism“ ist die alberne Waffe der Hilflosen

von KLAUS KELLE

Wissen Sie was „Whataboutism“ ist? Ich habe den Begriff erstmals von einem Kölner Strafverteidiger auf Facebook gehört, der auch als Blogger viel unterwegs ist. Mit „Whataboutism“ (sinngemäß: Was ist denn damit?) versuchen manche, ihnen unangenehme Tatsachen zu kontern, in dem sie versuchen, irgendwelche Einzelfälle in einen meistens abstrusen Zusammenhang zu stellen. In den sozialen Netzwerken findet man das oft. Und laut wikipedia soll diese Argumentationsstratege ursprünglich aus der Sowjetunion stammen. Also etwa so: Wir haben zwar eine große Hungersnot, aber gibt es in den Bronx (USA) nicht auch Obdachlose? Ein Vergleich, der hanebüchen ist, aber was tut man nicht alles, wenn man offensichtlich auf der falschen Seite steht, sich das aber nicht zuzugeben traut?

Gestern hatte ich bei Facebook wieder so eine Begegnung mit „Whataboutism“, im weiteren Verlauf WA. Der Fall mit dem dunkelhäutigen Macheten-Mann, der am Bonner Rheinufer am Wochenende zwei Camper überfallen, bedroht und eine 23-Jährige vergewaltigt hat, sorgte bundesweit für Entsetzen. Tatsächlich fand sich gestern jemand auf Facebook, der einen Überfall mit tödlichen Folgen auf einem Campingplatz in Cuxhaven vor sieben Jahren gefunden hatte. Obwohl die Fälle nicht im Geringsten vergleichbar waren, wies der FB-Freund geradezu triumphierend darauf hin, dass es auch schon einen deutschen Mörder auf einem Campingplatz gegeben hat. Und wenn es mal einen vor sieben Jahren gab, dann ist das natürlich das Gleiche, was wir neuerdings im bunten Deutschland erleben mit Äxten, Macheten und so weiter.

WA wird auch im Zusammenhang mit dem weltweiten Terror immer gern verwendet. Wenn man wagt, auf die tausenden Opfer des islamistischen Terrors zu verweisen, gibt es garantiert sofort einen, der sagt, alle Religionen hätten ja gewalttätige Fanatiker. Und dann wird auf den Fall aus 1994 verwiesen, wo ein militanter Abtreibungsgegner namens Paul Hill, der inzwischen hingerichtet wurde, einen Abtreibungsarzt erschossen hatte. Auch das ist beim den WA-Freunden absolut vergleichbar mit 9/11, Paris, Brüssel, Nizza, London, Berlin und so weiter.

Dieses Weichspülen, dieses Relativieren ist im Grund genommen lächerlich. Aber auch ein sichtbares Zeichen. Es ist der Ausdruck der Hilflosigkeit, mit der in diesem Lande Zustände verteidigt werden, die nicht mehr zu verteidigen sind.

 

 

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Klaus Kelle, Chefredakteur