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Die magentafarbene Kopie der Grünen: Man möchte die Liberalalas schütteln und rütteln

FDP-Chef Christian Lindner führt seine Partei konsequent in die Komtur- und damit Bedeutungslosigkeit.

von THILO SCHNEIDER

BERLIN – „Es ist besser, nicht zu regieren, als schlecht zu regieren“ – dieser Satz von Christian Lindner beim Platzen der Sondierungsgespräche am 19. November 2017 erfüllte mich damals, als FDP-Mitglied, mit echtem Stolz. Endlich schien die FDP eingesehen zu haben, dass sie mehr ist als der Steigbügelhalter für SPD oder die Union. Dass sie mehr ist als die Partei der Dienstwagenfahrer und abgestaubten Ministerposten. Da war sie: Meine bürgerliche FDP, die damals duchaus das Zeug zu einer 20-Prozent-Partei hatte. Mit 10,7 Prozent zog sie stolz wieder in den Bundestag ein. Belohnt wurde sie 2021 dann mit 11,5 Prozent, einer weiteren Steigerung.

Und was machen sie, die Freakdemokraten?

Hängen sich ausgerechnet in eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen, frei nach dem Motto „Was interessiert uns unser Geschwätz von 2017.“ Seitdem laviert die FDP zwischen den Koalitionspartnern, sie sind ein bisschen SPD, ein bisschen Grüne, Hauptsache irgendwie mit „Digitalisierung“. Wenigstens verteidigt sie bis jetzt die Ablehnung eines Tempolimits, aber machen wir uns nichts vor: Die FDP wäre gerne eine grüne Partei für alle, die keine Grünen wählen wollen. Die bürgerliche Mitte setzt sich aus Notwehr Richtung AfD oder, ganz verzweifelt, zur Union ab. Und alles und alle, die bisher Rot oder Grün gewählt haben, werden sich eher die Hand abschlagen, als ihr Kreuz bei den Freidemokraten zu setzen.

Anders ausgedrückt ist die FDP die Opposition innerhalb der Koalition und scheint in die Wahlen 2025 mit dem Slogan „Ohne uns wär´s noch schlimmer gekommen“ ziehen zu wollen.

Liberalkonservative wie Linda Teuteberg wurden weggemobbt oder werden, wie der in Bayern unermüdlich tapfere Martin Hagen, schlicht ignoriert. Gelegentlich, an Diensttagen, wirft sich Kubicki als liberal-konservatives enfant terrible in eine Talkshows, ansonsten bleibt die FDP der pflegeleichte, etwas beschränkte Bruder ihrer beiden Partnerkoalitionäre. Mit dem bekannten Ergebnis von politischen Kaspereien, die das Kabinett Scholz versehentlich ausheckt.

Man möchte sie schütteln und rütteln, die Liberalalas von Christian dem Biegsamen, möchte ihnen ins Gesicht brüllen, dass sie die einzige Alternative für enttäuschte SPD- und Unionswähler sein könnten, ja sogar sein müssten.

Wenn sie nur endlich mit dem Klamauk einer magentafarbenen Kopie der Grünen aufhören würden. Und man fragt sich, wie viele wirklich grausamen Wahlschlappen die politischen Zippelzappler noch brauchen, bevor sie das letztlich verstehen.

„Wenn die FDP in der Koalition geschmeidiger wäre, wäre sie in Berlin auch gewählt worden“, so tönt es höhnisch von rot-grünen Elfenbeintürmen und die Lindner-FDP scheint einmal mehr unter der Beweislast, nicht woke, nicht öko genug zu sein, zusammenzubrechen. „Aber wir sind doch auch irgendwie woke und öko“, maunzt es aus dem Genscher-Haus zurück, aber es nutzt nichts: In Klima- und Umweltfragen wird niemand die FDP wählen – da hat es ja schon drei linke Parteien, die sich diesbezüglich ins Zeug legen und die FDP-Attitüde „Wie die anderen drei, nur mit Digitalisierung“ zieht aus der Mitte-Rechts-Gesellschaft keine Stimmen.

Die FDP müsste die Themen Innere Sicherheit, Migration, Wirtschaft und Renten hart und massiv bespielen, um ihr natürliches Wählerreservoir zu bergen und von der verquält-langweiligen Union Stimmen zu ziehen.

Sie müsste tatsächlich die Partei des freiheitsliebenden Individuums sein, jedoch ohne woken Bockmist wie Gendersprache und 3221 Geschlechtern.

Sie müsste die Partei des optimistischen Aufbruchs sein, der bürgerlichen Bildung und der Schaffung von Perspektiven für jedermann. Das Migrationskonzept der FDP ist vom Grunde her prima, einfach und in sich logisch. Es beinhaltet fördern und fordern. Allein – sie macht es weder bekannt, noch interessieren sich ihre gesinnungsethischen Koalitionspartner dafür. Im Gegenteil: Die paar Brosamen, die die Liberalen ihren beiden Partnern abtrotzt, lässt diese die FDP wahlweise als „rechts“ oder „raubtierkapitalistisch“ oder „lobbyistisch“ abwatschen. Und ich sehe vor meinem geistigen Auge Christian Lindner, wie er sich schweißgebadet des Nächtens im Bett wälzt und abwechselnd mit fiebrig offenen Augen die Worte „Dienstwagen“ und „Atomkraftwerk“ vor sich hin flüstert.

Tatsächlich sollte sie ihn wagen, die FDP: Den Befreiungsschlag

Sich aus der Koalition lösen. Die Vertrauensfrage stellen. Glashart sagen, wofür sie steht. Und wofür nicht. Vielleicht sogar eine klare Koalitionsaussage treffen. Dass sie nur mit Rot oder Schwarz für eine Zweier-Koalition zur Verfügung steht. Und begründen, warum sie das tut. „Do or die“, wie die Militärs sagen. Witzig wäre es, käme es zu Neuwahlen. Noch witziger wäre es, Scholz bliebe bei einer Vertrauensfrage nur mit den Stimmen der AfD im Amt. Wir brauchen Bewegung im politischen Koordinatensystem. Und die gibt es nun einmal nur mit einer selbstbewussten FDP, die ihren bürgerlich-liberalen Kern nicht für Dienstwagen und dämlichen Genderkillefille verrät. Die endlich eine vernunft- und nicht angstgesteuerte Politik macht und Gestalten wie Faeser und Lauterbach die Grenzen aufzeigt.

Aber ach… Am Ende des Tages wollen sie eben doch nur Dienstwagen haben – aber mit Digitalisierung.

(Weitere digitalisierte Artikel des Autors unter www.politticker.de)
Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

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Klaus Kelle, Chefredakteur