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„Umsturz“-Prinz vor Gericht: „Ich war kein Terrorist und werde kein Terrorist werden“

KLAUS KELLE

Liebe Leserinnen und Leser,

man weiß wirklich nicht, ob man lachen oder weinen soll, nachdem sich der Prozesstag in Frankfurt dem Ende zuneigte. Und man bleibt in den eigenen Gedanken verfangen, wie das wohl sein mag, seit drei Jahren in einer Gefängniszelle zu sitzen, wenn man selbst schon 74 Jahre alt ist und nicht weiß, wie das alles ausgehen wird.

Denn die Bundesanwaltschaft wirft Heinrich XIII. Prinz Reuß und weiteren 16 Angeklagten, die in Stuttgart und München vor Gericht stehen, vor, einen bewaffneten Aufstand geplant zu haben, Mitglieder der Bundesregierung als Geiseln zu nehmen, Terroristen zu sein und Hochverräter.

Nicht wenige Kritiker in der Öffentlichkeit haben sich schon damals lustig über die „Rentner-Gang“ gemacht, nachdem am 7. Dezember 2022 bundesweit Razzien stattfanden, bei denen Tausende Einsatzkräfte, darunter schwer bewaffnete maskierte Spezialkommandos und die GSG 9, in mehreren Bundesländern unterwegs waren: Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Sachsen und Schleswig-Holstein. Durchsucht wurden Wohnungen, Geschäftsräume und Kasernen (!).

Unter den bei der Aktion zunächst 25 Festgenommenen waren zentrale Figuren wie eben der vermeintliche Kopf der Verschwörung, Heinrich Prinz Reuß, und die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann. Sie wurden als mutmaßliche Mitglieder eines „Rats“ identifiziert, der die Macht in Deutschland übernehmen und eigene Staatsstrukturen aufbauen wollte.

Bei der Durchsuchung, und da ist es nicht mehr witzig, wurden zahlreiche Waffen, Munition, Geld und Kommunikationsmittel beschlagnahmt

Prinz Reuß schluchzt, als er vor dem Oberlandesgericht endlich aussagen darf. Er spricht vom Tod seines Vaters und von seiner Tochter, und er liest die Präambel der Reichsverfassung von 1871 mit sichtbarer Emotionalität vor.

Es sind genau 100 Verhandlungstage an diesem Mittwoch, seit sich der Frankfurter Immobilienunternehmer zusammen mit acht weiteren Männern und Frauen vor dem Staatsschutzsenat verantworten muss. Und es ist noch lange nicht vorbei.

„Ich habe keine Terrorakte geplant“, behauptet Prinz Reuß in einer vorbereiteten Erklärung. Und: „Ich war kein Terrorist und werde kein Terrorist werden.“ Er hab niemals an Planungen teilgenommen, wo es um die Erstürmung des Bundesteges gegangen sein soll, und überhaupt, Gewalt sei ihm zuwider.

Die Erzählung des Rentners und seiner Mitverschwörer orientiert sich an einer angeblichen „Allianz“, die das Kernelement des antisemitischen „QAnon“-Kults bildet. Die Verschwörer-Gruppe um Reuß habe auf den Einmarsch einer internationalen Geheimarmee gewartet, und sich deshalb auf den dann wahrscheinlichen Umsturz in Deutschland vorbereiten wollen. Aber ohne selbst aktiv daran teilzunehmen.

Reuß habe, nach eigenen Angaben, nach der erwarteten Invasion nicht erwartet, von der „Allianz“ als neuer Regierungschef eingesetzt zu werden.

Der sogenannte „Rat“ der Verschwörer, der auf seinem Jagdschloss in Bad Lobenstein tagte und ministerielle „Ressorts“ verteilt hat, sei nach Aussage von Reuß lediglich ein „Gesprächskreis intellektueller Personen mit wechselnden Vorträgen während der Corona-Pandemie“ gewesen. Die Bundesanwaltschaft interpretiert ihre Erkenntnisse ganz anders und spricht von der „designierten Putschregierung“.

Fest steht, dass es innerhalb der gesamten Gruppe um Heinrich Prinz Reuß starke esoterische und verschwörungstheoretische Überzeugungen gab. Im Falle einer Putsch-Regierung habe die AfD-Bundestagsabgeordnete als zukünftige „Justizministerin“ eine führende Rolle spielen sollen und auch für esoterische Themen die Verantwortung übernommen haben. Schon während ihrer Zeit als AfD-Bundestagsabgeordnete soll sie eine Wahrsagerin beschäftigt haben. Und man fragt sich unwillkürlich, wie die Kandidatenauswahl bei der AfD funktioniert, die sich ja so ihrer innerparteilichen Kontrollverfahren rühmt, selbst bei der Aufnahm einfacher Mitglieder.

Ein weiterer Angeklagter, der in München vor Gericht steht, war laut Anklageschrift übrigens als „Astrologe“ tätig.

„Reichsbürgern“, QAnon-Anhänger, Esoterikern und Rechtsextremisten – kurzum Spinner

So kann man die Gruppe um Reuß charakterisieren. Eine Verbindung, die sich aus der tiefen Ablehnung der staatlichen Institutionen Deutschlands speiste und der wirklich idiotischen Annahme folgte, Deutschland sei kein souveräner Staat

Mehrfach distanzierte sich Reuß vor dem OLG von seinen früheren Überzeugungen, dann wieder verteidigte er aber das Reichsbürger-Narrativ von der angeblich fehlenden Souveränität Deutschlands. Er nennt es einen „unverzeihlichen Fehler“, dass er sich 2020 von, wie er sich nennt, einem „sächsischen Patrioten“ zur feierlichen Proklamation seines Fürstentums Reuß habe überreden lassen. Aber mit der Reichsbürger-Ideologie will er nichts zu tun gehabt haben.

Heinrich XIII. Prinz Reuß inszeniert sich letztlich sogar als Opfer von Mitverschwörern, die ihm mit Geschichten über die Befreiung missbrauchter Kinder aus unterirdischen Tunneln – eine andere QAnon-Geschichte – viel Geld aus der Tasche gezogen hätten: „Ich fühlte mich für weiteres Leid mitverantwortlich, wenn ich nicht zahlen würde.“

In der kommenden Woche wird Reuß weiter zu den Vorwürfen gegen ihn aussagen.

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Klaus Kelle, Chefredakteur