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Eine Zinssenkung ohne die FED fürht zu Verwerfungen

Senkt die EZB im Juni die Zinsen? Achten Sie auf die USA!

MICHAEL STING

Der deutsche Aktienindex DAX ist aktuell nicht aufzuhalten. Über 18.000 Punkte und ein Rekord jagte in den vergangenen Wochen den nächsten. Denn erfahrungsgemäß wird an der Börse die Zukunft gehandelt. Und Folgendes hat der weltweite Aktienmarkt bereits eingepreist.

Zinssenkungen. Denn die Inflation gilt ja offiziell als bekämpft.

Doch aus meiner Sicht sollte man das Ganze mit Vorsicht genießen.

Carsten Mumm, Chefvolkswirt der Privatbank Donner & Reuschel äußerste sich kürzlich in einem Interview mit der Tagesschau wie folgt:

„Wir gehen fest davon aus, dass wir im Juni die erste Leitzinssenkung durch die EZB sehen. Das wurde von Seiten der Notenbank, von Christine Lagarde, der Präsidentin der EZB, und auch von ihren Kolleginnen und Kollegen schon relativ deutlich angekündigt oder zumindest in Aussicht gestellt.“

Andere Analysten bestätigen diese Vermutung. Und gehen gleichzeitig von einer festen Zinssenkung der amerikanischen Notenbank FED im Juni aus. Wie der gesamte Aktienmarkt derzeit auch.

Doch ich sehe das ganz als sehr spekulativ an. Und zwar als folgenden Gründen.

  1. Die Inflation in den USA verharrt weiterhin über der Marke von 3 Prozent. (derzeit 3,2 %). Die Kerninflationsrate lag sogar bei 3,8 %. Die Kernrate gibt den allgemeinen Preistrend nach Meinung von Fachleuten besser wieder als die Gesamtrate, da schwankungsanfällige Komponenten wie Energie und Lebensmittel herausgerechnet werden. Um eine Zinssenkung zu rechtfertigen, gibt die FED ein Inflationsziel zwischen 0 und 2 % vor.
  2. Die Konjunktur in den USA läuft aktuell ausgezeichnet. Die ermittelte Arbeitslosenquote sank im März bei 3,8 Prozent. Die amerikanische Wirtschaft ist um 2,5 % im letzten Jahr gewachsen. (Im Vergleich Deutschland nur mit 0,3 %). Und selbst für dieses Jahr erwartet die Industriestaatenorganisation OECD ein Wachstum für 2,1 %. Es gibt also keine Gründe für die FED, der Wirtschaft unter die Arme greifen zu müssen. Im Gegenteil. Eine Stimulierung durch die FED könnte die Wirtschaft überhitzen und die Teuerung wieder massiv beschleunigen.
  3. In der Eurozone ist die Inflation weiterhin auf dem Rückmarsch. Der März-Wert hat nach dem europäischen Statistikamt Eurostat einen Preisanstieg von 2,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gebracht. Damit nähert sich die europäische Zentralbank (EZB) ihrem Ziel von 2 %. Auch wenn es offensichtlich danach aussieht, dass die EZB im Juni die Zinsen senken wird, muss das gesamte Bild erfasst werden.

Denn eine Zinssenkung ohne die FED würde zu schweren Verwerfungen auf dem Währungsmarkt führen. Der Euro würde stark unter Druck geraten und gegenüber dem Dollar massiv abwerten. Da Europa und insbesondere Deutschland auf den Import von Rohstoffen angewiesen sind, die weltweit in Dollar gehandelt werden, hätte das enorme Auswirkungen. Die Einkäufe würden sich für die Firmen massiv verteuern und damit gleichzeitig wieder die Inflation befeuern. Der konjunkturelle Effekt durch die Zinssenkungen würde somit verpuffen.

Die vom Aktienmarkt einkalkulierten Zinssenkungen im Sommer dieses Jahres halte ich für alles andere als gesichert. Sollten die Notenbanken nicht wie erwartet die Zinsen senken, rechne ich mit massiven Rücksetzern an den weltweiten Aktienmärkten.

Es bleibt spannend.

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Klaus Kelle, Chefredakteur