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Läuft Indien den Chinesen ihren Rang als weltweite Nummer 2 ab?

Ausverkauf an Chinas Börsen: Gerät das Reich der Mitte dauerhaft ins Schlingern?

ESTHER VON KROSIGK
FOTO: reuters | Ein Hongkonger Gericht hat vor zwei Wochen die Liquidation des hochverschuldeten chinesischen Baukonzerns Evergrande angeordnet. Nach der Ankündigung stürzten Evergrande-Aktien um mehr als 20 Prozent ab.

Eine Summe von 6000 Milliarden Dollar ist für Ottonormalverdiener unvorstellbar hoch, doch tatsächlich handelt es sich um sechs Billionen Dollar, die durch die dreijährige Talfahrt an chinesischen Börsen vernichtet wurden. Und ein Ende der Aktienkrise in Fernost ist trotz geplanter milliardenschwerer Rettungspakete nicht in Sicht. Zuletzt sollen frustrierte chinesische Anleger den Online-Account der US-Botschaft gestürmt haben, um dort ihren Frust abzulassen. Ein Anleger fragte sogar, ob die USA nicht Raketen übrighätten, um die Börse in Shanghai weg zu bomben.

Der chinesische Markt ist der schwächste unter den wichtigen Börsen weltweit

Tatsache ist: Trotz Erfüllung der jüngsten Wachstumsziele im Land der Mitte lasten weiterhin anhaltende Konjunktursorgen auf den chinesischen Märkten. Investoren deuten die Kursverluste als Anzeichen für das wachsende Misstrauen gegenüber der chinesischen Wirtschaft. Was auffällt: Zweifel bezüglich einer Kurswende hegen nicht nur heimische Anleger, auch internationale Investoren halten sich erkennbar zurück.

Denn die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt erholt sich nur langsam und ein erneuter Rückgang der Eigenheimverkäufe in den vergangenen Wochen hat den Börsen zuletzt weiter zugesetzt. Mitte Januar fiel der Hang-Seng-Index um 2,3 Prozent und wies den tiefsten Stand seit Herbst 2022 auf. Der CSI 300 Index – der die Kursentwicklung in Shanghai und Shenzen abbildet und damit die beiden größten Börsen auf Chinas Festland – schloss 1,6 Prozent niedriger. Mit einem Minus von rund sieben Prozent brachen vor allem Immobilienaktien ein. Damit ist der chinesische Markt der schwächste unter den wichtigen Börsen weltweit.

Die alte Weisheit des Börsen-Gurus André Kostolany scheint hier außer Kraft gesetzt zu sein. Kostolany riet Anlagern einst, dass sie Aktien kaufen und dann einfach liegen lassen sollten, denn ihr Wert steige nach einigen Jahren ganz von selbst. Wohlstand durch Aktienkäufe wachse quasi im Schlaf. Nicht so beim Hang Seng Index, dem führenden Aktienindex in Hongkong. Wer auf Kostolanys Ratschlag und auf die Wirtschaftskraft von China vertraute und vor über 20 Jahren in den Hongkonger Index investierte, steht heutzutage mit einem dicken Minus da. Für manchen Anleger wurde der empfohlene Schlaf so zum Albtraum.

Indien ist im Begriff, China den Rang abzulaufen

Die Konkurrenz schläft dagegen nicht: Im Januar überholte der indische Aktienmarkt erstmals die Börse in Hongkong in Bezug auf die Marktkapitalisierung. Damit ist der Gesamtwert aller Unternehmen gemeint, die in der jeweiligen Region notiert sind. Indien hat gemäß Bloomberg-Daten mithin den vierten Platz in der weltweiten Rangliste der Aktienmärkte erobert. Ein Indiz mehr, dass der indische Subkontinent dabei ist, China zu überflügeln. Schließlich besteht sein großer Vorteil auch darin, dass er über eine vergleichsweise junge Bevölkerung verfügt, während Chinas Bevölkerung älter wird und langsam schrumpft.

Zurück zu den Börsen: Laut Analysten gibt es vor allem diese vier Gründe für die Talfahrt in China. Erstens die schwache Konjunktur, dann ein eventueller neuer Handelskrieg mit den USA, drittens die anhaltende Krise am Immobilienmarkt und viertens die staatlichen Interventionen in die Finanzwerte. Der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock hat sein China-Sentiment von „übergewichtet“ auf „neutral“ abgestuft.

Unsicherheiten an Chinas Börsen verursacht auch der mögliche Taiwan-Krieg

Die Zurückhaltung ausländischer Investoren ist natürlich auch in einem möglichen Taiwan-Krieg begründet. Der Konflikt zwischen China und der Inselrepublik schwelt zwar schon seit mehr als 70 Jahren, aber seit drei Jahren sendet China immer öfter Militärflugzeuge in den taiwanischen Luftraum. Es feuerte auch ballistische Raketen ab, die zum Teil in das Staatsgebiet Taiwans eindrangen.

Nun sind Aktienmärkte immer ein Gradmesser politischer Unsicherheit. In unklaren, undurchschaubaren Situationen fallen die Kurse. Eine Binsenweisheit lautet, dass an der Börse immer die Zukunft gehandelt wird. Was China betrifft, ist Taiwan nicht der einzige Kriegsschauplatz. Denn auch im weltweiten Wirtschaftskrieg steht das Land der Mitte seit geraumer Zeit nicht gut da.

 

 

 

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Klaus Kelle, Chefredakteur