Das 9-Euro-Ticket ist angewandter Sozialismus
von JULIAN MARIUS PLUTZ
BERLIN – Kaum läuft das 9-Euro-Ticket aus, so wollen Linke und Grüne es verlängern. Doch dabei handelt es sich bei dieser Subvention um ein Stück Planwirtschaft und zeigt uns, welche verheerende Folgen ein kostenloser Nahverkehr hätte: Spaßfahrten in überfüllten Zügen, während Pendler das Nachsehen haben.
Das sprachlich stärkste und anschaulichste ökonomisches Standardwerk ist sicherlich das von Gregory Mankiw. In „Die Grundzüge der Volkswirtschaft“ beschreibt der US-Amerikaner die „10 volkswirtschaflichen Regeln.“ Ein wesentlicher Punkt, wahrscheinlich die Kernbotschaft des Buches lautet: „Menschen reagieren auf Anreize“. Ziel eines Individuums, sicherlich mit wenigen Ausnahmen, ist es, seinen Nutzen zu maximieren. Man könnte es pathetischer ausdrücken und sagen: „Der Mensch strebt nach Glück“. Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass wir alle dem Eigennutz nachgehen, um unsere Bedürfnisse zu befrieden. Selbst der Altruist strebt nach Glück, strebt danach, seinen Bedürfnissen gerecht zu werden. In der Philosophie spricht man von Utilitarismus.
Der Sozialismus hingegen ignoriert die Gegebenheit, dass Menschen auf Anreize reagieren. So gibt es in Betrieben keine Wirtschaftlichkeitsrechnung, die Marktpreise erzeugen würden. Menschen haben auf die Befehle des Staates zu reagieren. Und das tun sie. Wenn Luxusgüter unterhalb des Gleichgewichtspreises angeboten werden, führt das zur Fehlallokationen: Die Nachfrage nach dem Produkt steigt in unnatürliche Höhen, während das Angebot nicht hinterherkommt. Menschen reagieren eben doch auf Anreize.
Die Freibier-Mentalität sorgt für volle Züge
Ich habe mir nun drei Monate angesehen, wie die Menschen auf das 9-Euro-Ticket reagieren. Man kann diese Zeit durchaus als Livestudie sehen, also wie es ist, wenn ein „kostenloser“ Personennahverkehr eingeführt wird. Ich selbst bin mehrfach im Monat auf die Regionalbahn angewiesen, ob mit oder ohne 9-Euro-Ticket. Nicht viel anders, nur noch häufiger, nutzen Pendler die Bahn. Was diese Leute in der Zeit ertragen mussten, grenzt an den Tatbestand der Nötigung.
Viele Züge waren derart überfüllt, dass sie zeitweise keine Fahrgäste mehr aufnehmen konnten. „Die Weiterfahrt kann nicht gewährleistet werden“, hallt es dann wenig charmant aus den Lautsprechern. Dazu kommen pöbelnde Mitfahrer, die im Normalfall gar nicht die Bahn benutzen würden, aber auf den Anreiz des de facto kostenlosen Nahverkehrs reagieren. Der Staat subventioniert Spaßfahrten.
Es ist ökonomisch abenteuerlich ineffizient, wenn Leute in 12 Stunden bei fünf Umstiegen von München nach Hamburg fahren. Doch genau das ist geschehen. Im Übrigen sind es nicht die Pendler, die sich die Verlängerung des 9-Euro-Tickets wünschen, sondern eben die, die endlich mal für ein verlängertes Wochenende von Saarbrücken nach Berlin fahren konnten und in ihrer Freibier-Mentalität sogar in den letzten Viehwagon einsteigen würden. Die Bahn macht mobil? Falsch, die Bahn macht debil.
Ein „kostenloser“ Nahverkehr ist im Wortsinn wertlos
Besonders eindrücklich gestaltet es sich, wenn ein randlos überfüllter Zug auf einen ebenso randlos überfüllten Bahnsteig trifft. Leute werden am Einsteigen gehindert, man schubst, man drängelt. Dieses Reisen ist für ein vermeintlich hochentwickeltes Land unwürdig und schlicht eine Zumutung. Und die überforderten Mitarbeiter, die am wenigsten für die Situation können, bekommen dann noch die üble Laune der Gratis-Bürger zu spüren.
Linke und Grüne wollen dennoch das 9-Euro-Ticket beibehalten, bzw. wieder einführen. Ein Freund von mir engagiert sich bei Fridays for Future und bedauert das Auslaufen es Gratis-Nahverkehrs. Denn in den drei Monaten, so sein Argument, konnte er sich viel einfacher, weil die Bahnfahrten kostenlos waren, seinem Aktivismus widmen. Das haben wir uns redlich verdient, dass der Steuerzahler auch noch linksextreme Aktionen subventioniert. Glückwunsch, Ampelkoalition!
Jemand, der von allem den Preis kennt, aber von nichts den Wert, nennt man, laut Oscar Wilde, einen Zyniker. Und ein kostenloser Nahverkehr ist für die Menschen nichts wert, weil er keinen Preis hat.
Ein Umdenken der Politiker ist nicht zu erwarten
Da dem Individuum im Sozialismus nichts gehört, dafür die Fabriken dem Staat, legte das Individuum auch keinen Wert auf den Betrieb und seine Umgebung. Die Besitzlosigkeit erzeugte eine, im Wortsinn, Wertlosigkeit. Absurde Ressourcenverschwendungen und Naturzerstörungen, die in zivilisierten Ländern undenkbar gewesen wären, waren die Folge.
Sicher: Mit dem 9-Euro-Ticket wurde weder der Kommunismus eingeführt noch unser System zerstört. Doch es belegte Mankiws These, dass Menschen auf Anreize reagieren. Gewissermassen handelt es sich hierbei um eine selbstevidente Tatsache. Denn in dem Moment, in dem man versucht, die These des Ökonomens zu widerlegen, reagiert man selbst aufgrund eines Reizes.
So gesehen kann man nur hoffen, dass das 9-Euro-Ticket eine heilende Wirkung auf die Politik entfacht. Doch das darf bezweifelt werden, haben Wissing und Konsorten keine Vorstellung von der Mobilität des Fußvolkes. Denn in der bequemen Limousine findet der Verkehrsminister, ganz ohne Drängeln, seinen klimatisierten Platz. Denn Chauffeur und E-Klasse gibt es selbst im Sozialismus noch.
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