Deutschlandfunk verlässt Twitter (X) – vorbei ist’s mit dem schönen Framing
Die Meldung ist eine große, dürre auf X, vormals Twitter. Der Deutschlandfunk gibt bekannt: „Liebe Follower, angesichts der Entwicklungen auf dieser Plattform haben wir uns dazu entschlossen, diesen Kanal nicht länger zu betreiben. Wir danken für Ihr Interesse und freuen uns, wenn Sie uns auf anderen Wegen treu bleiben!“ Kommentarfunktion geschlossen, Goodbye, man sieht und liest sich „auf anderen Wegen“. Einer weg, andere werden folgen.
Was aber hat den Deutschlandfunk, dieses Flaggschiff der offenen, seriösen, unabhängigen, sauber ausrecherchierten und ausgewogenen, fairen und ideologiefreien Berichterstattung bewogen, die grässliche Plattform X zu verlassen? Um welche „Entwicklungen auf dieser Plattform“ geht es und wo sind „die anderen Wege“, die die treuen Fans des Deutschlandfunks nun beschreiten sollen?
Im Grunde ist es simpel: Seit Elon Musk, Fürst der Hölle und Alptraum aller Sozialisten, Twitter übernommen und in X umbenannt hat, haben sich vor allem drei Dinge geändert:
- Durch den kostenpflichtigen Erwerb des „blauen Hakens“, der als kostenlose Account-Verifizierung bisher nur Journalisten und Regierungsorganen vorbehalten war, haben diese ihren exklusiven Status verloren. Jeder, der eine E-Mail-Adresse und ein mit etwa zehn Dollar gefülltes Konto hat, kann nun diese virtuelle „Journalisten-Ehrennadel“ bekommen. Damit fallen sogenannte „Blauhakenaccounts“ aus ihrer Exklusivität. Ob „Deutschlandfunk“ oder „Uschis Anglerbedarf“ – jeder gilt damit als gleich seriös. Oder unseriös. Der Deutschlandfunk verliert seinen elitären Habitus.
- Die Einführung der „Community Notes“ unter Elon Musk. War es journalistischen Ehrenanstalten wie dem Deutschlandfunk früher möglich, Bilder einer brennenden chinesischen Fabrik auf X zur Illustration russischer Angriffe auf Kiew zu recyceln, so kann es dem seriösen Informationsmagazin von heute auf X durchaus passieren, dass ihm ein Nutzer direkt unter seinen effekthascherischen Artikel ein trockenes „dies ist das Bild des Brandes einer chinesischen Fabrik in Dingdong aus dem Jahr 2017“ drunter hängt. Und *bling* ist die wunderbar recherchierte und von der dpa mithilfe von Chat-Gpt umformulierte Meldung nicht die Pixel der Buchstaben wert, mit denen sie geschrieben wurde.
- Die mit diesen beiden Einrichtungen verloren gegangene moralische „Luftüberlegenheit“ über die virtuellen Stammtische. Vielmehr werden die sogenannten „Medienmacher“ immer mehr, immer öfter und immer zahlreicher von Otto Normalnutzer in die eigene mediale Gülle geworfen. Einordnen und „Framen“ von Offensichtlichkeiten werden immer schwieriger, zumal eine bisher „moderierende“, als „Zensur“ von den Nutzern gefühlte „Aufsicht“ nicht oder nur noch gering stattfindet.
Sicher, der Ton ist bestimmt auch rauer geworden, seit sich die bisherige, wirklich strenge und woke „Aufsicht“ neue Arbeitsplätze suchen musste, Tweets mit persönlichen Beleidigungen bis hin zu offenem Rassismus sind heute häufiger als noch vor zwei Jahren, aber dafür gibt es eben auch keine moralischen Alleinstellungsmerkmale mehr und mediale und regierungsamtliche Bevormundung und Bemutterung laufen ins Leere.
Für ein Journal wie den Deutschlandfunk mit seiner – freundlich ausgedrückt „einseitigen“ – Berichterstattung ist das die Hölle
Schauen wir uns nur einmal die vorletzte Meldung des DLF auf X an: „Symbolische Aktion: Muslime schützen demonstrativ den Kölner Dom nach Anschlagsdrohungen von Islamisten. Stadtdechant Kleine sprach von einer wichtigen Kundgebung“. Na? Klingt das nicht ganz toll und integrativ? Endlich: Muslime schützen demonstrativ den Kölner Dom und erkennen ihn damit als – ja, was? – „schützenswertes religiöses Gebäude“ an? Na, herzlichen Dank aber auch an die lieben Muslime.
Auf den Pressefotos sind acht Männer (keine Frauen) in schwarz-blauen Shirts zu sehen, auf die die Parole „Muslime für den Frieden“ gedruckt ist. Der DLF erwähnt tatsächlich noch, dass die Ahmadyya-Gemeinde in Köln diese „symbolische Aktion“ organisiert hat.
Fundamentalisten mit starkem Missionierungsdrang
Die Angehörigen dieser Glaubensrichtung, die sich auf den Ende des 19ten Jahrhunderts lebenden Mirza Ghulam Ahmad bezieht, der sich als Nachfolger Mohammeds und letzten Messias verstand, machen ungefähr zwei Prozent aller in Deutschland lebenden Muslime aus. Die Ahmadyya treten ein für eine strikte Geschlechtertrennung (daher ja auch nur acht Männer!) und gelten als fundamentalistisch mit starken Missionsbestrebungen, die vor allem den Atheismus als wahren und echten Feind sehen.
Diese kleine Ergänzung fehlte natürlich beim Deutschlandfunk, man wollte wohl dieses eher hässliche Detail angesichts der frohen Botschaft nicht erwähnen, weil das sonst die korrekte „Einordnung“ verschoben hätte. Wie entlarvend es ist, dass es in einem christlich geprägten Land überhaupt in irgendeiner Weise notwendig sein sollte, eine christliche Kirche von Muslimen vor – ja wem eigentlich? – schützen zu lassen, diese Überlegung geht den guten Menschen vom Deutschlandfunk völlig ab. Das Framing muss stimmen, das „Zeichen“ gesetzt sein.
Der Deutschlandfunk kann weg
Und so folgt der Deutschlandfunk – oder vielmehr der „früher-mal-Deutschland-Funk“ dem allgemeinen Narrativ der unkritischen Berichterstattung – und kann tatsächlich weg. Er folgt damit anderen Saulus-zu-Saulus-Parteigängern wie der „Antidiskriminierungsstelle des Bundes“ unter der Antidiskriminierungsbeauftragten Fera Ataman, die ihren Posten in etwa so neutral wie ein Rottweiler in einer Pudelzucht ausübt und mit ihrem Einheimischenbashing einfach nicht mehr durchkam. Der Rückzug von X im Oktober 2023 war da nur die logische Folge.
Twitter/X ist unter Elon Musk einfach zu einem Marktplatz der Meinungen „verkommen“, auf dem vormals sich selbst als moralisch überlegene Welterklärer definierenden Medien, Einrichtungen und Einzelpersonen plötzlich anderen Meinungen und anderen Weltsichten stellen müssen, ohne diese mangels Argumenten verbieten oder unterdrücken zu können. Vox populi – welch erschreckende Welt.
(Weitere Rückzugs-Artikel des Autors unter www.politticker.de)
Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.
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Klaus Kelle, Chefredakteur