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Verkehrssicherheit und Umweltschutz werden nicht gefördert

EU will jährliche TÜV-Prüfung für ältere Autos – Sinn ergibt das nicht, der Widerstand wächst

RED
ARCHIV: Polizeikontrolle bei Kehl in Baden-Württemberg.

BRÜSSEL – Die EU-Kommission hat einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, der in Deutschland für hitzige Debatten sorgt: Fahrzeuge, die älter als zehn Jahre sind, sollen künftig jährlich zur Hauptuntersuchung (HU), umgangssprachlich TÜV genannt. In Deutschland betrifft das fast die Hälfte des Fahrzeugbestands – mehr als 23 Millionen Pkw. Die Begründung der EU: Ältere Fahrzeuge seien pannenanfälliger, häufiger in Unfälle verwickelt und verursachen höhere Schadstoffemissionen. Doch die Pläne stoßen auf erheblichen Widerstand, da sie vor allem Autofahrer mit geringem Einkommen und kleine Betriebe belasten könnten. Ist das Vorhaben ein Schritt zu mehr Verkehrssicherheit oder ein bürokratischer Übergriff mit weitreichenden sozialen Folgen?

Die EU-Kommission verweist auf Statistiken, die zeigen, dass ältere Fahrzeuge eine höhere Mängelquote bei der HU aufweisen.

Laut Kraftfahrt-Bundesamt steigt die Wahrscheinlichkeit für technische Defekte mit dem Alter eines Autos deutlich an. Die Kommission argumentiert, dass technische Mängel, auch wenn sie nur einen kleinen Anteil an Unfallursachen ausmachen, durch häufigere Prüfungen reduziert werden könnten. Zudem sollen strengere Abgasprüfungen den Schadstoffausstoß senken. Brüssel schätzt, dass jährliche Inspektionen die Zahl der Unfallopfer um etwa ein Prozent verringern könnten. Angesichts der Tatsache, dass Autos für den Großteil der Verkehrstoten verantwortlich sind, scheint dies auf den ersten Blick ein plausibler Ansatz.

Doch der ADAC, Deutschlands größter Automobilclub, sieht die Pläne kritisch

Laut dem Club verursachen technische Mängel weniger als ein Prozent der tödlichen Unfälle, und viele dieser Defekte wären durch eine jährliche HU nicht vermeidbar. Die vorgeschlagene Fristverkürzung stehe in keinem angemessenen Verhältnis zum Nutzen, so der ADAC. Auch der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) lehnt die Pläne ab und verweist darauf, dass regelmäßige Inspektionen in Deutschland bereits viele Mängel abdecken.

Besonders scharfe Kritik kommt aus der Politik. Stefan Henze (AfD), Mitglied des Verkehrsausschusses des Bundestages, spricht von einem „gigantischen Fahrzeugstilllegeprogramm“. Er warnt: „Viele Halter älterer Fahrzeuge wären durch zusätzliche Prüfgebühren gezwungen, ihre Autos abzustoßen. Denn die Kosten würden sich durch erweiterte Abgasprüfungen vervierfachen.“ Diese Aussage unterstreicht die Sorge, dass die EU-Pläne vor allem einkommensschwache Haushalte treffen könnten. In Deutschland sind 47 Prozent der Autos älter als zehn Jahre, und ihre Halter gehören oft zu sozial schwächeren Gruppen, für die die Mobilität durch ein eigenes Auto essenziell ist.

Henze betont zudem die Auswirkungen auf kleine Betriebe: „Statt Bürokratie abzubauen, würden ihnen von der EU weitere Kontrollen verordnet.“ Tatsächlich könnten zusätzliche HU-Kosten, die laut Schätzungen bei etwa 150 Euro pro Untersuchung liegen, eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen. Bei den betroffenen Fahrzeugen könnten jährlich Kosten von annähernd 1,8 Milliarden Euro auf Autofahrer und Betriebe zukommen, schätzen unabhängige Experten.

Diese zusätzlichen Kosten würden die Wirtschaftlichkeit vieler Kleinunternehmen gefährden, insbesondere in Branchen wie dem Handwerk oder der Logistik. Viele, die auf ältere Fahrzeuge angewiesen sind, stünden vor massiven Herausforderungen. Der ZDK betont, dass die bestehenden Inspektionsintervalle in Deutschland ausreichend seien, um Sicherheitsmängel zu beheben.

Kritiker wie Henze sehen in den Plänen zudem einen bürokratischen Exzess. „Statt Bürokratie abzubauen, würden ihnen von der EU weitere Kontrollen verordnet“, so der Abgeordnete.

Auch der CSU-Politiker Markus Ferber warnt vor „zusätzlichem bürokratischen Aufwand“, der die Kosten für Autobesitzer in die Höhe treibe. In 16 von 27 EU-Mitgliedstaaten gibt es bereits eine jährliche HU-Pflicht für ältere Fahrzeuge, was die Chancen auf eine EU-weite Einführung erhöht. Doch in Deutschland, wo die HU alle zwei Jahre vorgeschrieben ist (für Neuwagen nach drei Jahren), wird die Notwendigkeit infrage gestellt.

Die EU-Pläne könnten also weitreichende soziale und wirtschaftliche Konsequenzen haben. Besonders in ländlichen Regionen, wo ein Auto oft die einzige Möglichkeit ist, mobil zu bleiben, könnten einkommensschwache Haushalte gezwungen sein, ihre Fahrzeuge aufzugeben. Dies würde nicht nur die individuelle Mobilität einschränken, sondern auch den Zugang zu Arbeitsplätzen gefährden. Henze fordert daher: „Die AfD-Fraktion fordert Verkehrsminister Schnieder auf, sich für den Erhalt der bisherigen Regel einzusetzen.“

Die EU-Pläne für eine jährliche HU für ältere Autos klingen nach einem Versuch, die Verkehrssicherheit und den Umweltschutz zu fördern. Doch der Nutzen scheint fraglich, während die Kosten – sowohl finanziell als auch sozial – erheblich sind. Der ADAC, der ZDK und Politiker wie Stefan Henze sagen Nein dazu. Die Forderung nach einem Verzicht auf die Pläne wächst also, doch die Entscheidung liegt letztlich bei den EU-Mitgliedstaaten und dem Europaparlament. Sie werden darüber entscheiden, ob Deutschland seine liberale HU-Regelung behalten kann oder ob die Bürokratie aus Brüssel erneut die Oberhand gewinnt.

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Klaus Kelle, Chefredakteur