„Gott will es!“ – Der Erste Kreuzzug legte den Grundstein für die Geburt der Tempelritter
Es war ein kühler Novembertag im Jahr 1095, als in der französischen Stadt Clermont die Geschichte des Abendlandes eine radikale Wendung erfuhr. Auf einer weiten Wiese vor den Toren der Stadt versammelten sich Tausende – Adlige, einfache Bauern, Geistliche und Abenteurer –, die gekommen waren, um Papst Urban II zu hören.
Doch sie wollten das nicht einfach nur aus Neugier, sondern weil sie die blutige Vorgeschichte kannten und hören wollten, was das Oberhaut der Christenheit nun zu tun gedenke.
Denn das 11. Jahrhundert war eine Ära des Umbruchs
Im Osten war das einst mächtige Byzantinische Reich ins Wanken geraten. Die Seldschuken, ein nomadisches Turkvolk, das zum Islam konvertiert war, hatten weite Teile Kleinasiens erobert. Und 1071 erlitt Byzanz in der Schlacht von Manzikert eine verheerende Niederlage.
Der Hilfeschrei des byzantinischen Kaisers Alexios I. Komnenos erreichte den Westen schließlich in einer Phase, in der das Papsttum ohnehin gerade nach neuer Autorität suchte.
Berichte über die schwierige Lage christlicher Pilger in Jerusalem, die nun unter der Herrschaft der Seldschuken standen, schürten im Westen, also in Europa, religiöse Begeisterung. Der Papst erkannte darin seine Chance: Ein gemeinsamer Kampf gegen einen äußeren Feind könnte die inneren Streitigkeiten des europäischen Adels beenden und die Kirche als oberste Macht festigen.
Der Funke von Clermont: Urbans geniale Rhetorik
Urbans Rede war ein Meisterwerk der psychologischen Kriegsführung. Er schilderte Gräueltaten an Christen und die Entweihung heiliger Stätten. Mit dem Versprechen eines vollständigen Ablasses – der Tilgung aller Sündenstrafen für diejenigen, die das Kreuz nahmen – schuf er einen starken Anreiz, der für mittelalterliche Menschen unwiderstehlich war.
Als der Ruf „Deus lo vult!“ – „Gott will es!“ – aus der Menge erscholl, wurde eine wahre Lawine ausgelöst. Es war nicht mehr nur ein militärischer Feldzug; es war eine bewaffnete Wallfahrt. Zehntausende machten sich auf den Weg, getrieben von religiöser Begeisterung, Abenteuerlust und auch der Hoffnung auf Landgewinn im Osten.
Nach einem entbehrungsreichen Marsch und verlustreichen Schlachten erreichten die Kreuzfahrer 1099 schließlich Jerusalem. Die Christen eroberten die Stadt in einem blutigen Gemetzel. Die Gründung der Kreuzfahrerstaaten (wie das Königreich Jerusalem) war jedoch nur der Anfang einer neuen Herausforderung.
Wie sollte man die eroberten Gebiete und vor allem die ungeschützten Pilgerwege sichern? Die professionellen Ritterheere kehrten meistens nach Europa zurück, und die verbliebenen Siedler waren den Muselmanen zahlenmäßig deutlich unterlegen.
In diesem Vakuum entstand um 1119 eine der faszinierendsten Organisationen der Weltgeschichte: Die „Armen Ritter Christi und des Salomonischen Tempels“, besser bekannt als die Templer.
Gegründet von Hugo von Payns und acht weiteren Rittern, war ihre Idee revolutionär: Sie wollten Mönche sein, die nach den Regeln der Armut, Keuschheit und des Gehorsams lebten, aber gleichzeitig als schwer bewaffnete Elitesoldaten fungierten.
Das war zunächst einmal ein theologischea Paradoxon: Darf man töten im Namen Gottes?
Das war eine fundamentale moralische Frage: Wie können Männer Gottes die Waffe führen, ohne gegen das biblische Gebot „Du sollst nicht töten“ zu verstoßen? Für die damalige Kirche war dies ein logischer Widerspruch. Ein Geistlicher durfte kein Blut vergießen.
Die Rettung für die junge Gemeinschaft kam durch Bernhard von Clairveaux, den einflussreichsten Mystiker seiner Zeit. In seiner berühmten Rechtfertigungsschrift „De Laude Novae Militiae“ („Lob der neuen Ritterschaft“) löste er das ethische Dilemma durch eine sprachliche und theologische Neudefinition:
Malicidium statt Homicidium
Bernhard erklärte, dass ein Ritter Christi, wenn er einen Feind des Glaubens tötet, nicht einen Menschen tötet (homicidium), sondern das Böse in diesem Menschen vernichtet (malicidium). Er sei kein Mörder, sondern ein „Christus-Rächer“. Damit wurde der militärische Dienst als eine Art Gebet definiert, der Kampf zur spirituellen Handlung erhoben. Da die Tempelritter nicht aus Gier oder Zorn töteten, sondern um die Wehrlosen zu schützen, war ihr Handeln ein Akt der Nächstenliebe.
Bernhard versprach den Templern, dass der Tod auf dem Schlachtfeld der sicherste Weg ins Paradies sei. Wer für Christus tötet, gewinnt für Christus; wer für ihn stirbt, gewinnt sich selbst.
Damit war der Weg frei für den Aufstieg der Templer zur mächtigsten Organisation des Mittelalters.
Der Erste Kreuzzug hatte nicht nur die Landkarte des Nahen Ostens verändert, sondern auch das christliche Ritterideal radikal transformiert. Aus dem sündigen Krieger war der „heilige Kämpfer“ geworden – eine Figur, die das Bild des Rittertums für Jahrhunderte prägen sollte.
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Klaus Kelle, Chefredakteur