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Die Naivität der westlichen Bevölkerungen ist erschreckend

Hybrider Angriff: Wie Moskau versucht, Moldaus pro-westliche Präsidentin aus dem Weg zu räumen

KLAUS KELLE
Moldaus pro-westliche Präsidentin Maia Sandu

Die frühere Sowjetrepublik Moldau hat 2,5 Millionen Einwohner. Man könnte auch sagen: Gut zwei Drittel der Einwohnerzahl von Berlin. Nicht allzu bedeutend im großen Machtpoker, aber umschlossen von der Ukraine, die sich seit zweieinhalb Jahren eines russischen Angriffskrieg erwehrt, und mit einer Grenze zum NATO-Land Rumänien. Im Grunde ist Moldau wie Georgien ein Hotspot in Putins Vabanquespiel, eine neue Weltordnung zu schaffen, in der die Russische Föderation wieder auf Augenhöhe mit den Vereinigten Staaten und China kommt.

Wie fast alle Staaten, die früher zum sowjetisch-russischen Machtbereich gehörten, will eine große Mehrheit der Bevölkerung in Moldau zum Westen gehören. Denn eine EU-Mitgliedschaft bedeutet wachsenden Wohlstand für breite Bevölkerungsschichten und Sicherheit durch Mitgliedschaft in der NATO.

Nach der ersten Runde des Präsidentschaftswahlen in Moldau gestern und dem Referendum über eine zukünftige Mitgliedschaft des Landes in der Europäischen Union beklagt Staatschefin Maia Sandu (52) eine „beispiellose Attacke demokratiefeindlicher Kräfte auf die Präsidentenwahl“. Kriminelle Gruppen hätten gemeinsam mit „einer ausländischen Macht“ versucht, Moldau zu destabilisieren und mit Fake News zu überfluten, um die Spaltung der Gesellschaft voranzutreiben. So wie das überall in Europa passiert und ganz besonders in Deutschland.

Russland, so Frau Sandu, sei die größte Bedrohung für die Stabilität Moldaus

Beim parallel zur Wahl abgehaltenen Referendum über die EU-Zukunft droht der Präsidentin und ihrer Regierung sogar eine Niederlage. Und in Moskau knallen die Sektkorken.

Es gebe konkrete Hinweise, sagte Sandu am Abend in der Hauptstadt Chisinau, dass 300.000 Stimmen gekauft worden seien. Russland habe viele Millionen Euro ausgegeben, um über das Internet „Lügen und Propaganda zu verbreiten. „Wir haben es mit einem beispiellosen Angriff auf die Freiheit und die Demokratie in unserem Land zu tun“, sagte Sandu. Sobald das offizielle Ergebnis der Abstimmungen vorliege, werde offengelegt, wie die Wählerbestechung abgelaufen sei, und sie werden dann „Entscheidungen treffen“, was immer das bedeuten mag.

Nach Auszählung von 98,3 Prozent der abgegebenen Wählerstimmen ist klar, dass Sandu mit 41 Prozent zwar mit Abstand die stärkste Kraft im Land bleibt, aber die absolute Mehrheit erreichte sie nicht. In einer Stichwahl in zwei Wochen gegen den früheren Generalstaatsanwalt und Putin-Freund Alexandru Stoianoglo (27 Prozent) geht es dann endgültig, vielleicht entscheidend, um den weiteren Kurs Moldaus.

Beim Referendum über die Frage, ob das kleine Land seine europäische Zukunft in der Verfassung festschreiben soll, war das vorläufige Ergebnis 50,08 gegen 49,92 Prozent dafür, aber die Auslandsstimmen waren zu dem Zeitpunkt noch nicht ausgezählt.

Das Beispiel Moldau zeigt wieder, dass Russland überall in Osteuropa Zwietracht säht, um die Machtbasis des Kremls auszubauen.

Der Westen hat auch dabei in den vergangenen Jahren eine unfassbare Naivität an den Tag gelegt. Russland nutzt den Friedenswillen der westlichen Bevölkerungen schamlos aus, um die Stimmung zu vergiften. Keine neue Strategie übrigens, denn schon in den 60er Jahren wurden in Westdeutschland Hakenkreuzschmierereien auf jüdischen Friedhöfen vom KGB initiiert, um das internationale Ansehen Deutschlands zu beschädigen. Und seit Kriegsbeginn wird Deutschland überflutet mit einer Fülle von Desinformationen, um in der Bevölkerung die Stimmung im Sinne Moskaus zu beeinflussen.

So wird die Mär von den USA, die angeblich die Nord Stream 2-Pipeline in der Ostsee gesprengt hätten, in weiten Teilen insbesondere der ostdeutschen Bevölkerung geglaubt, obwohl es bis heute nicht den geringsten Beleg für diese These gibt.

Und wenn die Frau des ukrainischen Präsidenten Selenskyj, während die Bevölkerung seines Landes unter ständigen russischen Raketen- und Drohnenangriffen leidet, angeblich in London in Luxus-Boutiquen shoppen geht, einfach geglaubt, weil man es unbedingt glauben will, um das eigene Weltbild bestätigt zu bekommen. Kaum einer fragt dann, wieso passend parallel im Internet eine angebliche Rechnung der angeblichen Shopping-Tour von Frau Selenskyj millionenfach verbreitet wird.

Oder die groteske Geschichte vom Präsidenten Selenskyj, der mitten im Krieg angeblich für 60 Millionen Euro auf Zypern ein Spielkasino kauft. Eine Räuberpistole, die fast lächerlich ist, aber es gibt einen Teil des Publikums, die nahezu alles glauben will. In Deutschland ebenso wie in Moldau.

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Klaus Kelle, Chefredakteur