Judenhass bei Regenbogen-Parade in Berlin: Und kaum einen interessiert es
von JULIAN MARIUS PLUTZ
BERLIN – Es ist wieder passiert. Und natürlich berichtet kein öffentlich-rechtlicher Rundfunk darüber. Auch die Empörung vom SPIEGEL, der ZEIT, oder dem Qualitätsmedium „Tagesspiegel“ blieb aus. Die Rede ist von judenfeindlichen Parolen am diesjährigen „Internationalistischen Queer Pride“ in Berlin. Die Veranstaltung sieht sich als Alternative zum Christopher-Street-Day (CSD). Heute, im Jahr 2022 hat sich die Demo jedoch zum übelsten antisemitischen Event neben dem al-Quds-Tag entwickelt. Doch der Reihe nach.
Veranstalter dieses Events ist das Internationalistische Queer Pride Bündnis (IQP). In dem Bündnis haben sich mehrere eindeutig judenfeindliche Gruppen zusammengeschlossen. Dazu gehören die Gruppen „Berlin against pinkwashing“, „Migrantifa Berlin“ und „Palestine Speaks“. Diese waren auf der Demo zusammen mit der israelfeindlichen Bewegung BDS in einem eigenen Block vertreten.
„Free Palestine“ impliziert ein Palästina ohne Israel
BDS bedeutet „Boykott, Desinvestment und Sanktionen“ und hat das Ziel, Israel mit diesen drei Mitteln zu schaden, was zu Ende gedacht das Ende des Judenstaates bedeutet. Der Bundestag selbst bescheinigte BDS bereits vor einigen Jahren eindeutige antisemitische Bestrebungen.
Die israelfeindliche Haltung der Demo zeigte sich schon im im Statement des Bündnisses auf Instagram. Darin hieß es, dass „sogenannte Antideutsche […] bei dieser Veranstaltung nicht willkommen“ seien. Wie die Erfahrung zeigt, hat sich in israelfeindlichen Kontexten die Fremdbezeichnung „Antideutsch“ etabliert, um Personen, die sich gegen israelbezogenen Antisemitismus stellen, als rassistisch zu markieren. Die „Antideutsche Linke“ selbst steht für einen konsequenten Kampf gegen Antisemitismus, auch, und das unterscheidet die Gruppierung vom Rest der Linken, den israelbezogenen Judenhass.
Die Parolen zum alternativen CSD waren eindeutig und sind altbekannt. So hörte man immer wieder Sprechchöre wie: „From the river to the sea, Palestine will be free!“ Die Forderung nach einem palästinensischen Staat vom Fluss bis zum Meer fordert de facto die Ausrottung des einzigen jüdischen Staates. „Free Palestine!“ impliziert ein Palästina ohne Israel, was denklogisch antisemitisch ist. Glauben diese Leute wirklich, dass es den Palästinensern hilft, wenn die Hamas Gaza kontrolliert?
An allem trägt der Judenstaat die Schuld
Eine andere Parole lautete „Palästina, Kurdistan! Intifada Serhildan!“. Intifada bezeichnet man die beiden palästinensischen Revolten, bei denen mehr als 1200 Iraelis, die meisten Zivilisten, getötet wurden. Die Demonstranten fordern also, dass weitere Juden sterben sollten.
Besonders perfide argumentierte eine Rednerin der Gruppe „Palestine Speaks“. Sie bezeichnete Israel in ihrer Rede als „Besatzungs- und Apartheidstaat“ und warf dem Staat „pinkwashing Strategien“ vor. Diese Aussagen waren nicht überraschend, sprach sich die Gruppe auf Instagram immer wieder gegen eine angebliche Instrumentalisierung des sogenannten queeren Befreiungskampfs aus. Diese diene dazu, das „siedlerkoloniale Projekt“ und den „Apartheidstaat Israel schönzureden“.
Israel betreibe also schwulenfreundliche Politik, um ihre rassistische Politik zu verschleiern. Darauf muss man erst mal kommen. Weiter heißt es, dass „Patriarchat, Trans-Hass und Homo-Hass […] Produkte des Kolonialismus“ seien. Zu Glück gab es im vorkolonialem Afrika Frauenrechte und kein Patriachat. Auch für den Schwulenhass in Palästina sei der Judenstaat verantwortlich, während Hamas und Fatah fein heraus sind. Wie praktisch.
So divers, dass Judenhass nicht fehlen darf
Judenhass auf deutschen Straßen ist so alt, wie Deutschland selbst. Die Gleichgültigkeit der allermeisten Medien ist eine himmelschreiende Traurigkeit. Das Land, welches die Shoa möglich gemacht hat, lässt unkommentiert und achselzuckend im Jahr 2022 antisemitische Parolen zu. Das Land, das stolz ist auf sein Holocaust-Mahnmal und „Stolpersteine“ poliert als Ausdruck des Widerstandes gegen vermeintliche Nazis, schweigt sich bis in die Schamlosigkeit. Judenhass unter dem Regenbogen. Was soll schon groß schief gehen?
Überaus berichtenswert dagegen waren die Bilder des Christopher-Street-Days in Berlin. Wie bunt und vielfältig es dort zuging, freute sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk den sprichwörtlichen Ast ab. Traumschön. Aber wir müssen fair bleiben: Die Journalisten vom Staatsfunk hatten völlig recht. Manche Schwulenparaden sind so derartig divers, dass auch handfester Judenhass offenbar nicht fehlen darf…
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Klaus Kelle, Chefredakteur