Kinder-Gewalt ist (noch) nicht Alltag in Deutschland – machen Sie sich nicht verrückt!
von THILO SCHNEIDER
FREUDENBERG/BERLIN – In Freudenberg bringen Kinder eine Gleichaltrige um. Eine Woche später quälen in Heide sechs Mädchen zwischen 13 und 17 eine 13-Jährige Mitschülerin über Stunden und nehmen, was es den Ermittlungsbehörden leichter macht, ihre Tat auf Video auf und laden es bei TicToc hoch. Jetzt haben zwei Görls (13 und 15) im gleichen Alter in Ansbach einen Lehrer verprügelt, anderntags ein anderes 14-jähriges Mädchen verdroschen und gegen den Kopf getreten, die glücklicherweise nur leichte Verletzungen davontrug.
Wenn Sie jetzt erwarten, hier eine flammende Rede zur Herabsetzung des Strafalters zu finden oder ein Wehklagen über die „Jugend von heute“, muss ich Sie enttäuschen.
Ich bin weder Kinderpsychologe noch Soziologe und ich habe auch keine einfachen und wohlfeilen Erklärungen über dumme Eltern und ihre unerzogene Brut parat. Und hier wird auch nicht über „Deutschland wird sich ändern“ referiert. Ich kenne keine der Täterinnen und ihre Hintergründe nicht, eben so wenig, wie dies bei den Opfern der Taten der Fall ist. Und werde mich vor Spekulationen hüten.
Mir geht es um etwas Anderes: Was wir erleben, ist kein neues Phänomen, sondern lediglich die Tatsache, dass die Medien derzeit scharf auf den Themenkreis „Kinder quälen Kinder“ sind.
Nach dem „großen Erfolg“ des „Medienhits“ „Freudenberg“ springen sämtliche Medien auf diesen Zug auf und liefern quasi im Stundentakt Enthüllungen über Hotspots wie Ansbach und Heide. Es ist das gleiche Spiel wie nach einem Flugzeugabsturz. Plötzlich purzeln die Dinger wie Schneeflocken vom Himmel, und wenn heute ein Zug entgleist, dann sitzt die halbe Bevölkerung im Regionalexpress und zittert sich dem Arbeitsplatz entgegen.
Tatsächlich glaube ich, dass es diese Fälle „schon immer“ gegeben hat
Und tatsächlich dürfte jeder von uns wenigstens einmal in eine Keilerei verwickelt gewesen sein – wenngleich natürlich ein Mord oder exzessives Quälen über Stunden eine andere Qualität als das Bilden eines Knäuels auf dem Schulhof hat.
Ich erinnere mich aus meiner Jugend an einen Fall, bei dem mich ein weitaus stärkerer Mitschüler über Monate hinweg meinte, mobben zu müssen und als er mich eines Wintertages „einseifte“, flogen bei mir die Sicherungen raus. Hätte mich niemand zurückgehalten – ich weiß nicht, ob ich nicht auch ein Fall fürs Jugendamt geworden wäre. Danach war jedenfalls Ruhe!
Allerdings wäre ich nicht auf die Idee gekommen, ihm einen Hinterhalt zu legen und ihn stundenlang zu martern oder töten zu wollen – aber das sind wirklich die allerallerwenigsten. Ein anderes Mal wurde ich von zwei Sonderschülern auf dem Nachhauseweg verprügelt. Grundlos, einfach so, und weil sie gerade Lust dazu hatten. Ich schätze, derartige Erfahrungen hat jeder Leser schon gemacht.
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Fakt ist, dass die sogenannte Jugendkriminalität laut der Bundeszentrale für politische Bildung seit Jahren rückläufig ist, wie unter anderem die Polizeiliche Kriminalstatistik ausweist. Tatsächlich wäre es eher Sache der Leitmedien, sich bei Lehrern ein umfassendes Bild von Prügeleien und Körperverletzungen zu machen und deren Ursachen und Täter zu evaluieren, um konkret gegensteuern zu können. Und ob die quantitative Absenkung der Taten mit einer „qualitativen“ Absenkung der Taten einhergeht. Die „Gewalt auf dem Schulhof“ funktioniert niederschwellig und meistens ohne, dass die Polizei eingeschaltet wird, weswegen die Schlägerei vor dem Schultor auch nur dann einen Eingang in die PKS findet, wenn sie tatsächlich eingeschaltet wird.
Wenn Sie sich also fragen, ob Sie Ihr Kind genauso heil aus der Schule wieder bekommen, wie Sie es hineingeschickt haben, so lautet die Antwort zu 99% „ja“. Außer vielleicht, Ihr Kind besucht eine Brennpunktschule und ist das einzige in der Klasse, das kein Arabisch versteht. Dann kann es schwierig werden. Aber auch diese Probleme – und speziell die Problemschulen – sind bekannt und erfreuen sich erhöhter Aufmerksamkeit. Gerade deswegen sind die nun bekanntgewordenen Fälle so verblüffend und überraschend: Die Schülerinnen kamen samt und sonders aus eher unverdächtigen Provinzschulen, die bisher als unauffällig galten.
Lassen Sie sich also nicht kopfscheu machen und zu falschen Urteilen hinreißen!
In jedem Sprengel gibt es Schulen, auf die man seine Kinder lieber nicht schickt, aber in der Breite dürfte diese Art der Jugendkriminalität kein wirkliches Problem sein. Der eigentliche Punkt ist vielmehr, dass hier minderjährige Mädchen auf minderjährige Mädchen losgingen – was angesichts der propagierten Sanftmütigkeit von Frauen und Mädchen doch eher überraschend ist. Wenn man noch nie von Katharina der Großen, Imelda Marcos oder Kleopatra gehört hat, um nur drei Gegenbeispiele zu nennen.
Ja, es gibt Fälle schwerer und schwerster Jugendkriminalität, aber Nein: Diese sind nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Hüten wir uns also davor, einer Presse Glauben zu schenken, für die jetzt jede Klopperei eine willkommene „Bad News“ ist und die jede Keilerei nun zum Mordversuch hochjazzt! Wenn Morgen ein Flugzeug abstürzt, verschwindet das Thema wieder in der Versenkung und dann fallen wieder Flugzeuge wie Schneeflocken vom Himmel.
(Weitere entwarnende Artikel des Autors unter www.politticker.de)
Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.
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Klaus Kelle, Chefredakteur