Kollektive Schnappatmung von links: Die AfD im Prozess der Selbstfindung – was würden wir tun, wenn wir was tun dürften?

Die AfD ist inzwischen eine starke politische Kraft in Deutschland, die größte Oppositionspartei im Deutschen Bundestag. Und dennoch werden ihr bis heute Rechte vorenthalten, die ihr nicht vorenthalten werden dürften, wenn man es mit der Demokratie ernst meint.
Anders als die Erzählung in der Partei selbst, liegt diese Blockade – zum Beispiel bei der Repräsentanz im Bundestagspräsidium, bei der Besetzung von Vorsitzposten in den Fachausschüssen, auch bei der finanziellen Ausstattung der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung – nicht nur am System, am Futterneid oder den bösen Mainstreammedien. Die AfD hat besonders in den vergangenen drei, vier Jahren viel dafür getan, den etablierten Parteien Futter zu liefern, ihre Blockadehaltung zu begründen.
Wie zuverlässig ist die AfD, wenn es um deutsche Interessen geht?
Das ist die Frage aller Fragen, besonders wenn es um die Innere und Äußere Sicherheit unseres Landes geht. Noch im Bundestagswahlkampf war die Forderung nach einem „Dexit“, also nach einem Austritt Deutschlands aus der EU, ein Renner für die AfD, besonders im Osten. Und Parteichef Tino Chrupalla machte sogar das Fass auf, man müsse die NATO-Mitgliedschaft unseres Landes hinterfragen. Währenddessen spielte der Bundestagsabgeordnete Matthias Moosdorf in Moskau gegen Geld sein Cello, während Putin Raketen auf ukrainische Städte hageln ließ.
Dem AfD-Europaabgeordneten Petr Bystron, immerhin Platz 2 der Liste zur Europawahl, wird vorgeworfen, seit 2020 Schmiergelder aus Russland erhalten zu haben, beim Spitzenkandidaten zur EU-Wahl, Maximilian Krah, wurde ein enger Büromitarbeiter verhaftet, weil er für den chinesischen Geheimdienst spioniert haben soll. Und so weiter. Will man mit einer AfD über Zusammenarbeit oder gar Koalitionen sprechen, in der immer wieder solche Vorgänge aufploppen?
Politik ist ein ernsthaftes Geschäft
Und in der angespannten Lage, in der sich Deutschland trotz des weiter relativem Wohlstands befindet, besonders aber der internationalen Lage mit dem erratischen amerikanischem Präsidenten und den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten ist Ernsthaftigkeit das Gebot der Stunde.
Und so ist es überaus spannend, die aktuellen Entwicklungen in der AfD zu beobachten.
Will man nur die schrille Dagegen-Partei sein? Oder will man sich perspektivisch eine ernsthafte Machtoption erarbeiten?
Begonnen hat dieser lang geradezu ersehnte Findungsprozess vor wenigen Wochen als der AfD-Bundestagsabgeordnete Maximilian Krah aus Sachsen in einem Podcast mit dem neurechten Vordenker Götz Kubitschek und der Autorin Ellen Kositza zusammenrasselte. Das war so ernsthaft, engagiert und kontrovers, dass sogar die linksliberale altehrwürdige „Zeit“ diesem Streitgespräch auf der Titelseite Platz gab und die Frage stellte: „Wie kann es eigentlich sein, dass strategische Diskussionen mit Tiefe und Substanz derzeit nur innerhalb der radikalen Rechten stattfinden?“ Der linke Mainstream ließ kollektive Schnappatmung erkennen, die linksextreme taz sprach danach sogar von einem „freundlichen Blick über die Brandmauer“.
Aber abseits pawlowscher Reflexe des linken Juste Milieus hat Maximilian Krah durchaus die Zeichen der Zeit nicht nur erkannt, sondern sich in die offene Auseinandersetzung mit den Parteifreunden begeben, die gegen „das System“ ihre reine rechte Lehre wie eine Monstranz vor sich hertragen und dann in feuchten Träumen am Horizont absolute Mehrheiten für völkisches Gedankengut und Amerika-Minderwertigkeitskompexe zu erkennen glauben.
Aber das wird in diesem Deutschland niemals passieren, und so ist Krah ein echter programmatischer Trendsetter in der AfD, der Realpolitik nicht nur denkt, sondern kämpferisch auslotet, was in seiner Partei möglich ist. Und der dafür vom rechten Bodensatz in den einschlägigen Parteiforen mächtig Prügel einsteckt. Denn der AfD-Politiker plädiert zum Beispiel dafür, den Begriff »Remigration« nicht mehr zu verwenden. Die Partei dürfe nicht mehr den Eindruck erwecken, dass sie auch deutsche Staatsbürger abschieben wolle, wenn diese keine »ethnischen Deutschen« seien. Er lehne „Assimilation“ weiter ab, könne aber damit leben, dass andere „Ethnien“ in Deutschland in eigenen Enklaven leben. Das könne ein Weg sein, die „deutsche Identität“ trotz das anhaltenden Masseneinwanderung zu erhalten.
„Der Max traut sich was“
So denken viele auch in Parteispitze und Bundestagsfraktion inzwischen. Aber es ist ja nicht nur „der Max“. Es ist eine spürbare Politisierung und „Melonisierung“ zu spüren, die weg geht von Frontalopposition und hin zu der Frage, wie würden wir es denn machen, wenn wir dürften?
Tatsächlich ist das gern gezeichnete Bild von der „Putin-Partei“, die Moskaus Interessen im Deutschen Bundestag vertritt, noch nie richtig gewesen, auch wenn es immer wieder Vorstöße von Protagonisten dieses antiwestlichen Irrweges gab.
So scheiterten mindestens zweimal Versuche führenden Köpfe in der AfD-Bundestagsfraktion, einen Antrag auf Aufhebung der Sanktionen gegen Putins Russland ins Parlament einzubringen – an der Mehrheit der eigenen Fraktion. Und – nebenbei bemerkt – AfD-Bundestagsabgeordnete müssen sich inzwischen vor Russlandreisen die Genehmigung der Fraktionsführung einholen, um die lange Zeit offenkundig rege Reisetätigkeit nach Moskau und St. Petersburg in den Griff zu bekommen.
Nach den israelischen und später amerikanischen Angriffen auf iranische Atomanlagen brach offener Streit in der AfD aus, wie man das nun bewerten solle. Und weil Politiker in Berlin unentwegt irgendwas zu irgendwas erklären müssen, gaben die Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla eine wachsweiche Erklärung heraus, die die frühere grüne Außenministerin Baerbock nicht schöner hätte vortragen können:
„Die Eskalation macht uns Sorgen“, bekunden sie und dass man „die Kriegsparteien zur Mäßigung aufrufe“ und dass jetzt die Diplomatie gefragt sei und Diplomaten und Frieden und blabla gefragt sei, während auf amerikanischen Luftwaffenstützpunkten die Stealth-Bomber für den 13-Stunden-Flug in den Iran aufgetankt wurden.
Was würde die AfD tun, wenn sie etwas tun dürfte?
Nach all dem Hin und Her der vergangenen Tage äußerte sich die AfD gestern mit einer deutlichen Stellungnahme zum Nahost-Konflikt und stellte klar:
- Die AfD-Fraktion steht entschieden hinter dem Existenzrecht Israels. Israel hat ein legitimes Recht auf Sicherheit. Eine iranische Atombombe wäre eine Gefährdung des Staates Israel, der regionalen Stabilität sowie des europäischen Kontinents.
- Der Iran hat ein Recht auf die friedliche, ausschließlich zivile Nutzung der Kernkraft. Der Iran muss aber seine Nuklearanlagen und Nuklearforschungseinrichtungen für unabhängige internationale Organisationen sowie für diplomatische Missionen westlicher Staaten öffnen, um seine Behauptung zu untermauern, nicht an der Herstellung von Kernwaffen zu arbeiten.
- Israel wäre in seinem Vorgehen gegen den Iran dann gerechtfertigt, wenn die Herstellung iranischer Nuklearwaffen absehbar bevorstünde. Die israelische Regierung ist im Sinne der Transparenz gefordert, alle Fakten, die belegen, dass eine Bedrohung Israels durch das iranische Atomprogramm vorliegt, der internationalen Öffentlichkeit schnellstmöglich – unter Wahrung der Sicherheit seiner Quellen – zu präsentieren.
- Die Vergangenheit hat gezeigt, dass eine Destabilisierung des Nahen Ostens nicht im deutschen Interesse liegt, da hierdurch große Migrationsbewegungen nach Europa ausgelöst werden können. Deutschland ist erfahrungsgemäß am stärksten von solchen Migrationsströmen betroffen. Neben einem robusten nationalen und europäischen Grenzschutz muss es daher oberstes Ziel der deutschen Außenpolitik sein, die Region zu befrieden. Daher fordern wir einerseits eine schnelle Verhandlungslösung sowie im Falle eines lang andauernden militärischen Konfliktes bilaterale Abkommen mit den Akteuren im Nahen Osten, welche einen Migrationsstrom nach Europa blockieren.
- Die Freiheit der Handelswege ist ein überragendes Interesse Deutschlands und seiner Wirtschaft. Die Straße von Hormus muss daher uneingeschränkt für Handel und Rohstoffe offen bleiben. Dafür müssen alle beteiligten Akteure Sorge tragen.
- Aufgrund der teilweise bereits erfolgreichen Ausschaltung der iranischen Nuklearkapazitäten durch den israelischen Angriff besteht derzeit keine zwingende Notwendigkeit mehr, den Konflikt militärisch fortzusetzen. Wir fordern daher einen Waffenstillstand verbunden mit direkten Verhandlungen, die zum Ziel haben müssen, die Herstellung von hoch angereichertem Uran durch den Iran auszuschließen. Entsprechende Initiativen hierfür, beispielsweise aus Russland, sollten konstruktiv aufgegriffen werden.
- Der Konflikt zwischen Israel und Iran darf nicht nach Deutschland importiert werden. Ausländer, welche diesen Konflikt nutzen, um religiöse oder ethnische Konflikte zu schüren, sind aus Deutschland konsequent auszuweisen. Jeglichen antisemitischen Ausschreitungen muss mit aller Härte des Gesetzes begegnet werden.
Das klingt nach Realpolitik. Damit kann man arbeiten.
Neueste Innen
Neueste Politik
Spendenaufruf
+++ Haben Sie Interesse an politischen Analysen wie diesen?
+++ Dann unterstützen Sie unsere Arbeit
+++ Mit einer Spende über PayPal@TheGermanZ
oder einer Überweisung auf unser Konto DE03 6849 2200 0002 1947 75 +++
Klaus Kelle, Chefredakteur