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Hexenverbrnnungen waren heidnischer Aberglaube

Total patriarchalisch? Warum Frauen in der Katholischen Kirche seit jeher eine herausragende Rolle spielen

MARTIN EBERTS
Die heilige Edith Stein in jungen Jahren

Sind Christentum und Kirche nicht zutiefst „frauenfeindlich“? Und wenn sie auch noch so wohlwollend reden…? Herrscht nicht vor allem unter Katholiken irgendwie „misogynes“ oder „patriarchalisches“ Denken vor? Da muss doch was dran sein, schon weil solche Redensarten auch in kirchlichen Kreisen zu hören sind…

Seit 50 Jahren gibt es sogar eine „feministische Theologie“ – doch wohl, weil das Christentum insgesamt eine weltanschauliche Säuberung braucht, oder? Die Kirche hat wohl noch immer nicht die Lehren der Aufklärung verinnerlicht…

Zu wenig aufgeklärt?

Interessanterweise ist dieser Standard-Vorwurf gegen die Kirche nicht so alt wie andere „Klassiker“ der Religionskritik. Schon die Radikalen unter den Aufklärern des 18. Jahrhunderts zogen gnadenlos über den „Dogmatismus“ der Kirche her und ließen nichts aus, was sich als Munition gegen den verhassten Katholizismus verwenden ließ. Die Wut war sehr groß: „Écrasez l’infâme!“ lautete der berühmt-berüchtigte Schlachtruf Voltaires gegen die Katholische Kirche, „zerschmettert die Widerwärtige!“. Seltsamerweise fehlte aber der Vorwurf der Frauenfeindlichkeit. Wie kommt das?

Die Antwort ist einfach: Der Vorwurf der Frauenfeindlichkeit passt viel besser auf jene Aufklärer selbst, die sich herzlich wenig für Frauen und ihre Rechte interessierten, als auf die Kirche.

Denn dass diese nicht wirklich „frauenfeindlich“ sein kann, das liegt schon in der Geschichte des Christentums begründet. Zwar leben Christen aller Konfessionen natürlich immer in einer gesellschaftlichen Situation und werden davon beeinflusst; keine Kirche kann sich des Einflusses des jeweiligen Zeitgeistes voll und ganz erwehren. In ihrem Herzen aber bewahrt sie immer das Zeugnis ihres Herren.

Christianisierung – die Wende zum Guten

Schon die ersten Christengemeinden fielen im alten Israel und im Römischen Reich nicht nur durch ihre Wohltätigkeit und soziale Verantwortung auf, sondern ebenso durch die Hochachtung der Frau. So wie der christliche Glaube von Anfang an geradezu subversiv gegen die Sklavenhaltung wirkte, so brachte er auch für die Frauen, überall wo er sich entfalten konnte, massive Verbesserungen ihrer Lebenssituation und ihrer Sicherheit.

Der Apostel Paulus wird heutzutage oft dafür gescholten, dass er die Rolle der Frau in der Gemeinde beschnitten habe. Dabei wird vergessen, wie befreiend und in der antiken Gesellschaft unerhört sein Eintreten für Würde und Unversehrtheit der Frau war. Unter den ersten Christen gab es eben nicht jenen barbarischen Umgang mit Frauen, der in vielen antiken Gesellschaften wie selbstverständlich geduldet wurde, von der Prügelstrafe bis zur Zwangsprostitution. Wie nobel sich davon der Umgang der Christen abhob, wird heute meist ignoriert.

Wie war das mit Jesus und den Frauen?

Alles das geht natürlich zurück auf die Predigt und das Verhalten Jesu gegenüber den Frauen. Wie ein roter Faden zieht sich durch das Neue Testament, wie er sich den Frauen zuwandte, ihre Menschenwürde betonte und sie gegen harte und ungerechte gesellschaftliche Konventionen in Schutz nahm – man denke nur an die Sache mit der Ehebrecherin, die von Jesus vor der Steinigung bewahrt wurde! Und dass die Steinigung von Frauen auch heute noch in bestimmten Gesellschaften eine furchtbare Realität ist, das wissen wir alle.

Ganz unerhört war auch, dass Jesus in Begleitung von Frauen predigend durchs Land zog und in seiner Mission von ihnen finanziell unterstützt wurde.

Wie ungewöhnlich sein Verhalten in der damaligen Gesellschaft war, erkennen wir gelegentlich sogar an der Reaktion der Jünger, die sich zuweilen wunderten. Frauen gehörten aber bald schon fest und in großer Zahl zum weiteren Jüngerkreis Jesu; und sie wurden auch zu beispielhaften Zeugen und Vermittlern seiner Lehre. Sie waren seine treuesten und mutigsten Anhänger bis unter das Kreuz, und Frauen waren sogar die ersten Zeugen der Auferstehung – obwohl ihr Zeugnis in der damaligen Gesellschaft wenig galt. Wer eine so gewichtige Aussage hätte „konstruieren“ wollen, dem wäre es sicher nie eingefallen „ausgerechnet“ Frauen als erste Zeugen zu benennen.

Die Frau in der Mitte

Schon in den ersten Christengemeinden gab es die Verehrung der Mutter Jesu, Maria. Das gehört von Anfang an zum Grundbestand und Glaubensgut der Kirche, und bis zum heutigen Tag ist Maria für jeden gläubigen katholischen (und orthodoxen) Christen die am höchsten zu achtende und zu ehrende Person. Weder ein Papst oder Apostel, noch sonst ein Heiliger, sondern die selige Jungfrau und Gottesmutter Maria gilt für alle Zeiten als der größte unter allen Menschen. Misogynie sieht anders aus…

Aber die Kirche…?

Die Rolle der Frauen um Jesus, der Frauen als Zeuginnen der Auferstehung, die Bedeutung der Unterstützerinnen des Apostels Paulus und ganz besonders Maria und ihre hohe Verehrung in der Kirche ärgern heute Kirchenhasser und Religionskritiker mehr als alles andere. Deshalb gehen sie meist wortlos oder mit einem schlampigen „Framing“ darüber hinweg und zeigen ungeniert mit dem Finger auf die Kirche. Die sei mit ihrer Lehre eben doch irgendwie schuld an der „Frauenfeindlichkeit“.

Wieder daneben! Ein Blick in die Geschichte zeigt: Bereits die frühen Kirchenväter vertraten mit Nachdruck die damals höchst unzeitgemäße Wahrheit von der grundlegenden Gleichheit von Mann und Frau vor Gott. Nachzulesen bei Klemens von Alexandrien und Origenes im 2. und 3. Jahrhundert, oder bei Augustinus an der Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert. Die Wahrheit ist: Wenn es eine Kraft in der abendländischen Geschichte gab, die Frauen verteidigte und schützte, dann waren es Kirche und Christentum.

Und die Hexenverfolgungen…!?

Das Gesagte gilt auch und sogar ganz besonders beim Thema Hexenverfolgungen, die in Unkenntnis der historischen Fakten besonders gern als Argument für die angebliche Misogynie der Kirche angeführt werden. Schon in der frühen Kirche und im Mittelalter waren Hexenwahn und Aberglaube den Gläubigen strikt untersagt. An Hexen und Zauberer zu glauben galt (und gilt) als schwere Sünde, die zu beichten ist. Der Hexenwahn ging – entgegen einem noch heute weit verbreiteten Irrglauben – eben gerade nicht von der Kirche aus, sonder stammte aus heidnischem Volksaberglauben.

Durchsetzen konnte sich dieses Übel erst in der frühen Neuzeit, als in krisenhafter Zeit mit Pest und Kriegen kirchliche Strukturen erschüttert und zerstört wurden. Erst in Abwesenheit derselben konnten sich Sektierer und falsche Propheten durchsetzen, die es schafften, ganze Bevölkerungen in verschiedenen Ländern mit ihren Irrlehren aufzuhetzen. Wo die Katholische Kirche das Sagen hatte, wurde dieser Aberglaube in den meisten Fällen frühzeitig bekämpft; ein besonders eindrückliches Beispiel dafür ist das damals zutiefst katholische Spanien.

Kirche und Gesellschaft

Natürlich hat die Kirche nicht einfach jede gesellschaftliche Realität und die vorhandenen Sitten und Gebräuche umstürzen können. Aber immer wirkten – und wirken auch heute – der Glaube und die kirchliche Lehre als ein Ferment der Befreiung, nicht nur „von der Sünde“, sondern auch von ungerechten gesellschaftlichen Strukturen. Denn allem Zeitbedingten und gelegentlich Inkohärenten im äußeren Erscheinungsbild der Kirche zum Trotz war und ist der gleiche Rang aller Menschen als „Kinder Gottes“, egal ob Frauen oder Männer, ein Alleinstellungsmerkmal des christlichen Glaubens.

Frauen in der Kirche

Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass Frauen in der Kirchengeschichte eine zentrale Rolle spielten – man denke nur an große Heilige und Kirchenlehrerinnen wie Teresa von Avila, Katharina von Siena oder Hildegard von Bingen. In aller Regel hatten Frauen in der Kirche erheblich mehr Freiheiten und Möglichkeiten und erfuhren größere Wertschätzung als in der jeweiligen säkularen Gesellschaft. In keiner anderen Religion haben und hatten Frauen von Anfang an eine so wichtige Rolle, von den Frauen aus dem Jüngerkreis Jesu über die großen Äbtissinnen des Mittelalters bis zu den Heiligen, aber auch den ganz normalen Frauen in den Gemeinden unserer Zeit.
Aus neuerer Zeit seien beispielhaft genannt: Die Kirchenlehrerin Therèse de Lisieux, die große Philosophin, Ordensfrau und Märtyrerin Edith Stein, die von Papst Benedikt XVI. zur „Patronin Europas“ erhoben wurde, sowie Mutter Teresa von Kalkutta, die vielleicht beliebteste Heilige unserer Zeit, deren Wirken in der Kirche noch an Bedeutung zunimmt.

Katholischer Feminismus

Edith Stein war ihrer Zeit in vielerlei Hinsicht weit voraus und hat aus ihrem katholischen Glauben und einem tiefen Verständnis des menschlichen Wesens wichtige Impulse zur Gleichberechtigung der Frau bzw. zur „Geschlechtergerechtigkeit“ gegeben, anthropologisch fundiert und ohne ideologisches Pathos. Sie war eine Vorkämpferin des Frauenwahlrechts und hatte am eigenen Leib erfahren müssen, was Diskriminierung bedeutet, als ihr das Recht auf Habilitation an ihrer Universität verweigert wurde. Ihre Schriften zur Rolle der Frau in der Gesellschaft sind auch heute, mehr als acht Jahrzehnte nach ihrer Ermordung in Auschwitz, noch höchst lesenswert.

Edith Stein wird in manchen kirchlichen Kreisen gelegentlich als vermeintliche Fürsprecherin für ein Frauen-Priestertum herangezogen, allerdings zu Unrecht.

Sie bezeugte immer ihre Treue zum katholischen Lehramt und die Tatsache, dass das Priestertum auf der Einsetzung durch Jesus Christus beruht. Keine Frau ist dadurch diskriminiert – genauso wenig wie ein Mann dadurch „diskriminiert“ ist, dass er keine Kinder gebären kann.

Oft werden große Frauen wie Edith Stein abschätzig behandelt, denn sie seien nur Ausnahmen, und sie hätten ja keine „Macht“ gehabt. In dieser Argumentation verrät sich Unkenntnis nicht nur der Kirchengeschichte, sondern auch dessen, was Kirche überhaupt ist. Vor allem aber übersieht diese Kritik, für die ausschließlich Politik, Macht und Herrschen wichtig sind, wie maßgeblich diese Frauen die Kirche tatsächlich geprägt haben. Die Namen dieser großen Frauen und ihr Wirken sind auch nach Jahrhunderten noch höchst präsent und wirksam, während manch ein „mächtiger“ Fürstbischof, Theologe oder Kirchenfunktionär längst vergessen ist.

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Klaus Kelle, Chefredakteur