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Der „Nationale Sozialismus“ ist das Problem der deutschen Rechten

Vor dem Musk-Interview mit Weidel: „Das Personal entscheidet, nicht das Programm, Elon!“

Dr. Frauke Petry
Reichster Mann der Welt und Medien-Star: Elon Musk will Alice Weidel interviewen

Gastbeitrag von Dr. FRAUKE PETRY

Elon Musk hat eine Wahlempfehlung für die AfD abgegeben und das gegenüber der Zeitung „Welt“ begründet.
Er konstatiert, aus meiner Sicht zu Recht, dass Deutschland sich an einem kritischen Punkt und am Rande des wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenbruchs befinde. Konkret merkt er an, dass die deutsche Wirtschaft in Bürokratie und Vorschriften versinke, dass das Land seine Grenzen zwar aus humanitärer Absicht geöffnet habe, dies aber zu kulturellen und sozialen Spannungen führe. Weiterhin betreibe die derzeitige Koalition (und ich ergänze: auch die vorangegangenen Koalitionen unter Agela Merkel) eine wirtschaftlich kostenintensive und geopolitisch naive Energiepolitik.
Die AfD wolle all dies politisch anders lösen
Dies gehe aus dem Programm der AfD hervor, so Musk. Das ist zunächst weitgehend richtig. Es spielt aber für die Frage der berechtigten Erwartungen praktisch keine Rolle. Programme sind Werbeprospekte, im Falle der AfD noch dazu ganz wesentlich aus dem Jahre 2016 stammend. Entscheidender für die Einschätzung tatsächlich zu erwartender Politik ist etwas anderes, nämlich das zur Verfügung stehende Personal.
Nehmen wir beispielsweise Gerhard Schröder. Als Kanzler und Sozialdemokrat hat er mit der Agenda 2010 Sozialreformen durchgesetzt, die in keinem seiner SPD-Programme standen. Ohne ihn hätte Angela Merkel weit weniger Substanz vorgefunden, die es ihr letztlich erlaubten, 16 lange Jahre das Land in praktisch allen wichtigen Fragen kaputtzuverwalten. Aber auch ihre wichtigsten Entscheidungen standen in keinem Wahlprogramm der Union. Weder der Ausstieg aus der Kernkraft war dort im Jahr 2011 vorgesehen, noch eine Grenzöffnung für große Zahlen minderqualifizierter und sozio-kulturell nicht integrierbarer muslimischer Männer war angekündigt, letzteres von ihr sogar 2005 noch gegenteilig kommuniziert. Die Übernahme sozialistischer Gesellschaftsentwürfe war ebenso wenig vorgesehen.
Schauen wir auf das aktuelle Wahlprogramm der Union
Dort finden wir Deregulierung und eine Kehrtwende in der Migrationspolitik, wie sie noch vor Monaten kaum jemand erwartet hätte. Hört man Christian Lindner heute zu, muss man annehmen, er habe aus drei Ampel-Jahren die notwendigen Konsequenzen gezogen und sei nun entschlossener denn je, den lähmenden Apparat zu entschlacken und auch bei der Asylpolitik andere Wege zu beschreiten.
Warum also empfiehlt Elon Musk nicht die Wahl von Union oder FDP? Ganz einfach: Weil er nicht dumm ist.
Natürlich ist von Lindner spätestens nach den Ampel-Jahren keine Kehrtwende zu erwarten. Natürlich ist Merz und Linnemann nicht zuzutrauen, dass sie den lähmenden Apparat der Union auf neue Spur bringen, nachdem sie es viel zu lange versäumt haben, die Merkel-Vertrauten von ihren parteiinternen Machtposten zu vertreiben.
Es ist seit jeher immer das Personal und nicht das Programm, das den entscheidenden Ausschlag gibt. Im Fall von Union und FDP versteht das auch fast jeder.
Was für ökonomische Gesetzmäßigkeiten im Markt gilt, gilt auch für menschliches Handeln in der Logik von Parteiapparaten und damit auch für die AfD. Das Personal entscheidet, nicht das Programm, Elon!
Um eine weitere Analogie aus der Wirtschaft zu bemühen: Kein Unternehmensinhaber würde Personal nur nach Aktenlage der Bewerbungsmappe einstellen. Das persönliche Vorstellungsgespräch ist unerlässlich. Hier ist es noch etwas komplizierter, denn das Personal ist in eine Struktur eingebettet.
Wer sich das Trump-Team von 2016 ansieht und mit dem Trump-Team von 2024 vergleicht, erkennt sofort augenfällige Unterschiede.
J.D. Vance statt Mike Pence. Hier eine starke Persönlichkeit, dort ein schwacher Nebendarsteller. Elon Musk statt Stephen Bannon. Damals ein nationalistischer Vertreter der Neuen Rechten, heute ein libertärer Unternehmer.
Deutschland ist zudem, anders als die Vereinigten Staaten, keine Präsidialdemokratie, sondern eine föderale parlamentarische Demokratie, in der Regierungskoalitionen die Regel, absolute Mehrheiten einer Partei die große Ausnahme sind. Daher erfordern diese Systeme andere Modelle zur Veränderung des status quo. Dazu zählt in Deutschland vor allem der Machtfaktor Partei. In Deutschland ist die Partei viel stärker in ihrer Stellung als in den USA. Eine Kanzlerin Weidel könnte also nicht ohne Rücksicht auf ihre Partei durchregieren, sie wäre auch schon verfassungsmäßig weit entfernt von der starken Stellung eines US-Präsidenten. Stattdessen müsste sie Rücksicht nehmen auf die dezidiert antikapitalistischen und tribalistischen Strömungen in ihrer eigenen Partei.
Ein weiterer Unterscheidungspunkt betrifft das Team
Weidel hat kein Team, weder innerhalb der AfD noch außerhalb. Dieser Zustand wird angesichts der aktuellen Problemlage nicht dadurch besser, dass die Kanzlerkandidaten der anderen Parteien auch keine überzeugenden Köpfe an ihrer Seite vorweisen können.
Wer Wahlempfehlungen nach Programmen ausspricht, versteht nichts von Politik. Das ist nicht schlimm, weil Elon Musk viele andere Dinge kann, die man bewundern muss.
Zu Angela Merkel hätte man lieber die Merkel-Chronistin Gertrud Höhler befragen sollen als das Wahlprogramm der Union, zu Christian Lindner seinen einstigen Ziehvater Gerhard Papke. Zur AfD und Alice Weidel sollte man Menschen befragen, die sie persönlich kennen, anstatt Jahre alte Parteiprogramme zu Rate zu ziehen.
Weil Elon Musk wörtlich von „politischem Realismus“ spricht, erlaube ich mir einen Hinweis auf die Vergangenheit.
Im April 2017 stellte ich einen Antrag, der eine strategische Hinwendung der AfD zu einer realpolitischen Strategie und eine Abwendung von der schon damals fundamentaloppositionellen Strategie bewirken sollte. Der Antrag wurde damals durch Nichtbefassung deutlich abgelehnt. Die meisten seiner damaligen Unterstützer sind inzwischen aus der AfD ausgetreten. Es gibt diese realpolitische Strömung in der Partei praktisch nicht und auch Weidel hat diese abgelehnt.
Ihre Hinwendung zum Höcke-Parteiflügel begann zum selben Zeitpunkt im April 2017, als sie, ungeachtet eines damals laufenden Ausschlussverfahrens gegen Björn Höcke, folgendes sagte: „Klar werde ich mit Björn Höcke Wahlkampf machen. Höcke und ich sind zwei Teile einer Partei.“ Diese Äußerung und ihre Annäherung an Höckes national-sozialistische Positionen stehen in einer inhaltlichen Kontinuität bis heute. Erst 2022 äußerte sie in Erwartung der neuen Wagenknecht-Partei nicht etwa Kritik am seit langem völlig ausgeuferten deutschen Sozialstaat, sondern „Wir als AfD müssen unser sozialpolitisches Profil weiter schärfen, gerade in dem Bereich starke Köpfe einsetzen und prominent machen.“
Wie sehr solche Worte auf Höckes Zustimmung stoßen, konnte man anlässlich ihrer Nominierung zur Spitzenkandidatin vor wenigen Wochen erfahren, als er dazu äußerte, dass er und Weidel seit 2017 viele Gespräche geführt und gemeinsame Standpunkte entdeckt hätten. Sie spiele nun die „erste Geige“, wichtig sei nun die gemeinsame Partitur. Höcke ist zwar kein Musiker, aber die Kenntnis über die Rollenverteilung in einem Orchester sollte man ihm schon zutrauen.
Lohnend ist auch ein Blick in andere Länder Europas, zu denen insbesondere Elon Musk gute persönliche Beziehungen unterhält.
In Europa nämlich ist die AfD unter den sognannten „rechten Parteien“ isoliert
Das hat Ursachen, die darin begründet sind, dass man die AfD nicht nur personell, sondern auch ideologisch viel besser versteht, als die meisten ihrer Kritiker hierzulande.
Die deutsche Rechte krankt seit Jahrzehnten an demselben Problem. Jede konservative Kraft muss ihr Verhältnis zur Geschichte des eigenen Landes klären, weil Konservatismus in der Regel einhergeht mit einem positiven Bezug zur eigenen Geschichte und Herkunft. Das führt in jedem Land zu Problemen, weil alte, aus der Zeit gefallene politische Konflikte in die Gegenwart getragen werden.
Der Narrensaum der politischen Rechten hat in jedem Land seine eigenen Probleme, aber in Deutschland ist es nicht der Faschismus, sondern der „nationale Sozialismus“, der sich in Randbereichen bemerkbar macht.
Dieser Unterschied ist wichtig, weil der Nationalsozialismus, im Gegensatz zum Faschismus, ein eigenes geschlossenes Ideengebäude darstellt. Die Zahl seiner Anhänger ist auch in Deutschland marginal, aber anders als in anderen europäischen Ländern, fällt die Distanzierung von diesen „Woken von rechts“ besonders schwer. Maximilian Krah hat beredtes Zeugnis davon im Europawahlkampf als Spitzenkandidat der AfD hiervon abgelegt. Den Europäischen Parteien von Orbans Fidesz, Melonis Fratelli d’Italia, Le Pens Rassemblement national oder Wilders PVV war das nun zu viel.
„Melonisierung“ gilt andersherum in der AfD als Beschimpfung für eine zu weich gespülte Politik. Le Pen, Orban, sie alle gelten in AfD-Kreisen als keine Partner. Die Ablehnung gilt wechselseitig.
Oder um es mit Krah zu sagen: „Zum einen habe die AfD im Gegensatz zu allen anderen Rechtsparteien in Europa ihre Stabilisierung und ihren Ausgriff auf über 20 Prozent der Wähler nicht durch eine Bewegung in Richtung liberalkonservativer Mitte erreicht. Vielmehr sei sie so erfolgreich aufgrund der unausgesetzt gesendeten Botschaft, es handele sich bei ihr tatsächlich um eine grundsätzliche Alternative.“
Nun frage man besser nicht, was die AfD denn ist, wenn nicht liberal oder konservativ und wie sich diese „grundsätzliche Alternative“ denn eigentlich definiert. Oder vielleicht doch! Vielleicht ist es an der Zeit, dass diese Frage endlich gestellt wird.
Fakt ist: Die AfD will den wuchernden Staatsapparat nicht nach Javier Mileis Vorbild entschlacken, sie will ihn lediglich mit eigenem Personal besetzen. Erhalten bliebe uns der Tribalismus, also die Einteilung von Individuen in Kollektive und ethnische Schubladen. Erhalten bliebe uns auch das eifrig eingeübte Freund-Feind-Schema; bloß mit anderen Vorzeichen. Erhalten bliebe uns auch die Unfähigkeit des Personals.
Es gibt zur Zeit in Deutschland keine Partei, die erkannt hat, welche drastischen Veränderungen in Deutschland notwendig sind, um die inzwischen eingetretenen Probleme zu lösen. Und es gibt keine Partei, die das dafür notwendige Personal zusammenbringen kann.

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Klaus Kelle, Chefredakteur