Skip to main content

Wie der Begriff der Freiheit in den Schmutz gezogen wird

von FELIX HONEKAMP

Am Samstag fand in Berlin der alljährliche Marsch für das Leben statt (GermanZ hat mehrfach berichtet). Eine immer weiter steigende Zahl von Demonstranten lässt es sich seit Jahren nicht nehmen, auf die Grundlagen der Menschlichkeit einer Gesellschaft hinzuweisen, die in Gefahr gerät, wenn gerade die Schwächsten – die Ungeborenen genauso wie Alte und Kranke – nicht mehr geschützt werden. Durchschnittlich 100.000 statistisch erfasste Abtreibungen, ein in diesem Jahresverlauf absehbarer Anstieg dieser Zahl, sprechen eine deutliche Sprache: Abtreibung ist ein Massenphänomen und spricht die Aufrufe zur Mitmenschlichkeit vornehmlich linker Gegendemonstranten Hohn.

Als Katholik habe ich ein klares Bild, was Abtreibung bedeutet. Es müssen keine drastischen Bilder zerstückelter Embryonen sein, die mich überzeugen, dass es sich dabei um eine unmenschliche Praxis handelt. Das menschliche Sein beginnt mit der Zeugung, ab da ist im Mutterleib kein Zellhaufen, wie manche behaupten, sondern ein hilfloser Mensch anwesend, der unseres Schutzes bedarf.

Aber ist es nicht gerade der Liberalismus, der auf freie Entscheidungen pocht, auf die Unvereinbarkeit dessen, dass jemand anderes über meinen Körper verfügen kann? Wieso sollte sich dann ein Rechtsstaat anmaßen, einer Frau vorzuschreiben, wie sie mit einer ungewollten Schwangerschaft umzugehen hat? Und in der Tat gehöre ich nicht zu denjenigen, die der Parole „Abtreibung ist Mord“ viel abgewinnen können. Zu naheliegend sind die Probleme, mit denen junge Frauen oft konfrontiert sind, wenn sie ungewollt schwanger werden. Finanzielle Probleme, Schwierigkeiten in Ausbildung und Beruf, familiärer oder kultureller Druck, das alles sind Gründe für eine Abtreibung die man mit einem solchen Diktum nicht einfach vom Tisch wischen kann. Umgekehrt muss man aber feststellen, dass nur ein verschwindend geringer Anteil von Abtreibungen einer kriminologischen (also im Wesentlichen Schwangerschaft in Folge einer Vergewaltigung) oder medizinischen (gesundheitliche Gefährdung der Mutter oder Krankheit des ungeborenen Kindes) Indikation unterliegen. Weit mehr als 90 % der Abtreibungen in Deutschland werden innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate im Rahmen der sogenannten Fristenregelung durchgeführt, nach der eine Abtreibung innerhalb dieser Frist nach einer angemessenen Beratung straffrei bleibt.

Das bedeutet für den Großteil der Abtreibungen, dass man eine ganz klare Botschaft formulieren muss: Das Kind ist nicht gewollt, der vorhergehende Geschlechtsverkehr schon. Die sexuelle Revolution der 68er propagierte Freiheit auch in der Liebe – wobei hier mit Liebe eigentlich nur die Sexualität gemeint war. Und auch wenn ich aus christlicher Sicht Einwände dagegen habe, so kann und will ich niemanden zwingen, sich diesem Anspruch ebenfalls zu unterwerfen. Wenn zwei Menschen übereinkommen, Geschlechtsverkehr zu haben und dabei auch niemand anderes geschädigt wird, dann ist das nichts, was einer staatlichen Sanktionierung bedürfte. Diese „sexuelle Freiheit“ wird aber verknüpft mit der Ablehnung der sich daraus ergebenden Verantwortung. Es ist ja nicht so, als ob die jeweils Beteiligten das nicht wüssten: Wer schnackselt kann Kinder bekommen (auch bei Einsatz von Verhütungsmitteln).

Das macht deutlich, dass die Formulierung, dass es sich bei einem Embryo doch noch gar nicht um einen Menschen handelt, ihren Ursprung nicht in medizinischen oder biologischen Überlegungen hat, sondern darin, dass man die Verantwortung für das neu entstandene Leben nicht übernehmen will. Das aber ist nicht nur nicht liberal sondern dient auch nicht der Freiheit der beteiligten Männer und Frauen. Um dem Trieb nachgeben zu können unterwirft sich mancher dessen Diktat und ist dabei sogar noch bereit, ein neues Leben zu beenden. Die Praxis der Abtreibung und die über die Jahre Millionen im Mutterleib unnötig getöteten Kinder sind darum nicht nur aus christlicher Sicht ein Skandal, sie sind es auch vor dem Hintergrund, dass diese Tötungen im Namen der Freiheit geschehen. Eine missbrauchte Freiheit, die den Begriff selbst in den Schmutz zieht.

Spendenaufruf

+++ Haben Sie Interesse an politischen Analysen wie diesen?
+++ Dann unterstützen Sie unsere Arbeit
+++ Mit einer Spende über PayPal@TheGermanZ
oder einer Überweisung auf unser Konto DE03 6849 2200 0002 1947 75 +++


Klaus Kelle, Chefredakteur