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In der AfD hat die wichtigste Diskussion über ihre Zukunft begonnen

Dass Krah jetzt den Fischer macht, gefällt vielen Volksgenossen überhaupt nicht

KLAUS KELLE
Maximilien Krah kurz nach seiner Wahl ins Europäische Parlament. Heute ist er Bundestagsabgeordneter.

„Die Zeit“, die „Frankfurter Rundschau“, der Berliner „Tagesspiegel“ – sie alle kriegen sich in diesen Wochen nicht darüber ein, dass die spannendste politische Diskussion außerhalb des tagesaktuellen Irrsinns in Deutschland ausgerechnet von ganz rechts kommt.

Das ist Maximilian Krah zu verdanken, einem schillernden Typen, Jurist aus Dresden (geboren in der Oberlausitz), einst CDU heute AfD. Und man kann viel über Herrn Krah denken und sagen, aber er ist ganz sicher nicht dumm.

Anders als viele Spitzenpolitiker der AfD hat der Sachse mit Sitz im Deutschen Bundestag begriffen, dass seine Partei trotz aller Wahlerfolge und glänzender Umfrageergebnisse keinen Millimeter voran kommt im bundesdeutschen Machtgefüge. Gern wird dann „das System“ bemüht, das „Kartell der Altparteien“ und natürlich die „Systemmedien“. Und, machen wir uns ehrlich: Die Art und Weise, wie die AfD im parlamentarischen Alltag und medial behandelt wird, ist einer freiheitlichen Demokratie unwürdig. Ich habe das in vielen Beiträgen hier und auch in Mainstreammedien kritisiert.

Dennoch gibt es immer zwei Seiten einer Medaille

Es gibt die offenkundige Benachteiligung der AfD, etwa wenn es um die personelle Besetzung des Bundestagspräsidiums und die Vorsitzenden parlamentarischer Fachausschüsse geht. Es gibt das Vorenthalten staatlicher Gelder für die AfD-nahestehende Desiderius-Erasmus-Stiftung. Und über den alltäglichen Umgang im Hohen Haus gegenüber Politikern der AfD müssen wir gar nicht sprechen.

Aber Maximilian Krah hat erkannt, dass Gejammer und Wagenburg-Mentalität seine Partei nicht weiterbringen werden.

Selbst dann nicht, wenn sie irgendwie in Ostdeutschland, etwa nächstes Jahr in Sachsen-Anhalt, eine Mehrheit mit Wagenknechts Fußkranken des Weltsozialismus zusammenbekommen sollten.

Die AfD wird Paria und von jeglicher Machtbeteiligung in Deutschland ausgeschlossen bleiben, wenn sie sich nicht dem gemeinsamen Common Sence der Demokraten fügt. So ein paar wenige Punkte, wo klar ist, dass es nicht verhandelbar ist, wenn man eine irgendwie geartete Beteiligung an der Macht haben will. Israel und die gemeinsame Vergangenheit ist so ein Punkt. Höckes „Schuldkult“und das „freundliche Gesicht des NS“ in der Bundestagsfraktion sind da – sagen wir – nicht hilfreich, wenn man mit anderen Parteien ins Gespräch kommen will.

Der Streit um Maximilian Krah und seine absolut richtigen Überlegungen, dargebracht in einem Streitgespräch mit dem rechten Vordenker und Verleger Götz Kubitschek, zeigt das Dilemma rechts überdeutlich. „Ich verstehe nicht, warum eine Partei, die 20 Prozent stemmt, ihre Agenda ändern soll“, sagt Kubitschek und verliert dabei leider aus den Augen, dass es noch 80 Prozent andere in Deutschland gibt, die den völkisch-nationalen Kurs umso heftiger ablehnen und die AfD für immer weg von politischer Macht halten wird, wenn er und die seinen sich durchsetzen.

Bei der Grünen war es zu Beginn ganz ähnlich

Als die Ökosozialisten 1983 in den Bundestags einzogen, hätte niemand für möglich gehalten, welchen Siegeszug durch das politische Deutschland sie nach ihrer Häutung antreten würden und dass sie bis heute die politische Agenda weitgehend bestimmen in unserem Land. Den Weg dahin hat einst Joschka Fischer mit seinen Realos freigekämpft. Raus mit maoistischen Spinnern, weg mit der Kinderschänderfraktion, keine Sympathie für Terroristen und Gewalt bei gleichzeitiger Akzeptanz staatlicher Institutionen.

Und so war plötzlich möglich, was vorher undenkbar schien. Ausschussvorsitze, Präsidium, Geld, Teilhabe an der Macht, Dazwischen eine kleine Pizza-Connection.

Und die EU muss natürlich auch ganz anders werden, aber wenn man dabei mitreden will, muss man halt drin sein.

Die AfD schaffte es nach der vergangenen Europawahl nicht einmal, in die vorher gemeinsame Fraktion der europäischen Rechten aufgenommen zu werden. Und Krah ließen sie sogar nicht in die AfD-Delegation, obwohl er vorher Spitzenkandidat zur Wahl war. Müsste da nicht mal irgendwer in der AfD auf den Gedanken kommen, dass man vielleicht im eigenen Laden beginnen sollte, aufzuräumen?

Schweden, Italien, Niederlande und weitere – überall werden die Rechten inzwischen mit einbezogen, überall sitzen sie mit am Tisch, wenn Entscheidungen getroffen werden – selbst in Brüssel. Nur die AfD bleibt außen vor. Und das ist nicht nur die Schuld der anderen.

Die Wortmeldungen aus dem rechten Vorfeld der AfD gegen den eigenen Mann Maximilian Krah triefen mittlerweile vor Hass. Was hat er getan?

Er hat sich einfach mit der real existierenden deutschen Gesellschaft beschäftigt und nicht Wunschträume verfolgt, sondern gesagt: Was machen wir mit denen, die von Merkel reingelassen wurden und heute hier normal mit uns zusammen leben? Die Deutsch sprechen, arbeiten für ihren Lebensunterhalt, unsere Gesetze und Traditionen respektieren. Viele von denen sind froh, dass sie in Deutschland eine Chance auf ein menschenwürdiges Leben und eine gute Zukunft für ihre Kinder haben.

Einfach immer nur „Remigration“ zu blöken und „alle raus“ ist sehr dünn

Über die anderen müssen wir nicht streiten. Messerstecher, Terroristen, Gruppenvergewaltiger und auch Arbeitsverweigerer müssen raus. Alle. So schnell wie möglich, da gibt es unter Menschen, die jeden Tag den Alltag hierzulande erleben, überhaupt keinen Dissens.

Aber warum soll die Pflegerin aus Polen, die Kellnerin aus der Ukraine oder der Bäcker aus Eritrea unbedingt „remigriert“ werden, wenn wir diese Leute aus eigenem deutschen Interesse unbedingt brauchen?

Die Debatte, die Krah angestoßen hat, ist das Wichtigste, was er derzeit in der AfD zu besprechen gäbe.

Und ja, alle sprechen drüber, aber viele eben unter dem Gesichtspunkt, wie man den unbequemen aber klugen Kopf rauskegeln kann.  Die große Debatte in der AfD, ob sie sich selbst genügt mit all den schönen Mandaten und Mitarbeiterstellen, mit Diäten und Altersversorgung, oder ob sie den Willen zur demokratischen Teilhabe und echter Politikwende für Deutschland hat, die hat gerade erst begonnen.

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Klaus Kelle, Chefredakteur