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Einkaufen im untergehenden Deutschland

KLAUS KELLE

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

da wir das Fachmedium für das bürgerlich-konservative Bildungsbürgertum sind, muss ich Ihnen nicht erklären, dass heute Totensonntag ist. Sie sind schlau, gebildet und sympathisch, deshalb schreibe ich auch so gerne für Sie.

Der Totensonntag, offiziell auch Ewigkeitssonntag, ist ein ganz wichtiger Gedenktag im evangelischen Kirchenjahr. Er wird jedes Jahr am letzten Sonntag vor dem ersten Advent begangen und markiert das Ende des Kirchenjahres.

Am Totensonntag gedenken die evangelischen Christen ihrer verstorbenen Angehörigen und Freunde. Viele Menschen besuchen heute die Gräber ihrer einstigen Lieben auf den Friedhöfen, schmücken sie mit Blumen, Kränzen und Lichtern. Fortgeschrittene folgen nicht nur einer Tradition, sondern nehmen sich einen Moment die Zeit für ein stilles Gebet. Denn, ich wiederhole mich vielleicht, Totensonntag ist ein christliches Fest für die Protestanten, die Katholiken haben Allerseelen immer am 2. November.

Der Totensonntag ist in mehreren Bundesländern ein sogenannter „stiller Feiertag, d. h. Konzerte oder Partys sind nicht erlaubt, was zweifellos manch religiös unmusikalischen Mitbürger wieder empören wird. Mich nicht, ich finde es wohltuend, wenn an zwei Tagen im Jahr mal etwas Ruhe herrscht – das ist auch gut für unsere Allgemeinverfassung und Gesundheit. Totensonntag und Karfreitag kann man mal auf Disko- oder Sportsbar verzichten.

Mit dem heutigen Tag geht es richtig los

Nächste Woche ist der 1. Advent, vom lateinischen „Adventus (domini)“, das bedeutet „Ankunft (des Herrn)“. Christen bereiten sich ab jetzt auf das groß Fest der Geburt Jesu Christi vor, das wir dann an Weihnachten feiern. Aber der Hinweis darauf könnte Teile der Bevölkerung verunsichern.

Alles, was ich hier beschreibe, ist für viele Menschen leider nur Theorie.

Denn die Wahrheit ist, dass es unmittelbar nach den Sommerferien in den ersten Supermärkten bereits Lebkuchenherzen und Marzipankartoffeln zu kaufen gibt. Ehrlich, Leute, wer Ende August Marzipankartoffeln kauft, der hat die Kontrolle über sein Leben komplett verloren.

Auf dem Nachhauseweg aus Berlin gestern kam ich im Auto an einem Ausfahrtschild vorbei, auf dem „Havelpark“ stand, das ist ein mehr als beachtliches Einkaufsparadies in einem Ort, der allen Ernstes Dallgow-Döberitz heißt und vor dessem Rathaus gelegentlich die Regenbogenfahne der Schwulenbewegung gehisst wird. Man ist also modern in Dallgow-Döberitz.

In Amerika nennt man sowas wie den „Havelpark“ eine „Mall“, nicht einfach ein Netto-Markt oder Aldi, sondern ein gigantisches Einkaufszentrum mit zahlreichen Einzelhandelsgeschäften, Dienstleistungsbetrieben und Freizeitangeboten. Wenn man da reingeht, muss man im Grunde nie wieder rauskommen. Da gibt es alles. Wäre ich Ami hätte ich darüber noch zwei Etagen mit Mietwohnungen gebaut, dann muss man das Gebäude gar nicht mehr verlassen. Schlafzimmer, Kühlschrank, W-Lan, Mall – läuft.

Ich wollt gestern nur schnell noch Kaffee besorgen und fuhr auf den megagroßen Parkplatz mit Hunderten von Stellplätzen, es war gegen 18 Uhr am Samstag, und ich hatte Mühe, einen freien Platz für mein Auto zu finden.

Sie können sich nicht vorstellen, was da los war. Irre!

Weihnachtsmusik, Andrang in allen Läden, Confiserie , Feinkost, Christbaumschmuck, Lichterketten, eine Hotdog-Bude, ein blinkender Dönerstand, in der „Nordsee“ alle Tische besetzt. Und was es da alles gibt, das gibt’s ja gar nicht.

Als ich rausschlenderte mit meinem Schächtelchen mit Tschibo-Taps und noch überlegte, mit welcher klugen Strategie ich in der nächsten Viertelstunde wohl mein Auto finden könnte, kam mir der Gedanke, wie viele der Tausenden hier am Abend wohl am Tisch sitzen und über „scheiß Deutschland“ reden, und dass wir alle demnächst dem Untergang geweiht sind durch – kreuzen Sie bitte an – Putin oder Klima, und wie schlecht es allen doch geht. Und demnächst wird der Euro abgeschafft, dieses Mal aber echt. Und dann machen Sie noch ein Fläschchen auf und Mutti holt die Marzipankartoffeln aus dem „Havelpark“…
Lichterkette schon rausgehängt?

Einen besinnlichen Sonntag wünsche ich Ihnen allen! Bleiben Sie stabil!

Ihr Klaus Kelle

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Klaus Kelle, Chefredakteur