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Frau Baerbock auf Reisen: Plötzlich formuliert Deutschland eigene Interessen unmissverständlich

Liebe Leserinnen und Leser,

da müssen Sie jetzt durch. Es geht schon wieder um Außenministerin Annalena Baerbock, die gestern Abend erneut etwas sehr Kluges gesagt hat. Ja, ich weiß, viele von Ihnen wollen das gar nicht hören, aber ich kann es ja auch nicht ändern. Sie macht ihren noch neuen Job richtig gut. Das kann man bedauern, in diesem Fall will ich das aber nicht, weil sie Deutschlands Gesicht in der Welt ist für die nächsten vier Jahre oder vielleicht auch länger. Und wollen wir, dass sie uns als oberste Repräsentantin in der Welt blamiert? Ich jedenfalls nicht.

Frau Baerbock hat ihr CO2-neutrales Köfferchen und die vegane Schminke sicher schon gepackt, denn nachher bricht sie zur nächsten Reise auf – und die führt sie auf den Balkan und in die Republik Moldau. Im Gepäck hat sie ein paar Reden, die signalisieren sollen, dass Deutschland die Länder des westlichen Balkans nicht vergessen hat. «Viele dieser Länder haben wir in den letzten Jahren enttäuscht und vernachlässigt», sagte die Ministerin am Abend und kündigte an, sie wolle auf ihrer Reise „vor allem zuhören, was die Menschen dort erwarteten». Und natürlich schwang dabei deutlich mit, dass Deutschland, die EU und die NATO diesen Teil Europas nicht dem russischen Einfluss überlassen wollen und werden. Nicht mehr jetzt, ganz sicher nicht mehr nach dem Angriff auf die Ukraine.

Was Frau Baerbock hier sagt, das ist nichts anderes als eine neue, selbstbewusste Außenpolitik zu postulieren, die sich daran orientiert, deutsche Interessen auch international zu formulieren und wenn möglich durchzusetzen. Erst jetzt wird mir richtig klar, was die Frau da gerade macht. Nach all den Jahrzehnten des Durchlavierens, der Schutzhelm-Lieferungen und der Enthaltungen in der UN, wenn es um eine Flugverbotszone in Syrien geht, des Scheckverteilens in der Dritten Welt und des Wegduckens, wenn er irgendwo heiß wird, formuliert ausgerechnet eine Grüne Grundlagen einer zukünftigen selbstbewussten deutschen Außenpolitik.

Ich muss gestehen, dass mich das zunehmend fasziniert, was diese Frau Baerbock da gerade macht. Und ich weiß natürlich nicht, ob das alles auf ihrem eigenen Mist gewachsen ist, oder ob da Joschka Fischer abends anruft und ihr Tipps gibt oder ob ministeriale Redenschreiber im Außenministerium geniale Gedanken aufschreiben, die die Ministerin dann bloß mit ernster Miene vor den Kameras vorliest. Aber das ist doch nicht zu fassen, oder?

Eine Grüne, der wohl den Rest ihres Lebens der frisierte Lebenslauf und der „Kobolt“ nachhängen werden, traut sich, selbstbewußt für Deutschland aufzutreten. Ja, klar, auch eingebettet in Europa, aber aus ihren Auftritten spricht ein deutsches Selbstbewusstsein, das ich über viele Jahrehnte vermisst habe bei unseren politischen Eliten.

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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Klaus Kelle, Chefredakteur