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Wieso hat ein deutsch-amerikanischer Milliadär einen russischen Diplomatenpass?

Alle Spuren führen nach Moskau: Der Marsalek-Haub-Komplex ist nur die Spitze des Eisbergs

Klaus Kelle

Sie dürfen sicher sein, dass all diesen Geschichten früher oder später von Hollywood aufgegriffen und verfilmt werden. Das mysteriöse Verschwinden des deutschen Top-Managers Karl-Erivan Haub und der Zusammenbruch des Finanzdienstleisters Wirecard, bei dem der frühere Finanzvorstand Jan Marsalek (43) ebenfalls verschwand, nur nicht so spektakulär, bieten alles, was ein Kino-Blockbuster zum Erfolg braucht.

Der 43-jährige Österreicher hat sich vor dreieinhalb Jahren mit ein wenig Erspartem – es fehlen wohl 1,9 Milliarden Euro – abgesetzt in das Traumland von Landesverrätern, Geldwäschern und gestürzten Diktatoren. Dort lebte er, was deutschen Sicherheitsbehörden nicht verborgen blieb, irgendwo am Stadtrand von Moskau. Vielleicht sogar in der Nachbarschaft von Karl-Erivan Haub,  der zwar von einem Kölner Amtsgericht mit Wirkung vom 7. April 2018 Mitternacht offiziell für tot erklärt wurde, aber der nach Überzeugung der RTL-Reporterin Liv von Boetticher („Die Akte Tengelmann“) und von mir putzmunter ist und mit seiner 20 Jahre jüngeren Geliebten Veronika E. in Moskau lebt. E. ist gesichert eine auf Haub angesetzte Agentin des russischen Geheimdienstes FSB.

Ich habe die Zusammenhänge zwischen diesen beiden – und vielen weiteren – Fällen erst spät begriffen. Wie das alles zusammenhängt mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Plan der alten Eliten, ihre Überzeugungen in die Neuzeit zu transportieren. Wie das finanziert wird über ein kompliziertes Konstrukt von Banken und großen Unternehmen rund um den Erdball.

Wussten Sie, dass es in den Staaten der EU 31.000 Firmen mit russischer Beteiligung gibt?

Es gibt Banken, in Großbritannien, in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und selbst in den USA, die unter Kontrolle russischer Oligarchen stehen. Das sind alles nicht schwurbelige Verschwörungsgeschichten, das ist im Detail belegt. Neu ist, dass der Umfang der offensichtlichen Bedrohungslage für den Westen ausgerechnet durch Putins Ukraine-Krieg erkennbar geworden ist. Das Schmieren politischer Parteien in EU-Staaten, der Kauf von korrupten Abgeordneten, die Finanzierung und der Aufbau eigener Medien im Westen und manche erstaunliche Staatenlenker-Karrieren – das gehört zusammen.

Und wie so häufig verschließen Politiker und Medien hierzulande die Augen vor dieser inzwischen überaus ernsten Gefahr. Der Putin, der macht sowas nicht, wird einem dann erzählt, immerhin spreche er Deutsch und sammle in Osteuropa bloß „russische Erde ein“. Und in Teilen der Gesellschaft freut man sich, dass es endlich mal wieder einer den arroganten Amis zeigt. Die USA, Sie wissen schon, die – nach der Erzählung für die ganz Blöden – nur deshalb so mächtig sind, weil sie 1945 in Peenemünde all die deutschen Konstruktionspläne für Raketen geklaut haben.

Marsalek ist seit fast zehn Jahren russischer Agent

Davon gehen westliche Nachrichtendienste inzwischen sicher aus, wie gerade das renommierte „Wall Street Journal“ berichtet. Danach habe Marsalek – der zu seiner Zeit als Wirecard-Manager auch Kontakte zu weiteren Geheimdiensten pflegte – den Finanzkonzern, der später im Aktienindex DAX der wichtigsten deutschen Konzerne gelistet wurde, genutzt, um Geldtransaktionen zur Finanzierung verdeckter Operationen des russischen Auslandsgeheimdienstes zu organisieren.

Wie passt der „Vermisstenfall“ Haub ins Bild?

Ich bin ohne jeden Zweifel überzeugt, dass der frühere Topmanager mit besten Kontakten ins Merkel-Kanzleramt und in die CDU ebenso wie Marsalek ein russischer Einflussagent war und ist.

Vater von Karl-Erivan Haub (KEH) war übrigens Erivan Haub, der im März 2018 verstarb. Er hatte die Unternehmensgruppe Tengelmann von 1969 bis 2000 geleitet.

Karl-Erivan Haub setzte sich am 7. April 2018 ab – nur wenige Tage nach dem Tod seines Vaters. Erstaunlich, dass bisher niemand den zeitlichen Zusammenhang dieser beiden Ereignisse aufgegriffen hat.

Erivan Haub gehörte zu den reichsten Deutschen, in der Forbes-Liste 2014 wurde sein Vermögen auf etwa 5,2 Milliarden US-Dollar geschätzt.

Bei einem Gespräch vor wenigen Tagen mit einem deutschen Geheimdienstler erzählte mir dieser, dass „der alte Haub“ einen russischen Diplomatenpass besessen hat. Warum? Erivan Haub besaß die deutsche UND die amerikanische Bürgerschaft. Zwischen 2010 und 2015 wurden bei Tengelmann Unternehmensgelder in zweistelliger Millionenhöhe „zweckentfremdet“. Das Geld soll zu einem großen Teil nach Russland abgeflossen sein damals. Als die Revisionsabteilung bei Tengelmann der Geschäftsführung eine „Verdachtsmeldung“ schickte, untersagte Karl-Erivan Haub, dieser Angelegenheit weiter nachzugehen…

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Klaus Kelle, Chefredakteur