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Es geht um die Wurst… und auch um Milch und Salat …

von FELIX HONEKAMP

Fortschritt ist kein Wert an sich, aber in den allermeisten Fällen macht der Fortschritt das Leben der Menschen einfacher. Fortschritt bedeutet aber auch Veränderung, und wie ich mal in einem Managementhandbuch gelesen habe: Menschen hassen Veränderung, und das liegt daran, dass Menschen Veränderungen eben hassen. Nehmen wir das Beispiel der sozialen Medien: Sie bieten eine Vielzahl von Möglichkeiten der Information aber – natürlich – auch der Desinformation. Eine solche Quelle hätten sich die Revolutionäre der vergangenen Jahrhunderte gewünscht. Der zeitgeistlinke Revolutionär von heute steht dieser Informationsquelle eher skeptisch bis ablehnend gegenüber … und der Grund ist einfach: Er kann es nicht kontrollieren, es bedeutet eine Veränderung seiner eigenen Kommunikationskultur. Darum sollen solche Netze mit allerlei gesetzlichen und halbgesetzlichen Regelungen an die Kette gelegt werden. Ziel ist dabei keine Qualität, Ziel ist nicht die mediale Versorgung der Bürger (was auch vermessen wäre), Ziel ist allein der Erhalt der eigenen Macht oder zumindest des eigenen Arbeitsplatzes.

Derartige Beispiele für Veränderungen und Reaktionen darauf gab es schon immer viele. Doch das Internet liefert Revolutionen am Fließband und es gibt nur wenige – wenn überhaupt – Branchen, die hiervon völlig unbelastet wären. Wer Online-Medien nicht nutzt, wer sich deren Möglichkeiten nicht zunutze macht, der handelt, als hätte er einen hochqualifizierten Mitarbeiter, den er nur für Handlangerdienste einsetzt. Kann man machen, besser wird man dadurch aber nicht … und der Mitarbeiter wird sich im Zweifel lieber von jemand anderen einstellen lassen. Das ganze wäre eher unproblematisch, wenn dahinter nicht eine Menge Geld und Politik stehen würde, die gerne auch mal Partikularinteressen unterstützt, wenn es denn der eigenen Sache dient. Auf diese Weise werden desaströse Folgen betriebswirtschaftlicher Fehlentscheidungen sozialisiert; entweder durch direkte Stützung der betroffenen Unternehmen – die Finanzhilfen für ins Schlingern geratene Banken ist ein solches Beispiel – oder durch gesetzliche Regulierungen, die es neuen, innovativen Marktteilnehmern erschweren, ein Bein an den Boden zu bekommen.

Darum gehe ich beinahe jede Wette ein: Wir werden in den kommenden Monaten und Jahren jede Menge solcher staatlicher Eingriffe im Lebensmittelhandel erleben. Nicht um den kleinen Tante-Emma-Laden um die Ecke zu retten, der wird zwar gerne als Beispiel für die Zielklientel der „kleinen Leute“ herangezogen, ist es aber eigentlich nicht. Solche Läden gibt es sowieso kaum noch, und wenn, wird die die jetzt absehbare Entwicklung nicht schocken. Jetzt geht es um die Großen, um die Rewes, Edekas und Metros dieses Landes. Denn die sehen sich einer neuen Konkurrenz ausgesetzt, der sie nur wenig entgegenzusetzen haben: Amazon Fresh geht – mit einigen Verzögerungen aber absehbar – kurzfristig an den Start und macht sich daran, die deutschen Haushalte mit Lebensmitteln zu versorgen. Rewe-Chef Alain Caparros warnt bereits seit langem, dass der Internetriese „wie ein Tornado über die Branche ziehen und so manchen Händler in Schwierigkeiten bringen“ werde.

Es gibt allerdings einen Unterschied zum Tornado: Der entwickelt sich eher kurzfristig und ist wenig berechenbar. Wer dagegen die Entwicklung im sogenannten Internet der Dinge beobachtet, kann nicht überrascht sein, dass man über das Internet nicht nur Bücher, Badehosen, Wohnzimmergarnituren und Handwerkerdienste sondern eben auch Lebensmittel verkaufen kann. Konnte man wissen, wenn man mit dem eigenen Unternehmen oder den Geldern der Investoren verantwortlich umgegangen ist. Aber so wie viele stationäre Händler von heute bereits seit langem im Internet bestellbarer Waren einen solchen Trend nicht wahrhaben wollten, nicht schnell genug auf eine andere Wertschöpfung umgestellt haben, so trifft es jetzt die Lebensmitteleinzelhändler. Die sehen sich überfordert, haben bis auf wenige zaghafte Lieferexperimente kaum eine Antwort auf diese neue Herausforderung.

Und weil es hier nicht den kleinen Buchhändler an der Ecke trifft sondern die großen „Player“ der deutschen Wirtschaft, darf man sicher sein, dass es hier staatlicherseits zu Interventionen kommen wird. Die werden unser – Ihres und meines – Geld kosten, weil das Management der betroffenen Konzerne einen Trend total verschlafen hat. Und sie werden uns weiter in eine gesteuerte Sozialwirtschaft führen, die mit einem echten Markt immer weniger zu tun hat. Nach Medienberichten ist der deutsche Lebensmittelmarkt pro Jahr 200 Milliarden Euro im Jahr schwer, davon beträgt der E-Commerce-Anteil noch nur rund 1 %. Branchenexperten sehen ein Anwachsen dieses Bereichs in den kommenden Jahren auf 10 %. Da ist eine Menge Geld im Spiel, und eine Menge zu tun für die Politik, den Fortschritt zu behindern.

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Klaus Kelle, Chefredakteur