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Respekt, Joshua Kimmich, für den (hoffentlich bleibenden) geraden Rücken!

Joshua Kimmich ließ seinen Emotionen freien Lauf. Foto: Christian Charisius/dpa

von FELIX HONEKAMP

MÜNCHEN – TheGermanZ-Chef Klaus Kelle kann ein Lied davon singen: Seit Jahren versucht er mich, in sein Lieblingsstadion in Ostwestfalen zu bringen. Und auch wenn ich das Ansinnen durchaus zu würdigen weiß: Fußball ist nicht meine Welt. Ich verstehe nichts davon, hab’s nie gerne gespielt, und abgesehen von Welt- oder Europameisterschaften schau ich es auch nicht. Umso schwieriger finde ich allerdings, wenn es dann Fußballer gibt (übertroffen vermutlich nur von Spielerfrauen – sind das beim Frauenfußball eigentlich analog Fußballmänner oder ist das … ach, vergessen wir das bis auf’s Weitere), die sich in außersportlichen Angelegenheiten äußern. Nun wäre es vermutlich kein Problem, wenn sich ein Nationalspieler zu neuesten Erkenntnissen in der Astrophysik äußerte – einfach, weil es die Medien zurecht ignorieren würden: Was kann ein Fußballprofi schon von solchen Themen wissen?

Im politischen Bereich ist das allerdings anders, was vermutlich zum Teil sicher auch daran liegen mag, dass sich Politiker in der Regel ganz gerne im Glanz von „Prominenten“ sonnen. Da unterscheiden sich Diktaturen kein bisschen von Demokratien. Wenn sich also ein solcher Prominenter zur – sagen wir – Migrationspolitik äußert, und diese Meinung auch meiner als Politiker und zusätzlich noch der des Mainstreams entspricht, dann bin ich natürlich nur zu gerne bereit, mich mit ihm ablichten zu lassen. Ist doch großartig, wenn so ein Vorbild sich so mutig zur allgemeinen Meinung bekennt. In gewisser Weise ist das eine Win-Win-Situation: Der Fußballer erhöht seinen Marketingwert und der Politiker kann seine Meinung völlig frei von Argumenten weiter verbreiten. Gerne wird dann auch die Vorbildfunktion von Spitzensportlern hervorgehoben, und damit solches – seien wir ehrlich – gratismutiges Engagement geadelt.

Was aber, wenn sich nun ein Sportler ganz anders äußert, als ich mir das als Politiker wünschen würde? Womit wir bei Joshua Kimmich wären. Wie eingangs erwähnt kann ich zu seiner fußballerischen Leistung keine Meinung abgeben. Und inwieweit Herr Kimmich politisch oder medizinisch gebildet ist, entzieht sich ebenfalls meiner Kenntnis. Trotzdem hat er sich nun auf Nachfrage geäußert, dass er nicht gegen „CoVid“ geimpft sei, und das begründet mit Zweifeln und Sorgen um die Langfristwirkungen der hier zum Einsatz kommenden Impfstoffe. Sollte eigentlich keine Schlagzeile wert sein, ist es aber, weil Herr Kimmich damit der scheinbar alternativlosen Meinung widerspricht, dass die Impfung das einzige Mittel zur Eindämmung oder Beendigung der Pandemie ist und dass diese Impfung, trotz Übergangszulassungen und fehlender langfristiger Erfahrungen, auf gar keinen Fall Langfristwirkungen haben wird.

Nun pochen also Politiker und allerhand C-Prominenz darauf, dass sich Herr Kimmich – hopplahopp –impfen zu lassen und seine Einlassungen zu widerrufen habe. Denn – so das hier angesetzte Narrativ – er habe doch schließlich eine Vorbildfunktion, und dieser werde er mit seiner jetzigen Position nicht gerecht. Nun mag es durchaus Menschen geben, die die Entscheidung, sich impfen zu lassen von den Argumenten eines Fußballers abhängig machen. Da hätte ich aber auch eher die Vermutung, dass das auch sonst Kandidaten für den Darwin-Award sind – not fit for survival. Aber nehmen wir für einen Moment als gegeben an, dass Joshua Kimmich eine Vorbildfunktion auch außerhalb des Sports hätte. Worin könnte die dann bestehen?

Vielleicht in der Einstellung, nicht alles nachzuplappern, was einem die Medien und Claus Kleber so allabendlich vorsetzen? Vielleicht das Bemühen um eine eigene Meinung? Und vielleicht auch das Bemühen, diese Meinung auch noch zu vertreten, gelegen oder ungelegen?

Da könnte dann schon mal ne Menge Unsinn bei herauskommen, aber ganz ehrlich: Bei solchen Charakterzügen hätte ich keine Probleme, sie meinen Kindern gegenüber als vorbildlich zu beschreiben. Ganz im Gegensatz zu seinen Kritikern, die ganz überwiegend argumentationsfrei aber im Brustton von Überzeugung und Betroffenheit auftreten, und schon mal zusehen, dass sie die mediale Distanz zwischen dem bisherigen Fußball-Promi und sich so groß wie möglich werden lassen – damit bloß nichts davon auf sie zurück fällt.

Es hat damit aber auch sein Gutes: Wenn Daniel „Wer war das noch mal“ Cohn-Bendit, Noch-Innenminister Horst Seehofer oder Philipp Lahm jetzt Joshua Kimmich kritisieren (schönes Argument von Lahm nebenbei: „Ich lese relativ viel, und da informiere ich mich eben. Und ich habe nicht so viele gelesen, die gesagt haben: Impfen ist schlecht“), dann ist auch gleich das Gegenbeispiel für meine Kinder bei der Hand: Solange ihr Eure Füße unter meinen Tisch setzt, kommt Ihr gefälligst niemals mit derart opportunistisch-gratismutigen Äußerungen um die Ecke.

Ich habe auch ein bisschen was gelesen, habe mir Gedanken gemacht, und ich habe mich impfen lassen; nicht mit einer vehementen Überzeugung, aber doch überzeugt genug, dass ich eine Impfung für richtig erachte. Ich halte aber meine Meinung in dieser Frage erstens nicht für „unfehlbar“ und zweitens auch für die durchaus gesellschaftlich bequemere. Insofern: Respekt, Joshua Kimmich, für den (hoffentlich bleibenden) geraden Rücken. Ich hoffe, Sie spielen genauso gut Fußball!

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Klaus Kelle, Chefredakteur