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Völlig losgelöst von der Erde: Ohne Visionen und Logistik funktioniert sowieso nichts

Liebe Leserinnen und Lesern,

den gestrigen Tag haben wir hier mit einer Meldung aus der Raumfahrt begonnen. In einer Sojus-Kapsel landeten nämlich Sergej Kud-Swertschkow, Sergej Ryschikow und die Nasa-Astronautin Kate Rubins irgendwo in der Einöde Kasachstans. Ende gut, alles gut.

Oder nicht?

Denn viele Menschen fragen sich, was bringt uns ein milliardenteures Raumfahrtprogramm, wo wir doch nicht einmal dazu fähig sind, unsere Probleme auf diesem Planeten zu lösen?

Ich gehöre nicht zu den Pessimisten. Ich finde es faszinierend, dass nicht nur staatliche Raumfahrtbehörden wie die amerikanische Nasa oder die russische Roskosmos in unendliche Weiten vorstoßen wollen, sondern auch private Anbieter, die intensiv daran arbeiten, Menschen ohne Rückfahrkarte zum Mars zu befördern, damit sie dort mit der Kolonialisierung des Weltalls beginnen. Unbenannte Raketen bringen Baustoffe und Versorgungsanlagen zum Roten Planeten, dann kommt die Crew und beginnt, alles zusammenzustecken wie ikea-Möbel, und hoffentlich funktionieren dann Druckausgleich, Strom und Sauerstoffzufuhr rechtzeitig, und wenn Amerikaner dabei sind – was anzunehmen ist – der sperrige Kühlschranbk mit Eiswürfelmaschine. Sonst ist nämlich schlecht.

Nein, ganz ehrlich: es sind die Visionen, die die Menschheit immer voran gebracht haben. Die Erfindung des Rades, oder die sehnsüchtigen Blicke von Menschen, die Zugvögeln im Herbst zuschauten und sich wünschten, einmal genauso fliegen zu können. Sie alle wurden als Spinner geschmäht, doch mit ihren Träumen begannen die großen Umwälzungen. Warum also nicht wie Captain Kirk mit dem Raumschiff Enterprise den Weltall, unendliche Weiten erkunden? Und wer weiß, vielleicht treffen unsere Leute da oben auf Verwandte, von denen sie sich bisher nichtmal eine Vorstellung machen können.

Ich bin als Journalist daran gebnunden, mit beiden Beinen auf der Erde zu bleiben und mich den kleinen Dingen gedanklich zu stellen, die in meine Horizont noch Platz finden. Und damit sind wir wieder bei den drei Raumfahrern in der Sojus-Kapsel. Die kamen nämlich zurück von einem mehrmonatigen Tripp auf der internationalen Raumstation ISS. Die kreist da oben seit 1998 so rum, und wie vieles Gute hat es als Projekt amerikanischer Militärs begonnen, die in 400 Kilometer Höhe gern etwas haben wollten, womit man auf die Erde schießen kann. Aber es kam anders, es wurde ein internationales Projekt, an denen inzwischen viele Länder einvernehmlich zusammenwirken. Selbst Russen und Amis kommen da oben klar, während sie sich hier unten zähnefletschend gegenüberstehen.

Haben Sie mal überlegt, wie so ein Projekt über Jahrzehnte organisiert werden muss? Im schlimmsten Fall hängt das Überleben der Crew davon ab, dass an alles gedacht wurde vorher, dass es für alles ein BackUp gibt, einen Plan B. Was, wenn einer schwer erkrankt überraschend? 112 anrufen bringt da nichts. Bis zu zehn Astronauten waren schon zeitgleich über Monate da oben. Was ist, wenn sie sich nicht mögen, wenn der eine seinen Gebetsteppich ausrollt und der andere Pornofilme gucken will? Allahu Akbar in 400 Kilometer Höhe kann eine Herausforderung sein, denn der Linienbus kommt nur selten vorbei.

Damit solche bahnbrechenden Projekte Erfolg haben können, bedarf es zweier Typen von Menschen: Visionäre mit viel Phantasie und exzellente Logistiker. Ohne die funktioniert nichts. Gar nichts. Und morgen schreibe ich wieder über Laschet und Söder.

Gute Nacht!

Ihr Klaus Kelle

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Klaus Kelle, Chefredakteur