INTERVIEW mit Klaus Kelle: „Sonst sterben wir in Schönheit“
BERLIN – Das Jahr 2022 nähert sich dem Ende, ein Jahr der Krisen, in dem unbestechlicher Journalismus und andere Sichtweisen als der Mainstream notweniger sind als jemals zuvor. Das ambitionierte Projekt einer frischen Tageszeitung für Deutschland, die auch außerhalb eigener politischer Blasen beachtet wird, läuft mit „mit „TheGermanZ“ bereits im zweiten Jahr. Über die Vision eines ökonomisch tragfähigen und journalistisch ambitionierten tagesaktuellen Mediums für die bürgerlich-konservative Mitte der Gesellschaft sprach Martin D. Wind mit Chefredakteur Klaus Kelle.
Klaus Kelle, Hand aufs Herz: haben Sie schonmal bereut, den Axel Springer Verlag verlassen zu haben?
Ja.
Warum?
Weil es dort ein ganz anderes Arbeiten war. Eine perfekte Struktur, 14 gute Monatsgehälter, Betriebsrente, und überall, wo sie anrufen, werden sie direkt durchgestellt, weil niemand wirklich Stress mit der auflagenstärksten Tageszeitung des Landes haben will.
Und wieso haben Sie BILD damals verlassen?
Es ergab sich eine Situation, in der der Verlag Stellen abbauen wollte und Mitarbeitern wirklich großzügige Angebote unterbreitet hat, mit einem „goldenen Handschlag“ und in Freundschaft zu gehen. Das habe ich wahrgenommen und gedacht, mit dem Startkapital und dem, was ich journalistisch kann, mache ich mein eigenes Medienunternehmen auf.
Das haben Sie jetzt, sind Sie zufrieden?
Nicht wirklich, denn erst Corona und jetzt ganz massiv die Energiekrise und die explodierenden Preise beim Bedarf des täglichen Lebens haben die Spendeneinnamhen massiv einbrechen lassen. Da kann man den Leuten keinen Vorwurf machen. Vorletzte Woche hatten wir die besten Zugriffszahlen überhaupt jemals, auch weil alle Inhalte im Moment frei verfügbar sind. Wir können also entscheiden: Entweder wir machen strikte Bezahlschranke und verlieren dann erheblich an Lesern und damit an Relevanz, oder wir sterben in Schönheit.
Sie glauben nicht, wie viele Mails und Briefe wir bekommen, in denen wir für unseren unternehmerischen Mut und den ambitionierten Journalismus, die starken Beiträge unserer Autoren gelobt werden. Aber all das nützt am Ende des Tages nichts, wenn der Betrieb nicht mehr aufrecht zu erhalten ist.
So schlimm?
Naja, wir existieren ja noch, aber das Verhalten der bürgerlichen Leserschaft ist anders als das von den Lesern echter Kampfmedien an den Rändern rechts und links. Die linksextreme taz stand vor 30 Jahren dauernd kurz vor der Pleite. Und bevor die final das Licht ausschalten mussten, gab es einen Aufruf, Jahresabos abzuschließen. Das machten dann 3000 Leute innerhalb einer Woche, und weiter ging es. 2014 ist es der taz sogar gelungen, 3,35 Millionen Investitionszuschuss aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der Regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW) zu
ergattern.
Wenn wir aufrufen, Abos abzuschließen, dann machen das 20 Leute, davon die Hälfte erstmal für einen Monat. Viele Leser aus der Mitte der Gesellschaft merken, dass in ihrem Land etwas furchtbar
in die falsche Richtung läuft. Aber ihnen ist nicht klar, dass sie selbst mehr tun müssen, wenn sie diese Gesellschaft wieder auf Vordermann bringen wollen, ohne „das System“ abzuschaffen.
Insbesondere die politische Linke hat es geschafft, dass sie sich von uns allen ihren Lebensunterhalt und ihren Kampf gegen unsere Überzeugungen bezahlen lassen. Hunderte Millionen Euros werden jedes Jahr aus unserer Steuertöpfen verballert für völlig nutzlosen Unfug wieGender-Lehrstühle, Gleichgstellungsbeauftrage, Klima-Aktivisten und den ominösen sogenannten „Kampf gegen Rechts“. Aber wenn wir eine Halbtagssekretärin für die Redaktion brauchen oder einen wöchentlichen Podcast produzieren wollen, dann muss ich mit dem Klingelbeutel herumlaufen, um das finanzieren zu können.
Das heißt?
Das heißt, Aufgeben ist keine Option, wenn wir es mit unserem Land gut meinen. Wenn wir nicht steuerbare Objekte einer offenkundig überforderten Bundesregierung und ihrer medialen Hofnarren
à la Will, Welke und Böhmermann sein wollen.
Was ist Ihr Plan?
Wir werden zum Jahresende ein paar Veränderungen im Kreis der Kommanditisten, also unserer Geldgeber, haben. Wir werden das Stammkapital um 100.000 Euro erhöhen. Feste Zusagen für 35.000
liegen bereits vor. Beteiligungen sind ab 5000 Euro möglich. Wir brauchen Unternehmen, die so unabhängig und frei sind, dass sie Werbeschaltungen an Medien wie uns vergeben können, ohne
sich vor dem Internet-Pranger fürchten zu müssen. Und wir werden weiter um Spenden und Abos werben. 1000 neue Jahresabos à 70 Euro und wir hätten eine ausgeglichene Bilanz.
Wir sprechen mit einzelnen Medienunternehmen, die im gleichen Teich wie wir unterwegs und kompatibel sind. Bürgerlich müssen sie sein, konservativ oder liberal und tolerant ausgerichtet, teamfähig und vor allem auf die Zukunft ausgerichtet. Ich will nicht ein weiteres Medium machen, wo 70-jährige weiße Männer beim Lesen mit der Faust auf den Tisch hauen und rufen: „Jau, so isses“. Da gibt es bereits ein großes und gutes Angebot in Deutschland. Ich will deutlich jüngere Leser, deutlich mehr Frauen, ich will konservativen HipHop machen, wo Leser auf unsere Seite kommen und Sichtweisen finden, die sie vorher noch nie gehört oder gelesen haben.
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Klaus Kelle, Chefredakteur