Der Beruf der Sekretärin wird viel zu wenig geschätzt
Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser!
Gestern war der internationale „Tag der Sekretärin“, wie ich auf der A2 im Autoradio erfuhr. Jeden Tag ist ja irgendwas, und ich beschäftige mich, wie sicher die meisten von Ihnen, nicht mit diesem ganzen Quatsch. Tag der Arbeit, Frauen-Tag, ja meinetwegen, überflüssig, aber Tradition. Kann man machen. Aber Tag des Vollkornbrotes? Tag der frischen Tomaten (gibt es wirklich am 6. April)? Ohne mich!
Dennoch fesselte mich das Thema gestern kurz, denn ohne eine gute Sekretärin, Assistentin, „Office Managerin“ oder wie auch immer sie gerade genannt werden, ist in vielen Büros und Chefetagen Chaos und Tristesse.
Ich kenne Manager, Politiker sowieso, die vollkommen hilflos sind ohne die Dame im Vorzimmer.
Als ich meine erste Festanstellung 1984 in Bremen antrat, gab es beim Chef keinen Weg vorbei an „Frau W.“. Und als ich mal auf ein Interview für die „Welt“ bei einem deutschen Top-Manager wartete – das zugesagt war – hielt mich der Drachen am Telefon sage und schreibe fünf Stunden hin, bis selbst mir der Kragen platzte. Ich brüllte ins Telefon, dass ich dann eben über den Konzern schreiben werde, ohne mir anzuhören, was der CEO zu sagen habe. Das Interview habe ich dann nicht bekommen, aber man rief als zahlungskräftiger Anzeigen-Großkunde bei meinem Arbeitgeber an, um unerwünschte Berichte zu verhindern.
Eine gute Sekretärin ist mehr als eine Mitarbeiterin, die Kaffee bringt
Sie ist Vertrauensperson, sie hat den Tagesablauf ihres Chefs im Blick. Sie sorgt dafür, dass er keine Termine verpasst, dass Flüge und Hotelzimmer gebucht sind. Ich hatte in meinem Berufsleben als Chefredakteur oder Unternehmer ganz wunderbare Mitarbeiterinnen. Simone, Ricarda und „Ille“ nenne ich mal exemplarisch, weil sie in meiner Erinnerung wirklich ungewöhnlich gut waren. Ricarda schaute mittags immer mal rein in meinem Büro, und wenn meine Stimmung erkennbar schlecht war, dann verschwand sie, ging in die Stadt und holte mir eine 5er-Packung „Romeo y Julieta“-Zigarillos. Damals durfte man im Büro noch rauchen. Dann wurde es besser.
Simone war klasse, perfekt. Sie war meine Büroleiterin nach der Wende in einem Medienunternehmen in Berlin. Eine Ost-Pflanze, sowohl der Sender als auch Simone. Ich hatte damals Herzkasper, wie man das flapsig nennt, konkret: meine Freundin war mit weggelaufen. Genau genommen, war ich in den Tagen danach nicht arbeitsfähig, aber, hey, the Show must go on. Redaktionskonferenzen, Interviews, Termine. Und immer, wenn ich in düsterer Stimmung in meinem Büro hockte, verbaute sie jeden Zugang zu meinem Büro, sorgte dafür, dass ich einfach in Ruhe gelassen wurde von allen.
Und Ille aus dem deutschen Südwesten? Auch ein kerniges Mädchen, Fastnacht-begeistert, eine, mit der man über nahezu jedes Thema sprechen konnte, und die immer für gute Laune sorgte. Ok, manches Fax damals wurde an falsche Nummern gesendet, aber es ist nie etwas wirklich Schlimmes passiert.
Eine Sekretärin, das ist im besten Fall die engste Vertraute ihres Chefs. Die, die sein Leben organisiert und manchmal besser kennt als die Ehefrau.
Ich finde, der Beruf der Sekretärin wird viel zu wenig gewürdigt. Und deshalb ist es richtig, dass sie ihren eigenen Tag haben, finde ich.
Mit ehrlichem Dank und herzlichen Grüßen,
Ihr Klaus Kelle
Neueste Früher Vogel
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Klaus Kelle, Chefredakteur