Russische Sabotage an Nordsee-Kabeln könnte Zusammenbruch des zivilen Lebens in England verursachen
Im alljährlichen Bericht des Ausschusses für nationale Sicherheitsstrategie des britischen Unterhauses, fehlt in diesem Jahr ein Kapitel. Ein wichtiges Kapitel.
Was dort zusammengefasst steht, war so beunruhigend, dass die Militärexperten beschlossen, es herauszunehmen, nicht zu veröffentlichen für die Bevölkerung und stattdessen einen vertraulichen Brief direkt an Premierminister Keir Starmer zu schicken, um ihn auf die Verwundbarkeit Großbritanniens durch hybride Angriffe auf Unterseekabel aufmerksam zu machen.
Ein russischer Angriff, etwa durch Schiffe von Putins Schattenflotte, so fassten die Offiziere zusammen, könnte zu einem „katastrophalen Zusammenbruch des zivilen Lebens in Großbritannien führen, berichtet die „Times“ über die ungewöhnliche Aktion.
Nach allem, was bisher über den Bericht bekanntgeworden ist, werden 95 Prozent der britischen Datenkommunikation in alle Welt über Unterwasserkabel transportiert. Dazu gehören der gesamte Gesundheitsbereich, der Einzelhandel und das Gesundheitssystem. Am meisten alarmiert ist man in Downings Street 10 aber inzwischen über die Schwachstellen und die Verwundbarkeit des Bankensystems.
Ein Horrorszenario, würden Millionen Briten von einem Moment auf den anderen nicht mehr an ihre Bankkonten herankommen, keine Rechnungen online bezahlen oder am Bankautomaten kein Cash mehr abheben könnten.
Im Podcast der „Times“ äußerte sich John Hutton, früherer Verteidigungsminister, heute zum Thema. Die britischen Unterseekabel seien „das, was mich bei weitem am meisten umtreiben würde, wenn ich noch in der Regierung wäre“.
Der Premierminister müsste sich viel intensiver um dieses hochsensible Thema kümmern. Hutton: „Es sollte jedem zivilen Notfallplaner heute auf die Stirn tätowiert sein: ‚Was ist mit den Kabeln?'“
Doch diese Frage ist nicht längst mehr nur ein britisches Thema, obwohl die NATO seit längerem Schiffe der russischen „Schattenflotte“ und Fischtrawler mit Spionagevorrichtungen beobachtet und verfolgt, die beispielsweise aufreizend langsam an Hotspots der zivilen Infrastruktur vorbeidümpeln, wie den großen Windparks vor der britischen Küste in der Nordsee.
All das ist kein alleiniges britisches Problem
Im November 2024 wurden zwei Datenkabel in der Ostsee zerschnitten, die Finnland, Deutschland, Schweden und Litauen verbinden. Das Stromkabel „Estkin 2“ zwischen Estland und Finnland wurde mutwillig beschädigt. Und kurz vor den Explosionen an den Nordstream-Röhren im November 2022 wurden zwei russische Schiffe in unmittelbarer Nähe der Gaspipelines gesichtet und registriert.
Dieser Anschlag auf Nordstream führte einer breiten Öffentlichkeit vor Augen, wie verletzlich Infrastruktur in der Ostsee ist.
Als Täter wurden mehrere Männer und Frauen identifiziert, die ukrainische Staatsbürger sein sollen. Die ukrainische Regierung streitet bis heute jede Beteiligung an dem Terroranschlag ab.
Und nebenbei: Ein polnisches Gericht lehnte es heute Morgen in Warschau ab, einen der mutmaßlichen Beteiligten nach Deutschland auszuliefern. Der von Deutschland mit europäischem Haftbefehl gesuchte Ukrainer Wolodymyr Z. war in Pruszkow bei Warschau festgenommen worden und sitzt dort in Untersuchungshaft.
Auch in Italien hat das höchste Gericht vorgestern die Auslieferung eines Verdächtigen im Zusammenhang mit dem Nordstream 2-Anschlag an Deutschland abgelehnt.
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Klaus Kelle, Chefredakteur