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#allesdichtmachen – Jan Josef Liefers und die anderen waren viel zu zurückhaltend

von CHRISTIAN KOTT

BERLIN – Die Aktion #allesdichtmachen hat Reaktionen hervorgerufen, die symbolisch zeigen, wo wir wirklich stehen und vor allem warum.

Was war passiert? Eine Gruppe von 53 Schauspielern, teils durchaus mit VIP-Status, hatten jeweils ein Video ins Netz gestellt, in dem sie sich ironisch und überspitzt mit dem Umgang mit der Corona-Pandemie auseinandersetzten. Die Zielrichtung der Videos war künstlerisch zugespitzt, aber wer überhaupt irgendeinen Schulabschluß hat, der konnte leicht erfassen, worum es den Schauspielern ging: Sie kritisierten einerseits den hysterisierenden Umgang der Medien mit Corona, andererseits die Unausgewogenheit der Maßnahmen und die Benachteiligung der Kunst gegenüber allen anderen Bereichen. Durchaus legitime Positionen, die man nicht teilen muss, aber kann.

Die Aktion rief begeisterte Zustimmung wie auch vernichtende Kritik hervor. Und von dieser Kritik sehen wir uns ein paar Beispiele näher an, weil sie symbolisch sind:

Garrelt Duin ist WDR-Rundfunkrat und SPD-Politiker. Als ehemaliger Rechtsanwalt muss er eigentlich irgendwann einmal einen Eid auf unsere Verfassung geschworen haben. In Reaktion auf die Videos twitterte er, unterschrieben mit den Worten „Viele Grüße, ein Rundfunkrat @WDR“, wörtlich: „Die zuständigen Gremien müssen die Zusammenarbeit – auch aus Solidarität mit denen, die wirklich unter Corona und den Folgen leiden – schnellstens beenden.“. Immerhin: Duin löschte den Tweet später wieder.

Martin von Mauschwitz bezeichnet sich als Journalist. Er moderiert die WDR-Sendung „aktuelle Stunde“, die Jan Josef Liefers, den bekanntesten der 53 Schauspieler zu einer Interview-Schalte einlud. Im Einspieler dazu behauptete die „aktuelle Stunde“ wahrheitswidrig in methodischer Anlehnung an eine 1990 eingestellte Sendung namens „Aktuelle Kamera“, die einzig positiven Stimmen zu den Videos seien von „rechten Netzwerken, Coronaleugnern und der AfD“ gekommen. Dann fragte von Mauschwitz Liefers, wie er dazu komme, zu behaupten, die Medien seien gleichgeschaltet obwohl weder Liefers noch ein anderer der 53 Künstler das jemals behauptet hatten.

Hugo Müller-Vogg ist ein bekannter Journalist, Autor und ehemaliger Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen. In einem Kommentar in „Focus Online“ verortet er die 53 Schauspieler „mitten im verminten Gebiet zwischen AfD und Querdenkern“ und erklärt deren Kritik zu einem „schäbigen, menschenverachtenden Theater“, denn mehr als 80.000 Menschen seien ja mittlerweile an oder mit Corona verstorben.

Ähnliche Beispiele von Manipulation oder Entgleisung ließen sich endlos fortsetzen.

Zunächst einmal ganz klar: Man muss nicht der gleichen Meinung wie die 53 Künstler sein. Natürlich darf man ihnen widersprechen, und man darf das auch laut tun.

Aber wenn man es so macht, wie die oben gezeigten Beispiele, dann wirkt das wie die Reaktion eines beim Schokolade stibitzen erwischten Kindes, und dann gibt man damit unfreiwillig zu, dass die Kritik der Panikmache durch die Medien vollkommen berechtigt ist. Wer die Berichterstattung zur Pandemie verfolgt, wer mitzählt, wie oft Karl Lauterbach zu Talkshows eingeladen wird oder wer die Panikmacher-Überschriften in sogenannten „Corona-Livetickern“ mal auf ihren tatsächlichen Nachrichtengehalt überprüft, dem ist klar, dass Liefers und seine Kollegen noch untertrieben haben, wenn sie den Medien das Schüren von Angst vorwerfen.

In einer Zeit, in der sich guter Journalismus schon lange nicht mehr daran bemisst, ob am besten informiert, am scharfsinnigsten analysiert oder am überzeugendsten argumentiert wurde, sondern nur noch daran, ob ein Beitrag genügend Aufrufe erzeugt ist das auch nicht weiter verwunderlich: Angst ist eine tolle Triebfeder dafür, auf eine Überschrift zu klicken.

Und auch die Kritik daran, dass es unproblematisch möglich ist, in einem rappelvollen Bus zur Arbeit zu fahren, aber alles, was mit Kunst zu tun hat nicht einmal dann öffnen darf, wenn durch überzeugende Hygienekonzepte das Ansteckungsrisiko ausgeschlossen ist, ist völlig legitim und keine „Verhöhnung der Corona-Opfer“, wie Demagogen vom Thema ablenken um die Kritiker zum Schweigen zu bringen.

Mittlerweile haben mehrere der mutigen Schauspieler ihre Videos gelöscht, weil sie „missverstanden worden“ seien und rechte Trittbrettfahrer nicht unterstützen wollen. Nein, liebe Heike Makatsch, Sie sind nicht missverstanden worden, Ihnen wurde das Wort im Munde herumgedreht! Und nein, liebe Ulrike Folkerts, Ihre Meinung wird nicht dadurch illegitim, dass sie von der AfD oder von Querdenkern bejubelt wird!

Es ist zu hoffen, dass möglichst viele der Künstler die Unanständigkeit mancher Teilnehmer des öffentlichen Diskurses aushalten und deutlich widersprechen. Und auch wir, die wir oft teilnahmslos zuschauen, wenn wieder einmal jemand wegen seiner völlig legitimen Meinung gecancelt und geshitstormt wird, müssen jetzt Solidarität mit den 53 Mutigen zeigen, indem wir deutlich machen: Das darf man in diesem Land sagen!

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Klaus Kelle, Chefredakteur