Als es darauf ankam, war niemand in Berlin bereit, die politische Verantwortung zu übernehmen
von KLAUS KELLE
Es waren Stunden voller Dramatik in diesem September 2015, in dem sich Zehntausende Flüchtlinge von Osten her auf Deutschland zubewegten. Gemeinsam mit ihrem österreichischen Amtskollegen hatt Kanzlerin Merkel entschieden, 20.000 Menschen aus Ungarn aufzunehmen, um den Druck aus dem Kessel zu nehmen. Doch am Tag darauf schlossen sie die Grenzen nicht wieder.
Der „Welt“-Journalist Robin Alexander schildert in seinem neuen Buch „Die Getriebenen – Merkels Flüchtlingspolitik. Report aus dem Inneren der Macht“ (Siedler Verlag), was sich hinter den Kulissen der Macht abspielte, als der Schutz der Grenzen Deutschlands aufgegeben wurde.
Demnach habe es am Samstag, 12. September, um 17.30 Uhr eine Telefonkonferenz der Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Kanzleramtschef Peter Altmaier, Innenminister Thomas de Maizière (beide CDU), dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer und dem damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und SPD-Chef Sigmar Gabriel gegeben. In dieser Stunde entschieden die wichtigsten Politiker Deutschlands, am nächsten Tag um 18 Uhr die Grenzkontrollen wieder einzuführen und Flüchtlinge an der Grenze rigoros abzuweisen.
Beamte des Innenministeriums hätten rechtliche Einwände gehabt, so dass Innenminister Thomas de Maizière erneut die Kanzlerin anrief, was nun geschehen solle. Merkel spielte den Ball zurück und forderte Garantien, dass eine Grenzschließung juristisch Bestand haben und man nicht mit „öffentlich schwer vermittelbaren Bildern“ von einem Einsatz der Bundeswehr gegen Flüchtlinge rechnen müsse.
Zu dieser Zeit waren bereits Polizeieinheiten aus ganz Deutschland auf dem Weg, um die Landesgrenzen wieder zu sichern. Der Einsatzbefehl war ausgestellt und unterschrieben. Alles war besprochen. Nur als es zum Schwur kam und irgendjemand in Berlin die Verantwortung dafür übernehmen musste, war Niemand dazu bereit. Traurig, oder?
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Klaus Kelle, Chefredakteur