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Atom-Experte Haferburg: „Ein Blackout ist im Bereich des Möglichen“

Mit der Nutzung unserer Atomkraftwerke wäre die deutsche Energiekrise schnell vorbei.

BERLIN – Manfred Haferburg wurde 1948 im ostdeutschen Querfurt geboren. Er studierte an der TU Dresden Kernenergetik und machte eine Blitzkarriere im damalig größten AKW in Greifswald. Heute berät er einen Energiekonzern in Frankreich und schreibt für die „Achse des Guten“.

Herr Haferburg, Sie sind Kernenergetiker. Was ist das überhaupt?

Das ist ein Hybrid zwischen Maschinenbau und Physik.

Wie viele Kernkraftwerke haben Sie von Innen gesehen?

Ich habe so eine Weltkarte, in der ich die Kernkraftwerke einzeichne, die ich bereits kennengelernt habe. Das sind stand jetzt mehr als 120 von den weltweit 450 Anlagen.

Nun scheint die Regierung die Laufzeiten mit dem sogenannten Streckbetrieb zu verlängern. Wird so Deutschland errettet?

Deutschland ist sowieso nicht mehr zu retten (lacht). Im Ernst: Ein Energiemix setzt sich immer aus verschiedenen Faktoren zusammen. Und wenn nun etwas fehlt, muss es ausgeglichen werden. Man kann nicht in der größten Energiekrise der Bundesrepublik Deutschland drei Kernkraftwerke abschalten. Wer das macht ist vom wilden Affen gebissen worden. Mit den Anlagen können rund sieben Millionen Haushalte mit Strom versorgt werden, was nicht so schlecht ist.

„Das Thema der Endlagerung ist ein Märchen der Grünen“

Aber die Verlängerung müsste doch jetzt schnell gehen. Wieviel Zeit hat Deutschland noch?

Sie müssen jetzt anfangen, in den Kraftwerken Leistung zu sparen. Man könnte jetzt, wo es heiß ist und man weniger Energie benötigt, die Anlagen auf lediglich 50 Prozent laufen lassen und entsprechend herunterfahren. Dadurch spart man Reaktivität im Reaktorkern. Diese stünde am Jahresende zur Verfügung. Kernkraftwerke sind gut regulierbar.

Aber um den Streckbetrieb zu gewährleisten, müsste die Politik doch jetzt handeln…

Aus technischen Gründen nein, das ist machbar. Aus gesetzlicher Sicht sieht das anders aus. Ab 1. Januar 2023 ist in Deutschland die Erzeugung von Strom aus Kernenergie verboten. Das heißt, §4 des Atomgesetzes müsste sofort geändert werden, damit der darauffolgenden Rattenschwanz, wie Genehmigungen, gelöst werden kann. Kraftwerksbetreiber haben ihre Stillegungsgenehmigungen beantragt, die konform mit dem Atomgesetz sein muss. Seit fünf Jahren arbeiten sie daran. Dazu kommen personelle Herausforderungen. Die Älteren sind in Frührente gegangen oder werden in Frührente gehen und die Jungen sehen sich woanders um. Wenn man sich jetzt nicht darum kümmert, wird es eng. Wenn man den Fachkräften jetzt keine Perspektive gibt, sind sie weg. Ob in den Emiraten, oder auch in der Schweiz.

Viele Menschen haben Bedenken, wenn es um das Thema Endlagerung geht. Wie sehen Sie das?

Das Thema der Endlagerung ist eines der größten Märchen, die Habeck, Trittin und Co erzählen. Die Endlagerung wäre längst geklärt, wenn man sich auf die Techniker verlassen und sich die Politik nicht eingemischt hätte. Man will in Deutschland nicht endlagern, weil dies das größte Argument der Grünen ist, gegen Kernenergie zu sein. Ein Totschlagargument! Die Finnen haben ein Endlager gebaut, das heißt Onkalo. Ein Stollen, der mehr als 450 Meter in den Granit unter dem Kernkraftwerk geht. Die Russen haben Endlager, alle habe welche. In Deutschland wurde dies politisch verhindert.

„Den Fukoshima-Pfirsich kann man heute bedenkenlos essen“

Wie machen es denn die Staaten um Deutschland herum? Belgien zum Beispiel, oder Frankreich?

Beide lagern zwischen und bereiten wieder auf, was in Deutschland verboten ist. Das war das Verdienst der Grünen.

Ein anderes Argument, das Kernkraftgegner immer wieder bringen, ist die Gefahr von Zwischenfällen. Als Beispiele werden Harrisburg, Fukushima und natürlich Tschernobyl genannt. Wie entgegnest du den Menschen die vor solchen Fällen Angst haben?

Ich kann die Angst verstehen, denn sie wurde von Kindesbeinen an geschürt. Im Westen gehört „die Wolke“ zur Pflichtlektüre in der Schule. Dies ist ein infantiles Buch, eine Habeck-Kindergeschichte entgegen jeder Logik. Damit wird Angst gemacht.

Und die genannten Zwischenfälle?

In Harrisburg hat man einen Reaktor kaputtgefahren. Es ist jedoch zu keinem Zeitpunkt Radioaktivität ausgetreten. Harrisburg ist ein Beispiel, dass die westliche Sicherheitsarchitektur funktioniert. Tschernobyl war zunächst kein ziviler Reaktor, es war ein militärisches Projekt. Der Reaktor ist so gebaut, dass man im Moment der höchsten Anreicherung die Brennelemente entnehmen kann, um dadurch Plutonium für die Bomben zu gewinnen. Erst später wurde er auch für zivile Zwecke genutzt. Der Reaktor stand inmitten einer Presslufthalle! In keinem zivilisierte Land wäre so etwas denkbar, geschweige denn genehmigungsfähig gewesen. In Fukushima ist kein einziger Mensch an den Strahlen gestorben, sondern aufgrund des Tsunamis. Einige, gerade vulnerable Gruppen, verloren aufgrund der panischen Evakuierung ihr Leben. Die Gegend ist auch, bis auf einen schmalen Bereich, bewohnbar. Man kann dort heute wieder die Pfirsiche aus Fukoshima bedenkenlos essen.

„Es wird zu Stromrationierungen kommen“

Viele sorgen sich um die Langzeitfolgen Wie bewerten Sie dieses Argument?

Das ist German Angst. Die internationale Atombehörde (IAEA) hat darüber berichtet. Ergebnis: Selbst in Tschernobyl gibt es, außer einen Anstieg von Schilddrüsenkrebs bei Kindern, keine Probleme. Und dieser Krebs ist sehr gut behandelbar und heilbar. In Fukushima gibt es keinen signifikanten Anstieg an Krebserkrankungen. Es handelt sich um Panikmache.

Stellen Sie sich vor, Sie wären Berater von Robert Habeck. Welchen Rat würden Sie ihm geben?

Als erstes sollten sie sich ehrlich machen. Sie müssen zugeben, dass sie sich verzockt haben. Man kann nicht aus 2/3 der Energiequellen aussteigen und hoffen, dass die Nachbarländer Deutschland mit Strom zu vernünftigen Preisen versorgen. Als nächsten Schritt muss das Atomgesetz geändert werden, damit drei Kraftwerke weiterlaufen können.

Es gibt so etwas, das nennt man Fadenriss. Ich bin bis vor zehn Jahren noch als Dozent in Deutschland tätig gewesen. Die Lehrgänge für Leute wie mich gibt es heute nicht mehr. Wer Kernenergie studieren will, der muss ins Ausland gehen. In den vergangenen 25 Jahren hat sich Deutschland aus der Entwicklung und dem Bau verabschiedet. Wenn wir ein neues Kraftwerk wollen, müssen wir es importieren. Das Wissen ist weg. Wir können kein Druckgefäß mehr schmieden, wir können keine Großpumpen mehr bauen.

Was würden Sie dem Wirtschaftsminister noch raten?

Habeck sollte sich, wie gesagt, ehrlich machen und sich vom Dogma der bösen Kernenergie verabschieden. Man muss sich bloß die Zahlen ansehen. Durch eine Terrawattstunde aus Kohle kommen ungefähr 30 Menschen zu Tode. Bei Öl und Gas sind es 15 bis 20. Durch eine Terrawattstunde 0,1, ebenso viele wie bei Kernenergie. Die Technologie ist so sicher wie Windenergie, dafür wesentlich weniger Rohstoff- und flächenintensiv. Wenn die Grünen ihre Ausbauziele erreichen möchten, müssten sie jeden Tag zwei neue Windräder auf dem Land errichten und pro Woche drei Offshoreanlagen. Das ist allein vom Material her nicht machbar.

Machen Sie sich Sorgen, dass es zu Stromausfällen kommt?

Es wird zu Stromrationierungen kommen, wie man es in Südafrika kennt. Vielleicht wird mal das Saarland für ein bis zwei Stunden abgeschaktet, dann Bremen und so weiter… Das macht man reihum, damit die Belastung gesenkt wird. Da darf aber nichts schief gehen! Zum Beispiel, dass ein Großversorger ausfällt oder alle Deutschen ihre Heißlüfter, die sie bereits gekauft haben, anwerfen, dann gibt es einen Blackout. Und dann Gnade uns Gott!

Das Interview führte Julian Marius Plutz.

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Klaus Kelle, Chefredakteur