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Bestrafe einen, erziehe 100 – der Umgang mit Rudy Giuliani ist eine Schande

KLAUS KELLE

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser!

Ich gebe zu, nach den islamistischen Terroranschlägen auf die USA am 11. September 2001 war New Yorks Bürgermeister Rudy Giuliani mein zweitliebster American Hero, mein zweitliebster Held. Die Nummer 1, das war für mich Todd Beamer, 32 Jahre alt, ein Angestellter aus Michigan. Er saß im vierten Flugzeug – Flight 93 – und versuchte gemeinsam mit anderen Passagieren, das von Terroristen gekaperte Cockpit zu stürmen, um einen weiteren mörderischen Anschlag zu vereiteln.

„Let’s Roll!“

So riefen sie damals, nachdem sie noch ein Vaterunser gebetet hatten, als sie den Angriff mit Plastikmessern und heißem Wasser in Kochern starteten. Alles übrigens nicht eine amerikanische Heldensaga, sondern belegt durch Aufnahmen aus Handytelefonaten von Bord der Maschine. So liebe ich die Amis, so will ich sie sehen, und so sind sie leider keineswegs immer.

Aber Rudy Giuliani, das war ein beeindruckender Typ an der Spitze der 10-Millionen-Metropole, der seinen Bürgern Hoffnung und Zuversicht vermittelte. Nicht nur seinen Bürgern, ganz Amerika und allen Menschen rund um den Erdball, die es gut meinen mit diesem großartigen Land.

Jetzt steht der heute 80-Jährige am Abgrund

Konten gepfändet, Geld weg, Gerichtsverfahren, Immobilie versteigert und selbst seine Uhren hat der Gerichtsvollzieher einkassiert.

Such is life, so ist das Leben…leider

Denn Giuliani hat nicht betrogen, er hat nicht andere Leute um ihr Geld gebracht. Er hat den Ex-Präsidenten Donald Trump als Rechtsanwalt vertreten nach dessen Abwahl, von der heute noch viele Amerikaner meinen, die sei Trump „gestohlen“ worden durch Wahlmanipulationen. 50 Gerichte haben die Wahleinsprüche Trumps geprüft, in mehreren US-Bundesstaaten. Und 50 Richter kamen ausnahmslos zu dem Schluss, dass es keine Beweise für irgendwelche wahlentscheidenden Manipulationen gab.

Und Rudy kämpfte weiter

Vielleicht wusste er selbst irgendwann, dass er sowas wie ein neuzeitlicher Don Quichotte war, der gegen Windmühlenflügel anstürmte. Aber er war ein treuer Gefolgsmann Trumps, er war sein Rechtsanwalt. Und er würde fürstlich für seine Dienste bezahlt.

Nun soll er an zwei ehemalige Wahlhelferinnen 148 Millionen Dollar Schadenersatz bezahlen. So üppig waren die Anwaltshonorare dann doch nicht. Giuliani hatte nach der US-Präsidentschaftswahl 2020 Lügen über die Wahlhelefrinnen Ruby Freeman und Shaye Moss verbreitet, als er fälschlicherweise behauptete, sie hätten Wahlzettel für Trump weggeworfen und gefälschte Zettel für den Demokraten Joe Biden gezählt. Moss und Freeman wurden daraufhin von radikalen Trump-Anhängern beschimpft und bedroht.

Das ist alles nicht gut, die Falschbehauptungen Giulianis ebenso wie das Verhalten mancher Trump-Anhänger. Aber 148 Millionen Dollar?

148 MILLIONEN DOLLAR?

Das Leben einer – zugegeben schillernden – Persönlichkeit im hohen Alter noch zu zerstören, einen Mann, der immer ein Patriot war, der seinem Land und der nach 9/11 geschundenen Stadt, die niemals schläft, so hingebungsvoll gedient hat?

Ich finde das schäbig, was die Richter da verfügt haben. Es klingt auch etwas nach politischer Justiz für mich: Bestrafe einen, erziehe 100.

Ja, Giuliani verdient eine Bestrafung und sicher verdienen die beiden öffentlich zu Unrecht angeprangerten Wahlhelferinnen auch einen finanziellen Ausgleich für das, was sie erlitten haben. Aber was hier passiert, ist mit meinem Verständnis von Rechtsstaat nicht in Einklang zu bringen. Amerika hin und Amerika her.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr Klaus Kelle

 

 

 

 

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Klaus Kelle, Chefredakteur