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Philipinnen, Japan, Südkorea und die USA rücken zusammen

Chinas Säbelrasseln – handelt Präsident Xi Jingping noch rational?

MARTIN EBERTS
Chinesische Marinesoldeten bereiten sich auf eine Parade in Peking vor.

Der 10. Oktober ist der Nationalfeiertag der Republik China. Am 10.10.1911 begann jene Revolution, die zur Gründung dieser ersten chinesischen Republik durch den legendären Nationalhelden Sun Yat Sen führte. Und entgegen allen anderslautenden Beteuerungen des Regimes in Peking besteht diese Republik China auf Taiwan bis heute weiter. Sie geht nunmehr, dynamisch und erfolgreich wie eh und je, in ihr 114. Jahr.

Am 1. Oktober 1949 wurde vom kommunistischen Warlord Mao Zedong eine zweite Republik ausgerufen, die „Volksrepublik China“, ein Gebilde, das nun also erst 75 Jahre alt ist. Dennoch besteht Peking darauf, die Republik China, Taiwan („R.O.C. Taiwan“), sei eine „abtrünnige Provinz“. Da wirkt sich offenbar eine neuartige kommunistische Mathematik aus.

Doch Spaß beiseite

Den wenigsten Anrainern des ost- oder südchinesischen Meeres und der Taiwan-Straße, die das chinesische Festland von der freien chinesischen Republik auf Taiwan trennt, ist zum Lachen zumute. Nach der Rede des neuen taiwanischen Präsidenten Lai zum „Double Ten“, dem Nationalfeiertag am 10.10., griff das Pekinger Regime am Montag wieder zu jenem Mittel, das es mittlerweile in der Außen- und Innenpolitik am besten beherrscht: Drohung mit Gewalt und Einschüchterung.

Nie zuvor sind so viele chinesische Kampfflugzeuge gleichzeitig in die taiwanische Flugidentifikationszone (Air Defense Identification Zone, ADIZ) eingedrungen. Die halb pompös, halb bürokratisch „Joint Sword 2024B“ genannten Militärmanöver um die freie Insel herum bezogen aber – wieder einmal – fast alle Waffengattungen ein. Ziel war, ganz offen, die Einschüchterung der Taiwaner. Es handele sich um eine „ernste Warnung“ an alle „separatistischen Kräfte“ auf der Insel, so der übliche „Peking-Speak“.

Hat Peking damit seine Drohgebärden gegen Taiwan auf eine neue, womöglich unmittelbar kriegsvorbereitende Ebene gehoben? Oder war es nur wieder das bekannte Säbelrasseln, wenn auf Taiwan etwas passiert, das in Peking missbilligt wird? Für eine klare Aussage dazu müssen zunächst drei Fragen geklärt werden:

  1. Sind Umfang und Art der militärischen Drohgebärden neu?

Nein. Schon seit dem Furor der KP Chinas infolge des Taiwan-Besuches von Nancy Pelosi 2022 hatte das Ausmaß der Kriegs- und Blockade-Drohungen Pekings jene höhere Ebene erreicht, auf der das Kriegstheater jetzt abläuft. Von Einzelaspekten abgesehen, reichen die Manöver vom vergangenen Montag nicht darüber hinaus. Außerdem waren sie kürzer als die vor gut zwei Jahren. Die ständige „Verletzung der taiwanischen ADIZ“ durch Peking ist im Übrigen völkerrechtlich gesehen nicht mit einer Verletzung des Hoheitsgebietes vergleichbar (was aber in den westlichen Medien oft verwechselt wird).

  1. Hat Präsident Lai womöglich mit einer aggressiven Rede eine scharfe Reaktion aus Peking provoziert?

Nein. Seine Rede war schwerpunktmäßig auf Innen- und Wirtschaftspolitik gebaut. Er lobte zwar den Geist des Zusammenhalts und den Fortschritt in der kleinen, hochmodernen Republik, unterließ aber provozierende Äußerungen über „Unabhängigkeit“. Und selbst Kuomintang-Präsidenten haben in der Vergangenheit ebenso deutliche Worte dazu gefunden, dass Taiwan nun mal nicht von Peking regiert wird. Für die Klientel seiner eigenen Partei DPP hat Lai zudem mit seinen mehrfachen Bezügen auf die Gründung der „Republik China“ schon viel zu viel historisch chinesisches Selbstverständnis geäußert – etwas, das er in seiner Frühzeit als Oppositionspolitiker noch gescheut hat wie der Teufel das Weihwasser. Als überzeugter DPP-Anhänger will man eigentlich vom Namen und der Tradition der „Republik China“ weg und einfach nur Taiwan sein. Lai tat in seiner Rede das Gegenteil.

  1. Fallen die Drohungen Pekings in Taipei und in der Region auf fruchtbaren Boden?

Abermals nein. Das völkerrechtswidrige Mobbing Pekings gegenüber inzwischen allen maritimen Nachbarn ist denen längst zu viel geworden. Die Philippinen – seit Jahren Opfer völkerrechtswidriger Übergriffe der VR China – haben zusammen mit den USA Manöver abgehalten. Südkorea hat das alte Weltkriegs-„Kriegsbeil“ gegenüber Japan begraben, um Schulterschluss der demokratischen Länder zu demonstrieren. Und das lange Zeit allzu pazifistisch auftretende Japan selbst hat zu neuer Stärke gefunden und erklärt die Stabilität der Lage um Taiwan zum eigenen sicherheitspolitischen Kern-Interesse.

Daraus lässt sich schließen: Peking hat mit seiner Politik der stufenweisen Eskalation nun eine Stufe erreicht, auf der dieses Mittel an Kraft verliert und kaum mehr zu steigern ist, ohne einen echten Krieg vom Zaun zu brechen.

Je häufiger sich die „Manöver“ und Blockadeübungen, die provokativen Vorbeiflüge und Kriegssimulationen wiederholen, desto größer der Gewöhnungseffekt, und desto besser kann das bedrohte Land sich darauf einstellen. Vom außenpolitischen Flurschaden für China ganz zu schweigen.

Bisher hat nichts zu einem Einknicken der Taiwaner geführt. Im Gegenteil; neuere Umfragen zeigen stabile Mehrheiten, wenn es um die Bereitschaft zur Landesverteidigung geht. Das war lange Zeit höchst zweifelhaft. Und die Nachbarn scharen sich um die USA. Selbst die deutsche Bundesregierung, viele Jahre lang der „Softie“ par excellence, wenn es um die Besänftigung Chinas ging, zeigt Anzeichen von Selbstvertrauen – siehe die Durchfahrt jüngst zweier Kriegsschiffe der Bundesmarine durch die Taiwanstraße.

Leider ist das alles aber kein Grund zur Entwarnung

Xi Jinping ist fanatisch entschlossen, die freie R.O.C. Taiwan in die Knie zu zwingen und „heim ins Reich“ zu holen. Wenn Erpressung und Drohung nicht mehr wirken, könnte er versucht sein, es auf die brachiale Tour zu versuchen, koste es was es wolle, so irrational und „irre“ das auch sein mag. Xi ist so abgehoben und nach außen abgeschirmt, dass es schwer fällt, die alles entscheidende Frage zu beantworten: Denkt und handelt er noch rational?

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Klaus Kelle, Chefredakteur