Deutsche Geheimdienste fordern mehr Befugnisse: „Aus russischer Sicht sind wir Zielland Nummer 1 in Europa“

„Man muss gewillt sein, dem Gegner Widerstand entgegenzusetzen“, sagte der neue Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), Martin Jäger, heute bei seinem Antrittsbesuch vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Deutschen Bundestages, die die drei deutschen Geheimdienste kontrolliert.
In Europa herrsche bestenfalls ein „eisiger Friede, der punktuell jederzeit in eine heiße Konfrontation“ umschlagen könne. Russland wolle die NATO spalten und die europäischen Demokratien destabilisieren und einschüchtern, so die Botschaft Jägers an die Abgeordneten.
Dazu nutze Russland alte Methoden wie die Manipulation von Wahlen und öffentlicher Meinung, Propaganda, Provokation, Desinformation, Einschüchterung, Spionage und Sabotage bis hin zu Auftragsmorden und Luftraumverletzungen durch Drohnen und Kampfflugzeuge. „Nichts davon ist neu“, so Jäger, „doch in ihrer Häufung stellen diese Einzelereignisse eine neue Qualität der Konfrontation dar.“
Bevor Jäger Chef des BND wurde, war er zwei Jahre lang Botschafter in der Ukraine. Deutscher Botschafter in Kabul (Afghanistan) und Bagdad (Irak) war er davor ebenfalls. Man kann annehmen, dass der Mann weiß, von was er spricht. Über seine Zeit in Kiew sagte er: „Ich habe mehr als 1000 Luftalarme und Luftangriffe miterlebt“.
„Wir müssen wissen, was unser Gegner vorhat, wo sich Gefahren auftun“, führte der BND-Chef aus und bekräftigte, dass es dabei nicht ausschließlich um Deutschland gehe. Russland sei an der NATO-Ostflanke sehr aktiv, aber eben auch im Nahen und Mittleren Osten, der Sahelzone in Afrika und auf dem West-Balkan. Jäger: „Dort vollziehen sich Entwicklungen, die unsere Interessen und unsere Sicherheit unmittelbar beeinträchtigen können“. Es sei wichtig, „den Gegner zu konfrontieren, wo immer dies nötig ist.“
Jäger wurde begleitet von Sinan Selen, dem neuen Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) und Martina Rosenberg, Chefin des Militärischen Abschirmdienstes (MAD).
„Gegnerische Akteure intensivieren ihre nachrichtendienstlichen Aktivitäten mit dem Ziel, die Bundeswehr zu unterwandern, kritische militärische Infrastruktur zu gefährden und die Stabilität unserer Streitkräfte sowie der gesamten Nato-Allianz zu unterminieren“, sagt Rosenberg. Und Selen ergänzte, es habe allein im September eine Vielzahl von Störungen von GPS-Navigation und Luftraumverletzungen durch russische Kampfjets und Drohnen gegeben. „Russland überschreitet brandgefährliche Grenzen“, warnt er. „Fakt ist: Es passiert, wir können es sehen und wir dürfen es nicht zulassen.“
Von Bundesregierung und Parlament erwarten die Geheimdienste schnell deutlich mehr Rechte bei der Nutzung von Daten, so wie es andere Staaten bereits dürfen. Anpassung der Gesetze an die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz (KI). Mehr Befugnisse gegenüber Betreibern von Sozialen Netzwerken und anderen Internetplattformen – beispielsweise um Desinformationskampagnen zu stoppen oder Tatverdächtige zu identifizieren.
Das Schlusswort hatte wieder der BND-Chef: „Ein ukrainischer Front-Offizier sagte mir einmal: ‚Der Krieg wird nicht auf dem Terrain gewonnen, sondern in den Köpfen‘.“ Auf die richtige Einstellung komme es an, Deutschland sei aus russischer Sicht Zielland Nummer 1 in Europa. Weil es die Ukraine unterstützt und, wie er in Anspielung an die geplante Aufrüstung der Bundeswehr sagt, weil es außenpolitisch „extrem handlungsfähig“ wirke.
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