#HaltDieFresseBild ist ein Anschlag auf die Pressefreiheit
von JULIAN MARIUS PLUTZ
BERLIN- Was Doro Bär einmal sagte, stimmt: „Twitter nutzen vor allem Politiker, Journalisten und Psychopathen“. Da sowohl die CSU-Abgeordnete, als auch der Autor dieser Zeilen fein raus sind, obliegt die dritte Zuschreibung, „Psychopathen“, den restlichen Nutzern. Dabei geht es weniger um eine Pathologisierung, als um eine Zuschreibung sittenabweichendes Verhalten; um es einmal höflich zu formulieren.
Diese Tage trendet – übrigens nicht zum ersten mal – der Hashtag #haltdiefressebild. Menschen, die noch nie eine Redaktion von innen gesehen haben und nicht selten Online-Journalismus in einer kruden Gratismentalität sehen und nicht bereit sind, für gute Arbeit Geld auszugeben, erheben sich, moralische Scharfrichter für den Medienbetrieb zu sein. Traumschön. Dabei fehlt Ihnen nahezu
alles: Expertise, Anstand, Humor und Feingefühl, um sich ein wahrhaftiges BILD machen zu können. Sie verzeihen mir den Wortwitz.
So antwortet ein gewisser Nasir Ahmad, vom Beruf Moslem, auf einen Beitrag des BILD-Journalisten und ehemaliger Achse-Kollege Filipp Piatov zum Kölner Muezzinruf:
„Das ist kein „Islam-Schock“ liebe #HaltDieFresseBild, das ist ein „Schock“ für all diejenigen, die denken das wäre ein rein „christliches“ Land, wo nur Glocken läuten dürfen. Nein: Muslime sollten GLEICHES Recht zur Religionsausübung haben.“
Nicht jeder Moslem ist ein Judenhasser – doch Antisemitismus steigt mit zunehmender Religiosität
Frauen gehen im Iran auf die Straße, weil sie sich aus dem islamischen Patriarchat befreien möchten, weil sie sich nicht vorschreiben lassen wollen, sich zu verhüllen, während hier gut ausgebildete Moslems mit besten Verbindungen in die politische Linke ein Medium beschimpfen, das den Muezzinruf kritisch sieht. Denn der Ruf zum Freitagsgebet verkörpert eine klare Haltung zum politischen Islam. Es ist eine Machtdemonstration, wie der Psychologe Ahmad Mansour richtig erklärt.
Doch das interessiert die Leute nicht, die #HaltDieFresseBild schreiben. Sie sind damit auf einem Niveau mit #Lügenpresse, was sie nie zugeben würden. Nasir Ahmad, der seinen Migrationsvordergrund mit Verve pflegt, steht auf der richtigen Seite. Die BILD ist böse, die Süddeutsche ist gut und der SPIEGEL ein Flaggschiff der Demokratie. Alles geklärt in der heilen Welt.
Zusätzlich muss man Ahmad die Frage stellen, inwieweit er sich mit dem Thema „islamische Gefahr“ überhaupt befasst hat. Filipp Piatov ist Jude. In Deutschland gibt es knapp 100.000 Juden, die sich in Gemeinden organisieren und vermutlich noch einmal so viele, die sich als atheistisch oder agnostisch bezeichnen; oder sich einfach keiner Gemeinde zugehörig fühlen. Währenddessen leben in Deutschland mehr als fünf Millionen Moslems mit einer properen Fertilitätsrate.
Nicht jeder Moslem ist ein Judenhasser. Die Chance aber steigt in Verbindung mit einem engen Bezug zum Islam. Die BILD-Zeitung hat dagegen, dank Axel Springer, stets einen projüdischen Bezug, der in
Deutschland, fernab Holocaust-Gedenken, selten geworden ist.
Premiumausbildung bei der Axel-Springer-Akademie
„Muslime bekommen den Antisemitismus mit der Muttermilch“, schrieb einmal der Autor und Regisseur Tuvia Tenenbom. Er meint damit eine dezidiert judenfeindliche Erziehung, je mehr sie sich am gelebten Islam orientiert. Ein Moslem, der kein Antisemit ist, ist es nicht wegen, sondern trotz seiner Religion. Doch das interessieren Leute wie Ahmed nicht die Bohne. Sie wollen das Märchen des ewigen Opfers, wie „der kleine Lord“ zu Weihnachten, immer und immer wieder spielen. Und damit kaschieren sie die Wahrheit, die manchmal im wahrsten Sinne des Wortes weh tut. Ein Gang durch die Nürnberger Südstadt ab 22 Uhr mit Kippa dürfte ihnen die Augen öffnen. Oder auch nicht, wenn sie die Selbigen ganz fest verschließen.
Ja, es gibt auch vieles, was man an BILD kritisieren muss. Die Zahl der Rügen seitens des Presserates sind hoch, viel zu hoch. Auch die gezielten Kampagnen auf einzelne Personen sind zu hinterfragen. Aber dennoch: Kein Journalist, der seinen Job ernst nimmt, würde die Zeitung in Gänze ablehnen. Die Axel-Springer-Akademie gilt längst als hochwertige Talentschmiede; wer dort absolviert, kann beinahe überall im Medienbetrieb anfangen. Aber auch die Recherchearbeit gilt in Deutschland als präzedenzlos. Springer ist längst weltweit und umfasst ein erstaunliches Korrespondenzennetzwerk. Das weiß auch jeder Journalist, aber nur wenige, gerade die Damen und Herren der linken Seite, wagen es auszusprechen.
Verwirklichung des Kitschtraums aus „1001 Nacht“
#HaltdieFresseBild ist zutiefst pressefeindlich. Genau die, die PEGIDA und Konsorten für ihre Haltung zu Medien kritisierten, tun nichts anderes, als das, was sie den sogenannten Rechten immer wieder vorwerfen. Sie etablieren in ihrer Blase eine Meinungsfreiheit, die so selektiv ist, dass sie Medien in „gut“ und „böse“ einteilen. Die Guten darf man konsumieren; freilich mit der genannten Gratismentalität – und die schlechten müssen beschimpft werden. So geht Pluralismus in einer abgespeckten Version: Rudimentär vorhanden, jedoch, wenn man genau hinschaut, zutiefst verkümmert; bis auf ein Minimum an Hilfsdemokratie degeneriert.
Leuten wie Nasir Ahmad spielt das in die Karten. Er möchte, das sagt er selbst, den Begriff „Islamisierung“ positiv besetzen. „Je präsenter Muslime sind, desto mehr Platz nehmen sie Nazis
weg«. Projüdische und islamkritische Medien wie BILD stören da nur, den Traum von 1001 Nacht zu verwirklichen. Doch auf den Kitsch folgt schnell der Realitätsschock. Ein Muezzinruf ist da nur
ein Mosaikstein. Kritische Medien zu diskreditieren gilt als der denklogische nächste Schritt. Was weiter folgen wird, darf man bei Michel Houellebecq nachlesen.
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Klaus Kelle, Chefredakteur