Lieber Bauernpräsident, Wetter gehört zur Natur – ehrlich
von MARTIN D. WIND
BERLIN – Ist es Sarkasmus oder eine Art resignativer Galgenhumor? Bauern aus der Bewegung „Land schafft Verbindung e. V. reagierten auf eine Wortmeldung des derzeit amtierenden Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, mit einer Pressemitteilung, die diese Frage aufkommen lässt. Im Titel zitieren die Landwirte die erfolgreiche Filmkomödie mit Bill Murray: „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Murray spielt die Rolle eines abgebrüht-zynischen und ich-fixierten TV-Wetteransagers, der in einer Zeitschleife gefangen ist und bis zum Überdruss tagelang das gleiche Geschehen kommentieren muss. Immerhin gibt es im Film ein „Happy End“ – der Protagonist kann die Zeitschleife durchbrechen.
Das scheint man beim LSV dem Bauernpräsidenten nicht zuzutrauen: Offen kritisiert man die alljährlichen ritualhaften Wortmeldungen der Bauernpräsidenten, die mit beinahe naturgesetzlicher Regelmäßigkeit bedauern, dass es entweder zu kalt, zu warm, zu nass oder zu trocken sei. Man müsse mit Minderernten rechnen, die Bauern hätten dadurch weniger Einkommen und das müsse kompensiert werden.
Gerne werde – so ein Landwirt auf Nachfrage – dann mit „Schreckensszenarien“ gearbeitet: Die Semmeln würden teurer, die Kartoffelpreise stiegen, die Verbraucher müssten drauflegen, wenn der Staat nicht helfe. Das seien gängige Floskeln der Verbandsfunktionäre. Und prompt kommt Rukwied mit der Forderung nach finanzieller Kompensation der politisch angerichteten Probleme in der Landwirtschaft. Erkennbar ist der Präsident bemüht, die aktuelle Agrarpolitik von Bund und EU-Kommission nicht in Frage zu stellen. An eine substantielle Konfrontation mit der Politik traut er sich nicht ran. Er fordert lediglich mehr Klarheit und – wie zu erwarten – eine „Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung“.
Das scheint offensichtlich nicht das Kernanliegen der Bauern zu sein. Sie schreiben dem Verbandsführer ins Stammbuch, dass das Wetter zur Natur gehöre und rufen Rukwied in Erinnerung, dass für Landwirte der Umgang mit der Natur, mithin auch dem Wetter, zur täglichen Arbeit gehöre. Sorge bereiten hingegen die wuchernden Vorschriften und Behinderungen der Landwirtschaft bei einer sach- und fachgerechten Ausübung des Berufes.
Dafür seien sie seit 2019 auf die Straßen gegangen. Dafür gingen derzeit auch Bauern in den Niederlanden, in Polen, in Italien, in Spanien und Frankreich auf die Straße und protestierten. Und auch in Deutschland wird wieder protestiert – obwohl man wegen der Ernte gut zu tun habe. Sinnvolle Reaktionen aus der Politik oder dem landwirtschaftlichen Verbandswesen seien kaum bis nicht erkennbar.
Rukwied gebe mit seinen jährlichen Ernteprognosen und Zahlungsforderungen, der Politik „Carte Blanche, ideologisch, nicht praxisorientiert, über uns weg zu bügeln“ ärgern sich die Landwirte aus der Basisbewegung. Das ist deutlich! Um es auch den Funktionären klar vor Augen zu stellen, zählen die Ackerbauern und Viehzüchter beispielhaft einige der Fehlentwicklungen auf, mit den Sie sich derzeit herumschlagen müssen, bzw. die künftig auf unser Land zukommen sollen, so es nach der Ideologie der Bundesregierung und EU-Kommission geht:
Eine Düngeverordnung, die zu Minderwuchs und mangelnder Reife der Pflanzen führen werde, eine geänderte Verwaltungsvorschrift, in der Bauern jetzt ohne Beweis für den Nitratgehalt in Böden verantwortlich gemacht werden und die die Bauern zwingt, die Behörden von ihrer „Unschuld“ zu überzeugen (das ist eine Umkehrung des Rechtsgrundsatzes der Unschuldsvermutung!) oder auch die Stilllegung von 4 Prozent der hervorragenden deutschen Ackerfläche.
In einem Papier der EU hat die Initiatorin der LSV-Bürgerbewegung, Maike Schulz-Broers, Forderungen der Kommission entdeckt, die für sie nur noch als absurd bezeichnet werden können: Da werde von Wiedervernässung von Mooren geredet, die die Menschen jahrhundertelang mühsam entwässert haben, um Lebensmittel produzieren zu könne. Oder es sollen Dämme und Deiche geöffnet oder gar entfernt werden und Ackerflächen wieder dem freien Lauf des Wassers ausgesetzt werden. Für Schulz-Broers ist das eine Enteignung, der Kollegen.
Für die Bauern ist klar, dass mit all diesen, aus ihrer Sicht ideologisch und vorgeblich moralischen Gründen betriebenen Politik die Grundaufgabe der Landwirtschaft zunehmend verunmöglicht wird: die Grundversorgung der Bevölkerung mit hochwertigen Lebensmitteln, regional, national und europaweit. Mit der derzeitigen Politik werde man künftig die Menschen nicht mehr satt machen können.
Die Zukunft einer ausreichenden Nahrungsmittelsicherheit liege in der guten Praxis einer breit aufgestellten landwirtschaftlichen Branche – nicht in Kompensationszahlungen, für das Niederdrücken der Landwirte durch die Politik, wie Rukwied das leierkastenmäßig immer und immer wieder einfordert. Da scheinen ein paar Menschen erkannt zu haben, dass man mit Geld nicht alles heilen kann. Ob sich die Erkenntnis auch bis in den Bauernverband und dort bis zum Präsidenten durchzusetzen vermag, bleibt abzuwarten.
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Klaus Kelle, Chefredakteur