Nichts ist wie die Heimat
Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser!
Mein erster Schwiegervater wurde jetzt in seiner lippischen Heimat zu Grabe getragen. Er wurde 93 Jahre, ein wirklich wunderbarer Mensch, an den ich viele gute Erinnerungen habe. Als 16-Jähriger tauchte ich irgendwann im Leben der Familie auf, weil ich die älteste Tochter dort ganz bezaubernd fand. Und sie mich – manche von Ihnen können sich das kaum vorstellen – irgendwie auch. Ich fuhr damals Mofa, eine Kreidler, und hatte lange Haare wie Winnetou, fast so lang jedenfalls. 18 Jahre lang war dort praktisch meine zweite Familie, in einem Dorf im schönen Lipperland nahe der Hansestadt Lemgo, nur sechs Kilometer entfernt von Holzhausen in Bad Salzuflen, dem Dorf, aus dem ich stamme.
Als ich vom Tod meines früheren Schwiegervaters hörte, gab es nichts zu überlegen – natürlich fahre ich hin, um Abschied zu nehmen.
25 Jahre habe ich in Lippe gelebt, einem ehemaligen Fürstentum, dessen Rose heute zwischen Rhein und Weser seinen festen Platz im Landeswappen von Nordrhein-Westfalen hat. Seitdem treibt es mich kreuz und quer durch Deutschland, und überall ist es schön, wenn man einen Job, ein passables Dach über dem Kopf und Freunde hat. Und dennoch, deshalb erzähle ich Ihnen das heute, ist nichts so, wie die Heimat, dort, wo alles begann. Dort, wo man seine Wurzeln hat.
Deshalb fahre ich auch immer mal zum Fußball nach Bielefeld. Nicht, weil ich erwarte, demnächst zum Kräftemessen mit der Arminia nach Barcelona fahren zu dürfen, oder wenigstens mal vor dem Bielefelder Rathaus dabei zu sein, wenn die Schale hochgereckt wird. Ich fahre dort hin, weil es meine Heimat ist. Die Landschaft, die Rostbratwurst, Herforder Pils und Wacholder dazu, das Hermannsdenkmal und die Externsteine. Viele Freunde von damals – immerhin bin ich vor 38 Jahren weggezogen – habe ich nicht mehr. Die Freunde schon, aber sie leben halt wie ich lange nicht mehr dort am Teutoburger Wald, wo unsere Vorfahren 9 n. Chr. die Römer mächtig verkloppt haben.
Nun ist so eine Beerdigung naturgemäß immer bedrückend. Und manche der Verwandten von damals sind in die Jahre gekommen (während ich natürlich ewig jung bin), meine frühere Frau, unser gemeinsamer Sohn, ihr Mann halfen mir, bei belegten Broten und Butterkuchen nach der Beerdigung auf die Sprünge, wer wer ist, und wessen Kind zum wem gehört und überhaupt, wo kommen all die Enkel her. Und natürlich meine immer noch unglaublich liebenswerte einstige Schwiegermutter, die in aller Trauer, gestützt auf einen Krückstock, von Tisch zu Tisch ging, um mit allen ein paar Worte wechselte. „Es muss ja weitergehen“, sagte sie zu mir.
Am liebsten würde ich jetzt noch dort sitzen im Gasthof „Zum Bahnhof“, wo ich auch vor 35 Jahren schon mal Bier getrunken habe. Aber das geht ja nicht, auch für mich muss es ja weitergehen. Wir erzählten uns noch vom alljährlichen Zeltlager am Waldrand damals beim Bauern im Dorf. Und von den Grillfesten im Garten und von der guten alten Zeit.
Ich kann kaum beschreiben, wie warm mir ums Herz war bei all diesen lieben Menschen, die ein wichtiger Teil meiner Jugend gewesen sind, und von denen ich die meisten seit über 30 Jahren nicht mehr gesehen habe. Und als ich allein die Straße zu meinem Auto zurücklief, so wie ich jahrelang jeden Tag hier langgelaufen war, da wurde ich wirklich sentimental. Nichts ist wie die Heimat, sie verlässt einen nie, egal, wohin es einen auch verschlagen mag.
Mit herzlichen Grüßen,
Ihr Klaus Kelle
Neueste Früher Vogel
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Klaus Kelle, Chefredakteur