So tricksten hochrangige SPD-Spitzenpolitiker, um russische Interessen bei Nord Stream 2 durchzusetzen
Der ehemalige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat heute vor dem Untersuchungsausschuss zur Nord-Stream-2-Pipeline in Schwerin ausgesagt, er habe sich schon Jahre vor Russlands Überfall auf die Ukraine für den Bau von LNG-Terminals an der deutschen Küste eingesetzt.
Deutschlands Abhängigkeit von russischem Gas sei rückblickend ein Fehler gewesen. „Ich habe es nie verstanden, warum Deutschland anders als viele andere Länder, zum Beispiel Belgien, nicht neben einer Pipeline-Infrastruktur auch eine LNG-Infrastruktur errichtet hat“, sagte der Ex-Kanzler. „Aus meiner Sicht hätte man das immer machen müssen und man hätte sie sogar notfalls komplett aus Steuermitteln finanzieren müssen.“
Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) des Landtags Mecklenburg-Vorpommern zur „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“ (die inoffiziell zur Fertigstellung der Pipeline Nord Stream 2 beitragen sollte) hat durch Zeugenbefragungen und Aktenprüfung eine Reihe von Erkenntnissen hervorgebracht, die sich vor allem auf die Rolle der Landesregierung, der Stiftung und die Verflechtungen mit der Nord Stream 2 AG konzentrieren.
Die Befragungen, unter anderem von Altkanzler Gerhard Schröder und jetzt Olaf Scholz belegten erneut, dass es enge Verflechtungen zwischen Politikern der SPD, der SPD-geführten Landesregierung von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und Vertretern der Nord Stream 2 AG gab. Kritiker wie Steffen Dobbert und Ulrich Thiele hatten diese Zusammenhänge schon akribisch in ihrem Buch „Nord Stream“ Anfang dieses Jahres beschrieben.
Die Kernaussage der Autoren ist dabei, dass die deutsche Energiepolitik, die auf billigem Gas aus Russland basierte und in den Pipeline-Projekten Nord Stream und Nord Stream 2 gipfelte, ein wesentlicher Faktor für die Finanzierung und Ermöglichung von Wladimir Putins Krieg gegen die Ukraine war.
Dobbert und Thiele legen überzeugend dar, wie russische Akteure, insbesondere Gazprom und die Nord Stream 2 AG, durch Lobbyarbeit und finanzielle Anreize ein korruptives Netzwerk in Deutschland aufbauten, das sich bis in höchste politische Kreise erstreckte. Dabei werden die Rollen von SPD-Spitzenpolitikern wie Gerhard Schröder, Manuela Schwesig, Frank-Walter Steinmeier und Olaf Scholz kritisch beleuchtet, denen vorgeworfen wird, russische Interessen bedient, Warnungen vor der Abhängigkeit ignoriert und sich für die Energieaußenpolitik Putins eingesetzt zu haben.
Die Abgeordneten im Untersuchungsausschuss in Schwerin beschäftigten sich intensiv mit der sogenannten „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“, die als Manöver entlarvt wurde, drohende Sanktionen der USA zu unterlaufen.
Widersprüchliche Aussagen gab es darüber, wer die Idee zur Gründung der Klimastiftung hatte. Während Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) den damaligen Energieminister Christian Pegel als Ideengeber nannte, sagte der ehemalige CEO der Nord Stream 2 AG, Matthias Warnig, aus, die Idee stamme von den Juristen der Nord Stream 2 AG selbst. Dies deutet auf eine mögliche direkte Einflussnahme des Pipeline-Betreibers auf die Landespolitik hin. Matthias Warnig war übrigens zu DDR-Zeiten Major der Stasi.
Weiter wurde festgestellt, dass die zuständige Genehmigungsbehörde, das Bergamt Stralsund, eine zu geringe professionelle Distanz zur Nord Stream 2 AG hatte. Gemeinsame Mittagessen und Ausflüge von Mitarbeitern mit Unternehmensvertretern wurden bekannt. Kritiker bemängeln, dass das Bergamt den Wünschen der Pipelinebauer möglicherweise zu unkritisch nachkam. Das Bergamt Stralsund, so wurde festgestellt, fragte im Auftrag der Nord Stream 2 AG bei der Bundeswehr sensible Daten zu NATO-Marinemunition und U-Boot-Tauchgebieten ab. Diese Daten wurden teilweise leichtfertig im Internet veröffentlicht, was als Skandal bewertet wird, obwohl die Landesregierung dies als ein „Versehen“ abtat.
Weitere Zeugen wie der ehemalige Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) bezeichneten die damalige russlandfreundliche Politik der Bundesregierungen im Rückblick als einen der größten außenpolitischen Fehler, da man zu lange auf die Zuverlässigkeit Russlands vertraut habe.
Und als Höhepunkt sagte ein vom Ausschuss benannter Sachverständiger der Prognos AG aus, dass die Nord Stream 2 Pipeline für die europäische Gasversorgung eigentlich überhaupt nicht notwendig gewesen sei.
Der Ausschuss hat bisher keinen Abschlussbericht vorgelegt, die Untersuchungen und Befragungen laufen weiter.
Doch schon jetzt drängt sich die Frage für Beobachter auf, weshalb sich der Bundestag nicht mit den Verstrickungen führender Politiker der SPD bis nach ganz oben, dem jetzigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier beschäftigt.
Die Nord Stream 2 AG, eine Tochtergesellschaft des russischen Gazprom-Konzerns, brachte übrigens 20 Millionen Euro in die Stiftung ein, die den knallharten Interessen Moskaus und nicht dem deutschen Gemeinwohl diente.
Mit Hilfe der Stiftung wurde der Pipeline-Bau vollendet. Auch die Bundesregierung bemühte sich – so Scholz heute – Sanktionen abzuwenden. Dazu habe er selbst einen Brief an den damaligen US-Finanzminister Steven Mnuchin geschrieben, sagte der Ex-Kanzler im U-Ausschuss.
In Betrieb wurde Nord Stream 2 nie genommen
Als Bundeskanzler sorgte Scholz im Februar 2022 bei Ausbruch des russischen Krieges gegen die Ukraine dafür, dass die Betriebsgenehmigung für Nord Stream 2 nicht erteilt wurde. Im Untersuchungsausschuss sagte er, dass die Leitung heute in Betrieb wäre, wenn es nicht zu dem Krieg gekommen wäre.
Im September 2022 wurden Nord Stream 1 und 2 durch Explosionen bei einem Sabotageanschlag schwer beschädigt.
Im Verdacht, diese verursacht zu haben, stehen mehrere Ukrainer. Einer wurde in Italien festgenommen und soll an Deutschland ausgeliefert werden. Ein weiterer Verdächtiger wurde in Polen festgenommen, aber wieder auf freien Fuß gesetzt.
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