Steuerdebatte in Deutschland 2025: Zwischen Entlastung, Gerechtigkeit und radikalen Vorschlägen

BERLIN – Die Steuerpolitik ist derzeit ein zentrales Thema in Deutschland, während die schwarz-rote Koalition aus Union und SPD vor der Herausforderung steht, einen ausgeglichenen Haushalt zu sichern und gleichzeitig die Bürger zu entlasten. Die Diskussionen drehen sich um Einkommensteuer, Unternehmensbesteuerung und soziale Gerechtigkeit, während ein milliardenschweres Haushaltsloch und die Folgen der Inflation die Gemüter erhitzen. Neben den Plänen der Koalition sorgt jetzt ein Vorschlag der AfD für zusätzliche Kontroverse.
Einkommensteuer: Entlastung für die Mitte, Streit um Spitzenverdiener
Ein Kernpunkt der Debatte ist die Reform der Einkommensteuer. Die SPD, angeführt von Finanzminister Lars Klingbeil, setzt auf eine Entlastung von 95 Prozent der Steuerzahler, insbesondere kleiner und mittlerer Einkommen. Der Grundfreibetrag wurde 2025 auf 12.096 Euro angehoben, um der kalten Progression entgegenzuwirken, die durch Inflation bedingte Steuererhöhungen verursacht. Zusätzlich wurde das Kindergeld auf 255 Euro pro Kind erhöht, und die Kinderbetreuungskosten sind nun zu 80 Prozent (bis 4.800 Euro) als Sonderausgaben absetzbar.
Die SPD schlägt zudem vor, den Spitzensteuersatz (42 Prozent) für Einkommen ab 80.000 Euro auf 45 Prozent und den Reichensteuersatz (ab 278.000 Euro) auf 48 Prozent zu erhöhen, um die Entlastungen zu finanzieren. Die Union lehnt dies ab und verweist auf den Koalitionsvertrag, der Steuererhöhungen ausschließt. Stattdessen fordert sie die Abschaffung des Solidaritätszuschlags und steuerfreie Überstundenzuschläge. Experten wie Stefan Bach vom DIW kritisieren, dass solche Maßnahmen – mit geschätzten Kosten von 100 Milliarden Euro – ohne klare Gegenfinanzierung kaum tragbar seien.
AfD schlägt „Steuerreform 25“ vor
In die Debatte mischt sich nun auch die AfD mit ihrer „Steuerreform 25“ ein, entwickelt vom stellvertretendem Fraktionsvorsitzenden Jörn König und Prof. Dr. Fritz Söllner. Diese sieht einen einheitlichen Steuersatz von 25 Prozent für alle Einkünfte vor, unabhängig vom Einkommen, und will Sonderregelungen abschaffen, um Steuerhinterziehung zu erschweren und Finanzbehörden zu entlasten. Ein Grundfreibetrag von 15.000 Euro für Erwachsene und 12.000 Euro pro Kind soll Familien entlasten.
König kritisiert das aktuelle System als „bürokratisches Monster“, das Bürger und Unternehmen erdrücke, und verweist auf eine effektive Steuerbelastung von 25,1 Prozent für Spitzenverdiener, während die Mittelschicht bis zu 42 Prozent zahle. Er sieht Ausgaben wie 80 Milliarden Euro für „unkontrollierte Migration“ oder 54 Milliarden für „wirkungslosen Klimaschutz“ als Fehlallokation.
Prof. Söllner betont, die Reform fördere Leistung, da sie die Progression abschwäche und Arbeit attraktiver mache. Sie solle dem demographischen Wandel entgegenwirken und die Wettbewerbsfähigkeit stärken, indem Firmenabwanderung gestoppt und neue Unternehmen angezogen werden. Der Vorschlag, nachzulesen in der Bundestagsdrucksache 20/13356, war Ende 2025 im Ampelchaos untergegangen, soll aber nach der Sommerpause erneut im Bundestag diskutiert werden. Kritiker bemängeln, dass ein Einheitstarif die Einnahmen des Staates drastisch reduzieren könnte, ohne soziale Gerechtigkeit zu gewährleisten, da höhere Einkommen relativ stärker profitieren würden.
Unternehmenssteuer: Investitionsanreize und Wettbewerbsfähigkeit
Die Koalition hat ein milliardenschweres Steuerpaket beschlossen, das die Wirtschaft ankurbeln soll. Unternehmen können seit Juli 2025 Investitionen in Maschinen oder Elektrofahrzeuge schneller abschreiben, etwa E-Autos im ersten Jahr zu 75 Prozent. Ab 2028 soll die Körperschaftsteuer schrittweise von 15 auf 10 Prozent sinken, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Die AfD hingegen fordert die Abschaffung der Gewerbesteuer zugunsten einer „schlanken Gemeindewirtschaftssteuer“, um Unternehmen zu entlasten. Der BDI warnt, dass globale Mindeststeuerabkommen deutsche Unternehmen benachteiligen könnten, während der Deutsche Städtetag stabile Kommunalfinanzen durch die Gewerbesteuer fordert, die durch die Pandemie Einbußen von sieben Milliarden Euro erlitt.
Steuergerechtigkeit und Vermögensungleichheit
Die Debatte um Steuergerechtigkeit gewinnt an Fahrt. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit kritisiert die niedrige Besteuerung von Vermögen im Vergleich zu Arbeitseinkommen. Multimillionenerbschaften wurden 2021–2023 nur mit 2,9 Prozent besteuert, kleinere Erbschaften hingegen bis zu 9 Prozent. Der Bundesrechnungshof schlägt vor, durch Subventionsabbau und Anti-Steuerhinterziehungsmaßnahmen bis zu 30 Milliarden Euro Mehreinnahmen zu erzielen.
Die AfD-Reform würde Sonderregelungen für Vermögende streichen, was Söllner als Schritt zu mehr Gerechtigkeit sieht, doch Kritiker bezweifeln, dass ein Einheitstarif die Vermögensungleichheit effektiv angeht.
Haushaltsloch und Investitionsstau
Ein Haushaltsloch von etwa 30 Milliarden Euro, bedingt durch geringere Steuereinnahmen und konjunkturelle Schwäche, erschwert die Debatte. Die Steuerschätzer erwarten bis 2028 jährlich 16 Milliarden Euro weniger Einnahmen. Gleichzeitig besteht ein Investitionsstau bei Infrastruktur, Digitalisierung und Bundeswehr. König und Söllner argumentieren, dass der Staat sich auf Kernaufgaben wie Infrastruktur und Sicherheit konzentrieren müsse, statt „verschwenderische“ Ausgaben zu tätigen.
Kompromiss oder Konfrontation?
Während die SPD auf eine gerechtere Verteilung der Steuerlast drängt und die Union Steuersenkungen priorisiert, bringt die AfD mit ihrer „Steuerreform 25“ einen radikalen Ansatz ein, der die Debatte polarisiert. Die FDP fordert die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, Grüne und Linke höhere Vermögenssteuern. Experten betonen, dass ein Kompromiss nötig ist, um die Haushaltslücke zu schließen und Wachstum zu fördern.
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Klaus Kelle, Chefredakteur