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Wie? Begeistert von Deutschland?

KLAUS KELLE

Liebe  Leserinnen und Leser,

es ist immer schön, Besuch von lieben Menschen zu bekommen. Zwei meiner Kinder waren über Ostern bei uns zu Besuch und über die Woche eine sehr junggebliebene Tante und gute Freundin, eine Engländerin, die in Spanien lebt und in der Welt viel herumgekommen ist.

Sie erzählte mir gestern Nachmittag bei einer Tasse venezuelanischen Kaffees (mit einem Schuss Rum drin), dass es in ihrem Freundeskreis viele Menschen gibt, die noch nie in Deutschland waren. Noch nie.

Weil sie gar nicht wahrnehmen, wie schön unser Land ist, und was es alles zu bieten hat.

Wir waren vorher in der Neuen Nationalgalerie und im Bröhan-Museum in Berlin bei Ausstellungen, und es war wirklich phantastisch. Zwischendurch aßen wir an einer Bude am Stehtisch am Straßenrand eine Berliner Currywurst, die ich als Berliner Nationalgericht pries, was man allerdings im Ruhrgebiet energisch bestreiten würde.

Am Abend dann der obligatorische Besuch in einem Jazzclub – konkret: im ZigZag-Club, den ich bevorzuge, seit man mich als konservativen Katholiken im „Quasimodo“ einst diskriminierte und nicht reinlassen wollte. Aber das ist eine andere Geschichte.

Im ZigZag-Club waren zwei Künstler zu Gast, einer aus Estland am Piano, einer aus Warschau am Schlagzeug. Seltsame Zusammenstellung, werden sie denken. Aber es war gut.

Meiner Besucherin gefiel es jedenfalls sehr gut. Am Tisch bediente uns ein junger sympathischer Mann, und als er mir mein Lübzer Pils brachte, das ich gerade bevorzuge, kamen wir kurz ins Gespräch. Woher er denn komme, wollte ich wissen – überzeugt, dass er in der Nachbarschaft aufgewachsen sei. „Aus Australien“, strahlte er uns an und erzählte, dass er sechs Monate „work and travel“ in Deutschland mache. Er habe schon in Australien die deutsche Sprache gelernt und habe immer vorgehabt, einmal in unser Land zu reisen, von dem er absolut begeistert sei. So schön, so viele nette Leute…

Ich war sprachlos. Wie? Begeistert von Deutschland?

Wo wir uns doch rund um die Uhr selbst geißeln für unsere Politik, für Messerstechereien und GenderGaga, für die nicht aufgearbeitete Corona-Zeit und, und, und…

Und das stimmt ja auch alles, ich bin der Letzte, der das schönreden wollte. Aber wir haben total verlernt, uns über die guten Seiten Deutschlands zu freuen.

Nach dem Konzert kamen wir mit einem Paar am Nachbartisch ins Gespräch, zufällig auch Briten. Sie stammen aus Manchester, leben jetzt in Phoenix/Arizona. In Europa sind sie, um die europäische Jazz-Kultur kennenzulernen, vier Tage in Berlin, heute geht es weiter für eine Woche nach Wien, dann nach Lissabon. Zugegeben, um so zu leben, muss man ein bisschen Geld auf dem Konto haben. Aber was ich eigentlich sagen wir: So viele Menschen aus aller Welt haben einen ganz anderen Blick auf Deutschland als wir selbst. Immer noch, trotz all dessen, was nicht gut läuft.

Wir müssten unbedingt mal in den Rhinoçéros-Ckub in Berlin gehen, das sei ein japanischer Jazzclub, ganz wunderbar. Hä, japanischer Jazzclub? Was es alles gibt, oder…?

Bleiben Sie positiv gestimmt!

Mit herzlichen Grüßen

Ihr Klaus Kelle

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Klaus Kelle, Chefredakteur