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Immer mit dem Publikum auf Augenhöhe

Zwischen Bier, Obstler und Schweinshaxe: Grantler Gerhard Polt wird 80

Der Schauspieler und Kabarettist Gerhard Polt wird 80 – und macht munter weiter. Foto: Peter Kneffel/dpa

von JULIAN MARIUS PLUTZ

MÜNCHEN- Beim Thema Gerhard Polt, ich gebe es zu, da bin ich befangen, begleitet mich der Kabarettist mit seinen Bühnenstücken und Filmen mein halbes Leben lang. Kein Wunder. Als gewissermaßen Halb-Oberbayer gehört Polt einfach dazu. Mit acht oder zehn Jahren konnte man schon ein bisschen mitlachen, obwohl man nicht alles verstand. Je älter ich dann wurde, desto mehr erreichten mich auch die Zwischentöne, das Ernste und das Melancholische.

Gerhard Polt wurde 1942 in München geboren. Später würde er sagen, dass er trotz Armut die Nachkriegszeit als glückliche Kindheit empfunden hat. Die zerstörten Bauten bezeichnete er für Kinder als „großen Abenteuerspielplatz“, in dem Jungs und Mädels jeden Tag etwas Neues entdecken konnten. Manchmal auch, da kommt der seltene, wenn dann aber beißende Zynismus aus ihm heraus, „alte Granaten und Bomben“.

„Fast wia im richtigen Leben“ als Durchbruch

So spricht Polt auch über den Ort, in dem er groß geworden ist. „In Altötting bist du nicht katholisch, du wirst katholisch gemacht“, sagt er einmal in seiner typischen Manier: Halb als Spitze formuliert, ein wenig Ironie und ein bisschen Zynismus, aber ganz sicher wohlwollend.

Seinen Durchbruch als Bühnenkünstler hatte Polt zweifelsohne mit der Sketch-Serie „Fast wia im richtigen Leben“, gemeinsam mit Gisela Schneeberger. Die Münchner Abendzeitung schrieb hierzu bereits im Jahr der Erstausstrahlung, „dass man sich künftig den Gerhard Polt ankreuzen müsste im Programm: einen erstklassigen Leute-Beobachter, der das bayerisch verzinkte Hochdeutsch wie ein Rasiermesser benutzen kann“.

„Wir haben sie derweil d‘erschossen“

Es folgten Filme wie „Kehraus“, „Man spricht deutsch“, oder „Der Bürgermeister von Moskau“. Letzterer Streifen wirkt besonders bizarr. Das Stadtoberhaupt der Hauptstadt der Sowjetunion besucht eine oberbayrische Kleinstadt und trifft unter anderen auf die Menschen im Wirtshaus. Zwischen Bier und Knödel, Obstler und Schweinshaxe betritt die russische Eleganz das Geschehen.

Und die Leute, sie reden darüber, warum denn der Bürgermeister von Moskau ihren Ort besuchte. Ein Stammtischbruder sagt irgendwann im breiten bayerisch: „Also nett san‘s schon, die Russ‘n. Wobei eigentlich kenne ich gar keinen so recht, weil wir haben sie derweil d‘erschossen.“

Pikant hierbei: Diese Geschichte ist wirklich passiert. Sowohl der Besuch, als auch das benannte Zitat fand in den Siebzigerjahren statt, so Gerhard Polt vor wenigen Jahren in Gregor Gysis Bühnenreihe „Missverstehen Sie mich richtig“.

Variabler Wortschatz

Der Regisseur Werner Herzog meinte einmal, am besten sei Gerhard Polt, wenn er nichts mache. Wie wahr. In der Tat ist Polts Bühnenpräsenz enorm. Er braucht nicht immer viele Worte, um das Publikum zu begeistern.

„Es gibt sicherlich Monologe, wo die so genannte Pause ein Rolle spielt“, so Gerhard Polt. „Weil es gibt halt Leut‘, die sozusagen in ihrem Gedankengang innehalten. Ein Mensch, der Dir was erzählen will, der ein Anliegen hat und sich Zeit lässt, der eine gewisse Bedächtigkeit aufweist, der will ja, dass Du bei seinen Gedanken partizipierst, dass Du dabei bist.“

Sein Wortschatz, von oberbayrischer Mundart vorgeprägt, ist stets variabel und originell. Und man lernt dazu. So ist seine Definition von „Gratler“ dudenreif. So sind selbige, „die in Antalya am All-inclusive-Buffet herumhängen. Danach führt der erbarmungslose Gartenzwerg-Philister einen protokollierten Kleinkrieg mittels Drohne gegen seinen Nachbarn, der mehr Würstl grillt als es die Ortssatzung erlaubt.“

Immer mit dem Publikum auf Augenhöhe

Politisch gibt sich Polt zurückhaltend, aber nicht still. So engagierte er sich früh im Protest um die Wiederaufarbeitungsanlager Wackersdorf. Und auch ganz aktuell unterschrieb Polt den offenen Brief um Alice Schwarzer und Jürgen Habermas, der sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine aussprach. Dieser Schritt ist nur folgerichtig, kommt Polt jedoch aus genau diesem altlinken Milieu, wie viele Unterzeichner. Doch ob gerade in diesen Zeiten Anti-Atom-Attitüden und Appeasementfantasien angebracht sind, darf bezweifelt werden, falls ihre Daseinsberechtigungen jemals legitim waren.

Nun wurde Gerhard Polt 80 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch!

Seine größte Stärke ist seine aufrechte Liebe zum Menschen. Niemals von oben herab und niemals mit dem moralinsaueren Zeigefinger wedeln. Immer auf Augenhöhe, als säße man neben ihm im Wirtshaus. Diese ebenbürtige Behandlung des Publikums macht sich auch in diesem Zitat bemerkbar: „Was heißt denn hier Wir?“. Ich bin nicht „wir“! Ich war noch nie „wir“! „Wir sind immer die anderen! Und die wissen es ganz genau!“

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Klaus Kelle, Chefredakteur