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Zwölf gegen Russland

Eine Panzerhaubitze 2000 (kurz PzH 2000) der Bundeswehr während der internationalen Übung „Wettiner Heide“. Foto: Philipp Schulze/dpa

von THILO SCHNEIDER

BERLIN – Ich gestehe: Ich habe mich geirrt! Ich war der ängstlichen Meinung, dass uns die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine später mal als „Kriegsbeteiligung“ ausgelegt werden könnte und zu einem dann tatsächlich völkerrechtlich begründbaren Angriff Russlands auf die NATO im Allgemeinen und auf Deutschland im Besonderen führen könnte. Wobei: Putin braucht keinen Kriegsgrund, um ein Land anzugreifen. Ihm genügt, dass es da „Nazis“ gibt – und wer wollte das für Deutschland bestreiten? Andererseits bat die Ukraine, die nach offizieller Lesart nicht nur „die Demokratie“, sondern gleich den kompletten Westen quasi mitverteidigt, händeringend in charmantem Tonfall um schwere Waffen, weil sonst die Existenz des kompletten Sonnensystems auf dem Spiel steht.

Nun hat die von mir viel geschmähte Regierung von #Scholzland einen weisen Kompromiss getroffen: Neben „schwerem Kriegsmaterial“ aus dem letzten Jahrhundert soll die Ukraine aus deutschen und niederländischen Beständen Flak-Panzer ohne Munition und ganze zwölf (in Zahlen: 12) erst zwanzig Jahre alte Wunderpanzerhaubitzen „ohne Tiernamen“ erhalten. Noch einmal: Zwölf Panzerhaubitzen.

Die Ukraine hat eine Fläche von in etwa 603.700 Quadratkilometern und ist somit, nach Russland, der zweitgrößte Flächenstaat Europas. Ich stelle mir da mal unser #Scholzland mit seiner Fläche von 357.000 Quadratkilometern vor. Auch, wenn die Wunderhaubitzen knapp 50 Kilometer weit reichen – wie sollten diese allein nur Bayern „verteidigen“ können? Ich bin kein Militärexperte, aber ich glaube nicht, dass sich gerade einmal zwölf Panzerhaubitzen (von denen unklar ist, ob sie überhaupt je unbeschädigt die Front erreichen und wie lange sie dort unbeschädigt bleiben – ich ließ mir sagen, die Russen hätten eine ganz gute Luftwaffe) in irgendeiner Weise kriegsentscheidend auswirken können. Wäre jetzt die Zahl „1200“ im Raum gestanden, okay. Die kann man gut verteilen. Aber Zwölf? Oder sind diese Haubitzen so gut, dass eine Haubitze 100 andere Artilleriekanonen ersetzt? Und selbst, wenn dem so wäre – die Bundeswehr allein hat 185 Stück der gar nicht mehr so taufrischen Wunderwaffe geordert. Was also bitte will die Ukraine mit zwölf Haubitzen?

Alles in allem scheinen sich die deutschen „schweren Waffenlieferungen“ auf eher symbolische Aktivitäten zu beschränken, was ich so verkehrt nicht einmal finde… Nur ist es eben „Volksverarschung“. Und eine nette Geste gegenüber Botschafter Melnyk, der jetzt nicht mehr sagen kann, die Deutschen würden nur Witzwaffen wie ausgemusterten Ostblockschrott und abgehalfterten NATO-Kram aus den geschichtlichen Heeresmuseen liefern. Politik ist kompliziert und wie wird man Kriegspartei, ohne Kriegspartei zu werden? Die Lieferung von zwölf Haubitzen zeigt, wie es geht. Oder auch die Lieferung von Gepard-Panzern ohne Munition. Das lässt sich sogar Putin mit treuherzigem Augenaufschlag erklären: „Die wollten schwere Waffen – von Munition haben sie nichts gesagt!“ Ich glaube wirklich, ich habe da die Cleverness unserer weisen Regierung und unserer Verbündeten unterschätzt. Zumal sie sich darauf hinausreden können, selbst auch noch etwas für den Eigenbedarf zurückzubehalten – nur, falls die Ukrainer in der Verteidigung der Demokratie, der westlichen Werte, der Freiheit und dem Schutz alternativer Lebensformen beklagenswert scheitern.

Außerdem ermöglicht das dem Bundeskanzler, der Außen- und der Verteidigungsministern und sogar Wank-Fralter Steinmeier bei der Siegesparade auf dem Majdan oder sogar dem Roten Platz anwesend zu sein und den ukrainischen Überlebt-Habenden zuzuwinken und pathetische Reden zu halten. Und wenn´s schiefgeht – dann fehlen eben zwölf Panzerhaubitzen. Das dürfte bei dem sonstigen Fehl- und Leerstand der Bundeswehr dann auch keine Rolle mehr spielen, „wenn der Iwan kommt“ oder auch nicht kommt. „Waschen, ohne nass zu werden“ – so geht’s.
In der Ukraine dürfte sich mittlerweile einiges an inkompatiblem westlichen Materials tummeln. Angefangen bei Gewehren unterschiedlichsten Kalibers, über eine bunte Auswahl an Helmen und Zweckbekleidung bis hin zu Fahrzeugschrott unterschiedlichster Hersteller und Lieferanten. Es gibt ein Video, in dem ukrainische Soldaten in einem ausgemusterten, quietschgelben Transporter der DHL an die Front fahren. Nie werden so viele so viel unterschiedlichen Puzzleteilen so viel zu verdanken oder zu verdenken haben. Geahnt haben das die Ukrainer übrigens schon länger: Der Werbefilm der ukrainischen Armee propagiert den Spaten als bestes Verteidigungsmittel. Und es gibt in der Ukraine sicher mittlerweile einiges zu vergraben. Beispielsweise die deutsche Selbstachtung. Ist die Gorch-Fock mittlerweile repariert?

(Weitere bombenstarke Artikel des Autors gibt´s unter www.politticker.de)
Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

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Klaus Kelle, Chefredakteur