Zum Hauptinhalt springen

Zweite Runde in der Causa Brosius-Gersdorf – CDU und CSU dürfen nicht umfallen!

KLAUS KELLE

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser!

Nach jahrzehntelangem erbitterten Streits um eine weitgehend akzeptable gesetzliche Regelung der Abtreibung in Deutschland, haben sich die einst großen Parteien irgendwann auf einen Kompromiss geeinigt. „Akzeptabel“ ist dabei ein Wort, dass mir persönlich nur schwer aus der Feder fließt, denn dass in einer Gesellschaft, die sich selbst für gut und humanistisch hält, Kinder (auch) zur Verfügungsmasse für Lebensplanung oder Selbstverwirklichung werden, ist für mich vollkommen inakzeptabel. Für viele andere Menschen leider nicht.

Immerhin konnte man sich auf einige allgemein irgendwie zu akzeptierende Grundsätze einigen

Wenn das Leben der werdenden Mutter bei der Geburt in ernster Gefahr ist, wird kaum jemand sie zwingen, ihr Kind austragen zu müssen. Und wenn eine Frau infolge eine Vergewaltigung schwanger wird, argumentieren strenge Abtreibungsgegner, das Kind im Mutterleib könne doch nicht dafür. Das ist im Grunde zwar richtig, aber welche Gesellschaft würde eine solche Frau zwingen wollen, ein Kind von ihrem Schänder austragen zu müssen? Diese beiden Extremfälle sind fast zu 100 Prozent unstrittig, denke ich.

Und dann gibt es die sogenannte „soziale Indikation“, der weit auslegbare Notfall. Der aber oft kein Notfall ist oder sein müsste.

Ich kenne einige Fälle aus unserem Bekannten- und Freundeskreis oder von Erzählungen aus der näheren Nachbarschaft. Die Frau, die schon drei Kinder hat und unerwartet wieder schwanger wird. Die nicht genug Geld hat, um alle durchzubringen, die psychisch wirklich nicht mehr kann. Oder deren Mann durchgebrannt ist mit einer anderen und seine ehemalige Familie im Stich lässt. Und sie kann nicht mehr, vielleicht denkt sie an Selbstmord, weil sie nicht weiß, wie ihr Leben weiter verlaufen soll. Immer wieder lesen wir von solchen Fällen in der Zeitung. Für derartige Extremsituationen wurde die soziale Indikation erdacht. Darüber kann eine Gesellschaft, darüber muss eine Politik streiten und…entscheiden.

+++Solche Themen sind nicht locker und unterhaltsam+++Aber sie müssen raus unter die Leute, damit die Bürger wissen, was passiert+++Freie Medien wie dieses können nur arbeiten, wenn Sie das mit Ihrer Unterstützung möglich machen+++Bitte spenden Sie auf unser Konto DE04 1001 1001 2631 1418 14 oder mit PayPal auf @Vers 1 Medien+++

Und so einigte sich der Deutsche Bundestag auf eine Fassung des Paragrafen 218a Abs. 1. Dort ist als Voraussetzung für den rechtswidrigen aber nicht strafbewehrten Schwangerschaftsabbruch genannt:

„Die Schwangere verlangt den Abbruch und kann nachweisen, dass sie an einer Schwangerschaftskonfliktberatung teilgenommen und danach eine dreitägige Bedenkzeit (der Tag der Beratung wird nach § 187 BGB nicht mitgezählt) eingehalten hat. Hier ist der Schwangerschaftsabbruch nur innerhalb der ersten zwölf Wochen nach der Befruchtung (d. h. 14 Wochen gerechnet ab dem ersten Tag der letzten Regelblutung)[159] straffrei.“

Das ist die Kernaussage der gemeinsam von einer großen Mehrheit in Deutschland akzeptierte Nenner, der seit Jahrzehnten Rechtsgrundlage in Deutschland für diesen Fall ist.

Jeder von Ihnen weiß, dass die Schlupflöcher und die Dunkelzone erheblich ist, mit großer Sicherheit die Mehrheit der Fälle.
Eine Schwangerschaft kann ich jetzt nicht gebrauchen in der Ausbildung, heißt es dann. Wir müssen unser Haus noch abbezahlen, wir haben doch schon die Flüge für drei Monate Neuseeland gebucht. Es gibt immer einen Grund, warum es gerade nicht möglich ist. Vor über 30 Jahren wurde mir in Berlin eine Frau von einem Freund vorgestellt, katholisch getauft, lebte in Ostdeutschland, die mir ganz unbefangen beim Drink von ihren vier Abtreibungen erzählte. Sie war viermal schwanger geworden nach sexuellen Begegnungen mit Männern, die sie kaum kannte, und die sie nach Diskobesuchen mit in ihre Wohnung genommen hatte. Und sie wollte danach natürlich nicht als alleinerziehende Mutter weiterleben, erklärte sie.

Ich bin immer noch schockiert, wenn ich heute an dieses Gespräch zurückdenke

Ja, wenn man hedonistisch leben will, dann muss man halt verhüten, werden jetzt viele von Ihnen denken. Ja sollte man, müsste man, wobei die allermeisten mit „man“ eigentlich „frau“ meinen.

Aber kommen wir zu meinem Thema heute….

Und dieses Thema heißt Frauke Brosius-Gersdorf, eine Potsdamer Rechtsprofessorin, anscheinend eine brillante Juristin, die von der SPD vorgeschlagen wird für einen Sitz in Deutschlands oberstem Gericht.

Und die nach eigener Aussage die Menschenwürde eines ungeborenen Kindes zumindest in Frage stellt, solange es noch im Mutterleib ist. Und die die mühsam nach langem gesellschaftlichen Streit gefundene Kompromissformel des Paragrafen 218 abschaffen und die alleinige Entscheidung in das Ermessen der Frau geben will – ohne Beratung, ohne Bedenkzeit. Und damit auch der möglichen Willkür in einer Beziehung Tür und Tor öffnen würde.

Und wenn ich weiß, dass Frau Brosius-Gersdorf so denkt und redet, dann will ich nicht, dass diese politische Aktivistin einen Sitz im Bundesverfassungsgericht bekommt.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat das Thema zunächst verschlafen, die eigenen Rechtsexperten und die Fraktionsführung haben nicht genau oder auch gar nicht hingeschaut bei der Kandidatin des Koalitionspartners. Und es waren freie Medien, die ihren Job gemacht haben, allen voran Apollo-News und NIUS, dann wir alle aus der bürgerlich-konservativen Meute hinterher.

So wurde es innerhalb weniger Tage ein großes Thema in Deutschland, und geschätzt 50 bis 60 Unions-Abgeordnete kündigten offen oder hinter verschlossenen Türen an, dass die Wahl dieser Frau für sie persönlich nicht in Frage kommt. Damit war klar, es wird keine ausreichende Mehrheit für die Brosius-Wahl geben. Die SPD ist maximal sauer und beharrt weiter auf ihrer Kandidatin. In der Spitze der Union meint man schon jetzt wieder ein leichtes Gewackel zu spüren.

„Ich halte es für richtig, in der jetzigen Situation nichts auszuschließen, sondern mit viel Offenheit in die weiteren Gespräche zu gehen“, sagte gerade Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Und NRW-Ministerpräsident Wüst mahnte völlig sinnfrei, man müsse nach der Sommerpause „sachlich und unaufgeregt“ über die Richterwahl sprechen. Eine Wortmeldung, die belangloser nicht sein könnte für einen der wichtigsten CDU-Politiker in Deutschland. Wir hätten gern gewusst, ob er für die Wahl von Brosius oder gegen die Wahl von Brosius ist. Das wäre mal was, damit vor der nächsten Landtagswahl die Wähler ihren Ministerpräsidenten auch in solchen Fragen kennenlernen. Aber sachlich und unaufgeregt? Ich kann dieses Politikersprech, dieses Gelaber, wirklich nicht mehr hören.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann fordert wenigstens „komplett neue Namen“ für die Richterwahl, was gut ist, denn genau genommen ist auch die zweite SPD-Kandidatin Ann-Katrin Kaufhold für Abgeordnete der Union unwählbar. Der CDU-Kandidat und jetzige Bundesarbeitsrichter Günter Spinner ist zwar eigentlich parteiübergreifend unumstritten – selbst Bodo Ramelow (Linke) kündigte an, ihn wählen zu wollen. Aber er muss fürchten, dass er zum Bauernopfer in dem Kulturkampf wird, den die Sozis einfach deswegen opfern werden, weil er zur falschen Zeit am falschen Kandidaten-Platz sitzt und von der CDU nominiert wurde.

Auch wenn die Plagiatsvorwürfe gegen Brosius-Gersdorf ausgeräumt zu sein scheinen: Sie ist für eine C-Partei, die ihren eigenen Parteinamen ernst nimmt und das christliche Grundwertegerüst ihrer Parteienfamilie ernst nimmt, unwählbar.
Nicht, weil sie irgendwo abgeschrieben haben könnte bei ihrer Dissertation, nicht weil sie mal einen Strafzettel für falsches Parken nicht bezahlt oder in der mittäglichen Ruhephase Rasen gemäht hat, sondern weil sie den Schutz des ungeborenen Lebens aufweichen, im schlimmsten Falle abschaffen will. Wenn die Union das nicht verhindert, dann winkt ihr tatsächlich das Schicksal der einstigen stolzen italienischen Schwesterpartei DC.

Genießen Sie Ihr Wochenende!

Herzliche Grüße

Ihr Klaus Kelle

Spendenaufruf

+++ Haben Sie Interesse an politischen Analysen wie diesen?
+++ Dann unterstützen Sie unsere Arbeit
+++ Mit einer Spende über PayPal@TheGermanZ
oder einer Überweisung auf unser Konto DE03 6849 2200 0002 1947 75 +++


Klaus Kelle, Chefredakteur