Das Konklave beginnt: Ab heute wartet die katholische Welt auf den weißen Rauch

Anders als bei der Wahl eines Bundeskanzlers erwartet im Konklave niemand eine erfolgreiche Wahl im ersten Anlauf. Das kann dauern, und ein vereinfachtes Verfahren gibt es bei der Papstwahl erst nach deutlich mehr als 30 erfolglosen Wahlgängen. Auch sonst haben die beiden Wahlverfahren nichts gemeinsam. Vor allem eines unterscheidet sie: bei der Papstwahl geht es nicht in erster Linie um die Macht. Das gilt trotz – oder gerade wegen – des festgefügten Vorurteils, dass es doch genau darum und nur darum gehe. Tiefverwurzelte Ressentiments und kolportagehafte Hollywood-Filme sorgen da für eine Art Klein-Fritzchen-Deutung des gleichwohl kollossal wichtigen Wahlaktes.
„Konklave“ bedeutet eigentlich „Verschluss“ oder „abgeschlossener Raum“
Das lateinische Wort conclave setzt sich aus den beiden Teilen con („mit“) und clavis („Schlüssel“) zusammen. Es ist ein grammatisches Neutrum, wie das daraus entstandene deutsche Fremdwort auch. Damit konnte ein häusliches Gemach gemeint sein, zumal ein Schlafgemach oder ein Speisezimmer. Ein „conclave“ konnte aber auch ein Behälter anderer Art sein, ein Stall zum Beispiel.
Auf die Papstwähler findet das Wort natürlich nur deshalb Anwendung, weil diese bekanntlich für ihre streng vertraulichen Verhandlungen und Abstimmungen eingeschlossen werden, heutzutage in der Sixtinischen Kapelle.
Der Ort ist natürlich nicht zwingend; wenn auch eine schöne Tradition, bei der man annehmen darf, dass der „genius loci“ beflügelnd wirkt. Bis 1870 fand das Konklave im Palazzo del Quirinale statt, was auch kein schäbiges Lokal war. Aber richten wir den Blick lieber wieder ins 21., statt ins 19 Jahrhundert.
Das gewaltige Heer in Rom versammelter Journalisten, echter und vorgeblicher Vatikan-Experten, muss schon vor Beginn der denkwürdigen Wahlversammlung ständig berichten. Da wird schon genug Geschichte beschworen und nach Anhaltspunkten für das nicht Fassbare gesucht. Diese angestrengte Suche nach dem künftigen Pontifex erinnert ein wenig an antik-römische Gewohnheiten, wie die Deutung der „Auspicien“, anhand des Vogelfluges oder der Eingeweideschau.
Solche Verfahren werden aber nicht mehr angewandt, jedenfalls nicht im wörtlichen Sinne.
Dennoch gibt es recht amüsante Spekulationen, dem Volksaberglauben nicht unähnlich – und wie dieser mit gelegentlichen Treffern, die das Ganze am Leben halten: So soll in der Regel auf einen von der Gestalt her fülligen Papst wieder ein magerer folgen: Folgt also auf Papst Franziskus ein schmaler, asketischer Typ? Ähnlich, etwas seriöser, wird spekuliert, auf einen „Progressiven“ folge wieder ein „Konservativer“.
An letzterer Spekulation ist, abgesehen von der unpassenden, politisch inspirierten Wortwahl, sogar ein Körnchen Wahrheit. Nach einem charismatischen und extrovertierten Papst, der viele Dinge in Bewegung bringt, kann der Wunsch der Kardinäle dahin gehen, als Nachfolger einen aus ihren Reihen zu wählen, der die Dinge sich erst einmal setzen lässt, bevor er etwas Neues anfängt. Kann, muss aber nicht…
Spekulationen nach Art von Bauernweisheiten sind das
Dazu gehört auch der bekannte Spruch, wer „als Papst“ ins Konklave gehe, komme „als Kardinal“ wieder heraus. Nicht völlig unsinnig, aber kaum im Einzelfall belastbar. Und vergessen wir nicht, wie hartnäckig sich Gerüchte und vermeintliche Favoritenlisten halten! Gerade in Deutschland ist manch ein selbsternannter Vatikan-Kenner bis heute davon überzeugt, dass Jorge Bergoglio, der nachmalige Papst Franziskus, schon beim vorletzten Konklave ein ganz heißer Tipp gewesen sei. Die „Bergoglianer“ hätten langfristig daran gearbeitet. Seltsam aber, dass die Auspizien-Leser und Vatikanisten 2013 diesen Kandidaten überhaupt nicht auf ihrer „Shortlist“ hatten. Der Mann „vom Ende der Welt“, wie er sich selbst bescheiden vorstellte, trat jedenfalls als großer Unbekannter und Überraschung die Nachfolge Petri an.
Gibt es also gar nichts zu sagen?
Darf man keine Vermutungen anstellen? Doch, natürlich darf man. Und es gibt immer ein paar Dinge, die wirklich eine Rolle spielen. Unter den vielfach genannten „Papabile“ sind ein paar, gegen die ihr Alter sprechen könnte. Weil sie schon zu alt sind? Eher umgekehrt. Wollen die Kardinäle wirklich einen „jungen Mann“ von 60 oder weniger Jahren wählen, der dann womöglich 30 Jahre regiert? Oder einen von knapp unter achtzig, der trotz guter Gesundheit die Wiederholung des Konklaves in deutlich kürzerer, vielleicht zu kurzer Zeit garantiert? So etwas kann eine Rolle spielen. Ebenso die Überlegung, ob es wirklich eine gute Idee wäre, wieder einen Ordensmann zu wählen, der dann immer irgendwie seiner Gemeinschaft verpflichtet bliebe, was er als Papst vielleicht nicht sein sollte.
Wie ist es mit den vergleichsweise vielen Kardinälen aus der weiten Welt, die zwar frischen Wind ins Kollegium gebracht haben, aber den „Betrieb“ in Rom kaum kennen?
Und ist es nicht doch wieder an der Zeit, dass der Bischof von Rom (und das ist ja der Papst zuallererst) auch wieder aus dieser Diözese kommt?
Dagegen spricht wiederum, dass die Kirche sich nicht in Europa stürmisch entwickelt, sondern in Afrika und Asien. Dort wächst, blüht und gedeiht der Katholizismus. Während in Europa die Priesterseminare so leer sind wie die Kirchen an einem gewöhnlichen Sonntag, verhält es sich dort anders. Die afrikanischen Diözesen kommen kaum zurecht mit dem Andrang von Priester-Berufungen. Und selbst in einem vermeintlich islamischen Land wie Indonesien müssen jeden Sonntag pro Kirche vier oder fünf Heilige Messen gefeiert werden, weil die Gläubigen aller Altersstufen nur so in die Kirche strömen.
Also ein afrikanischer oder asiatischer Papst?
Das wäre ganz sicher ein Zeichen der Zeit, ein starkes zumal. Dann können natürlich die Kirchenhasser in Deutschland – von ganz links bis ganz rechts – wieder schäumen, dass die Afrikaner oder Asiaten doch gefälligst auch ihr Geld von zuhause mitbringen sollen, statt deutsche Kirchensteuermittel zu reklamieren, von denen angeblich so viel nach Rom fließe (ein typisch deutsches Uralt-Klischee). Aber dieses Denken und Reden verrät eben nur eine Einstellung, der jedes Verständnis für Spiritualität abgeht.
Klar ist immerhin, was der neue Papst leisten muss: Er muss einigend wirken und befriedend; er muss konsolidieren, aber auch finalisieren, was noch offen ist.
Er muss zum Beispiel die Kurie im Griff haben, von den Finanzen bis zur Kommunikation. Und er muss definitiv die Stimme der jungen, wachsenden Kirche in der Welt zur Geltung bringen, für die bürokratische, selbstbezügliche Projekte wie der deutsche „Synodale Weg“ ohne Relevanz sind. Vor allem anderen aber muss er einen tiefen Glauben haben, um all dem standzuhalten, was vom ersten Tag seines Pontifikats an auf ihn einstürzen wird. Auf welchen der Kardinäle mag das zutreffen? Da gibt es gottlob eine ganze Menge!
Brandheiße „News“ zum Schluss: Der künftige Papst wurde schon gesichtet! Mehrfach sogar, in der Schar der vielen Kardinäle. Es ist nämlich einer von ihnen; nur wissen wir noch nicht welcher. Ganz sicher weiß das nur der Heilige Geist. Warten wir auf weißen Rauch!
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Klaus Kelle, Chefredakteur