Die alte Tante SPD: Untergang mit Ansage
„Auf den Kanzler kommt es an“ – dieser CDU-Wahlslogan bescherte ironischerweise allerdings der SPD im Jahr 1969 den Bundestagswahlsieg. Und auf den Kanzler kam es in Deutschland auch bei der kürzlichen Europawahl an. Nur führte diesmal der aktuelle Bundeskanzler Olaf Scholz die SPD nicht zum erhofften Wahlsieg. Es war vielmehr eine Niederlage mit Ansage, die allen drei Parteien der im Bund regierenden „Ampel“ zu schaffen machte.
Doch die SPD traf es historisch gesehen am schwersten
Die zurzeit älteste Partei der Welt kam nicht mehr auf 40 Prozent wie einst mit Gerhard Schröder, nicht mehr auf rund 25 Prozent wie noch bei der Bundestagswahl 2021 (die zur Ampel-Regierung führte), sondern nur noch auf 13,9 Prozet. Sie rangiert damit nicht nur hinter der Union, sondern auch noch nach der AfD. Es war und ist ein Untergang mit Ansage, woran auch die 16- und 17-Jähri-
gen nichts änderten, die bei diesem Europa-Urnengang erstmals mit abstimmen durften. Für deren Wahlrecht hatte sich die SPD besonders stark gemacht, hoffte man doch auf zahlreiche Stimmen aus dem Lager der Halbwüchsigen. Aber auch diese blieben aus, wie der SPD-Stimmenanteil von rund 9 Prozent in dieser Wählergruppe zeigt.
Noch bis heute weigern sich die SPD-Oberen beharrlich, über die wahren Gründe für die Schwäche ihrer Partei nüchtern nachzudenken
Vielleicht fürchtet man, dass bei dieser Gelegenheit auch die eine oder andere Personalentscheidung auf den Prüfstand kommen könnte. Wenngleich es dabei für die meisten SPD-Granden nicht gefährlich werden dürfte, denn „Besseres“ als das an der SPD-Spitze vorherrschende Mittelmaß ist nicht in Sicht.
Anti-rechts-Rhetorik und neue „Klimaschwüre“
Ein Grundproblem (leider nicht nur) der SPD ist, dass man in ihr das Gespür für die Sorgen und Nöte der arbeitenden Bevölkerung längst verloren hat.
Wenn es in den vergangenen Jahren für die Partei schlecht lief, reagierten deren Vertreter stets mit noch mehr Anti-rechts-Rhetorik, mit immer neuen „Klimaschwüren“ und weiter steigenden Sozialleistungen. Dabei ist gerade das Bürgergeld (das rot-grün verlässliche Wählerstimmen generieren sollte) längst zur unbeliebtesten Sozialleistung geworden, die es in Deutschland jemals gab.
Rund drei Viertel der Bürger sind inzwischen der Auffassung, dass damit ihr hart verdientes Steuergeld nicht nur an wirklich Bedürftige geleitet wird, sondern auch an viel zu viele Personen, die einfach nicht arbeiten wollen.
Die Grundstimmung ist bekannt – doch die Parteiverantwortlichen sind scheinbar nicht mehr in der Lage, aus alten Handlungsschemata auszubrechen.
Kindergartenhafte Selbstüberschätzung
So setzte man bei der SPD auf die Kraft des Kanzlers. Es gab Wahlplakate, welche eine wenig bekannte und schon bei der Europawahl 2019 extrem erfolglose Spitzenkandidatin namens Katarina Barley und daneben einen grimmig-trübsinnig dreinblickenden Olaf Scholz zeigten. Dazu kamen Wahlaussagen, die an eine kindergartenhafte Selbst-
überschätzung erinnerten.
Scholz bescheinigte sich z.B. „Haltung“, „Vernunft“ und „Besonnenheit“ und suggerierte damit, dass diese Eigenschaften kaum ein anderer besitze. Es waren Attribute, die allenfalls Dritte über einen Politiker und dessen Politik zum Ausdruck bringen können. Doch macht dies der Betroffene selbst, kommt es schnell zu einem unangenehm-peinlichen Eigenlob.
Mit gewundenen Schachtelsätzen die Lage schönreden und im Ernstfall unter Gedächtnislücken leiden – das ist und bleibt die Taktik des aktuellen Bundeskanzlers.
Die von ihm angeführte und so bezeichnete „Fortschrittskoalition“ läuft dabei im Rückwärtsgang. Scholz, der „Führung liefern“ wollte, wenn diese bestellt werde, ließ während der von ihm so bezeichneten „Zeitenwende“ z.B. über ein Jahr eine völlig ungeeignete Frau an der Spitze des Verteidigungsministeriums, bis er sie gegen den aktuellen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) austauschte. Nun zieht er aber auch schon über Pistorius her, weil dieser längst beliebter ist als Scholz.
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil beschimpfte am Wahlabend (alten Reflexen folgend) nicht nur AfD-Politiker weitgehend undifferenziert als „Nazis“, sondern er sagte auch zu, jetzt aufarbeiten zu lassen, „wie es so kommen konnte“. Für die dabei einzusetzenden SPD-Funktionäre empfiehlt sich ein Blick in das Archiv des Willy-Brandt-Hauses, denn „auf den Kanzler kommt es an“. Und dies im Übrigen nicht nur für die ihn stellende Partei, sondern das ganze Land.
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Klaus Kelle, Chefredakteur