Die Stunde der Diplomatie? Wie soll das denn funktionieren?
Liebe Leserinnen und Leser,
ich glaube, man nennt es die normative Kraft des Faktischen…
Die Bundesregierung, da habe ich keinen Zweifel, hat am 24. Februar 2022, als der russische Angriff gegen die Ukraine begann, gehofft, dass das alles schnell vorbei sein wird. Es gibt ja die Geschichte von dem Gespräch des damaligen ukrainischen Botschafters, Andrij Melnyk, mit dem FDP-Vorsitzenden und Bundesfinanzminister Christian Lindner, der empfahl, jetzt schnell zu kapitulieren und in Verhandlungen mit der Russischen Föderation einzutreten, da ein Krieg gegen die russische Übermacht nicht zu gewinnen sei.
Nun sind wir fast ein Jahr weiter, und Geländegewinne in den vergangenen zwei Monaten verzeichnen nur die ukrainischen Streitkräfte, die Tausende Quadratkilometer und viele Städte und Dörfer befreien konnten. Aber klar, einen Krieg gegen die Atommacht Russland kann die Ukraine nicht in dem Sinne gewinnen, dass Präsident Selenskyj im offenen Wagen über den Roten Platz in Moskau rollt. Aber das eigene Land zu verteidigen, das Staatsgebiet in den Grenzen von 2013 wieder herzustellen, das ist augenscheinlich eine realistische Perspektive. Auch und vor allem durch Unterstützung der westlichen Staatengemeinschaft.
Ich muss ehrlich bekennen, dass ich nicht daran geglaubt habe, dass sich die Ukrainer dermaßen wehren, verzweifelt um jeden Meter ihres Landes kämpfen und das auch noch zunehmend erfolgreich. Und ich hätte nicht für möglich gehalten, dass EU und NATO auch nach einem Jahr noch so geschlossen zusammenstehen und die Ukraine unterstützen.
Insbesondere die deutsche Bundesregierung tat sich schwer, etwas Effektives beizusteuern. Bundeskanzler Olaf Scholz und die bemitleidenswerte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht eierten herum, Briten und Polen wollten schon immer gewusst haben, dass die Deutschen nicht zuverlässig sind, wenn es darauf ankommt. Das scheint nun Geschichte zu sein. Unser Land ist nicht im Krieg (und wird es hoffentlich nie wieder sein), aber wir lassen andere Völker in größter Not auch nicht im Stich. Und das ist gut so.
In den vergangenen Monaten wurde immer wieder der sofortige Waffenstillstand gefordert, Verhandlungen, die hohe Kunst der Diplomatie. Und Russlands Präsident Putin hat gestern in einem Telefonat mit dem türkischen Präsidenten Erdogan bekräftigt, dass er bereit zu Verhandlungen mit der Ukraine über einen Frieden sei. Allerdings mit der kleinen Vorbehaltsklausel, dass alles, was seine Truppen erobert haben, inklusive der Krim“, zukünftig zu Russland gehören soll. Und sofort erklärte Präsident Selenskyj, dass auch er verhandeln wolle. Allerdings nur unter der Bedingung, dass die Ukraine so wieder hergestellt werde, wie sie 2013 war. Da können Sie sich vorstellen, was die Diplomaten bewirken können.
Mit herzlichen Grüßen,
Ihr Klaus Kelle
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Klaus Kelle, Chefredakteur