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Ich halte Xavier Naidoos Entschuldigung für unglaubwürdig

ARCHIV – «Habe mich letztlich verrannt»: Xavier Naidoo. Foto: Henning Kaiser/dpa

von JULIAN MARIUS PLUTZ

BERLIN – 2001 waren wir alle „Brothers Keepers.“. Unsere Idole hießen Torch, Samy Deluxe, D-Flame und Afrob. Und 2001 waren wir betroffen, als Alberto Adriano von Rassisten getötet wurde. Wir hörten mit Gänsehaut „Letzte Warnung“, eben von den Brothers Keeper, um den Mord an dem Schwarzen zu verarbeiten. Den Refrain dieses wütenden Stücks deutscher Rapgeschichte sang ein gewisser Xavier Naidoo.

Mehr als 20 Jahre später fühlte sich Xavier Naidoo genötigt, eine Entschuldigung abzugeben. Was bewog den Musiker zu diesem Schritt?

Ukraine als Sinneswandel

Er sei von „Verschwörungserzählungen“ geblendet gewesen und habe diese nicht genug hinterfragt. Bei seiner „Wahrheitssuche“ habe er sich mitunter auch instrumentalisieren lassen. „Ich habe Dinge gesagt und getan, die ich heute bereue.“ Er bitte alle, die er damit verletzt und vor den Kopf gestoßen habe, um Verzeihung.

Doch inzwischen habe er jeglichem Extremismus den Rücken gekehrt. „Alle, die mich kennen, wissen, wofür ich einstehe: Ich stehe für Toleranz, Vielfalt und ein friedliches Miteinander. Nationalismus, Rassismus, Homophobie und Antisemitismus sind mit meinen Werten nicht vereinbar und ich verurteile diese aufs Schärfste.“

Grund für seinen Sinneswandel sei doch tatsächlich der Krieg in der Ukraine. Die Ereignisse, die von Gewalt und Menschenverachtung zeugten, hätten ihn „bestürzt und aufgerüttelt“. Seine Frau stamme aus dem Land. Das Leid der Menschen vor Ort habe ihn tief bewegt und ihn dazu veranlasst, sich selbst zu reflektieren.

Übler Mensch-Tier Vergleich

Konkret wurde Naidoo nicht. Meint er sein Lied „Marionetten“, das er 2017 mit seiner Band „Söhne Mannheims“ veröffentlichte?

Ein Lied, in dem die Politiker nur „Marionetten“ sind von übergeordneten „Puppenspielern“ und eindeutig Reichsbürger-Rhetorik verwandte. So singt er von der deutschen Regierung, sie seien lediglich „Sachverwalter“ für eine Macht, die im Hintergrund die Fäden zieht. Und wenn sich nichts ändere, würde „ein wütender Pöbel“ mit Gewalt sich die Macht zurückholen. Weiterhin handelt der Text von einer Verschwörungstheorie, die „Pizzagate“ heißt, wonach Leute wie Hilary Clinton Kinderpornografie über bestimmte Pizzerien verbreiten würde. Formulierungen wie „Babylon-System“ geben in übriges.

Oder meinte er sein denkwürdiges Interview im „Musikexpress“ im Jahr 1999? Da sagte er: „Bevor ich irgendwelchen Tieren oder Ausländern Gutes tue, agiere ich lieber für Mannheim“, so der Musiker in dem Interview. Auf die Nachfrage, ob er Rassist sei, antwortete Naidoo: „Ja. Aber ein Rassist ohne Ansehen der Hautfarbe. Ich bin nicht mehr Rassist als jeder Japaner das auch ist.“

Immer wieder Verschwörungstheorien

Auch ist nicht klar, ob sich der Sänger für seinen Auftritt 2011 im ARD-Morgenmagazin entschuldigte, als er meinte, Deutschland sei immer noch ein besetztes Land. Seine Entschuldigung kommt zu spät. Und sie ist zu unkonkret.

Xavier Naidoo ist kein Brothers Keeper. Wahrscheinlich war er noch nie einer. Zwei Monate nach dem Lied „Adriano“ geschah 9/11. Auch hierzu ist der Sänger klar positioniert: Den Anschlag verübte nicht Al-Quaida, sondern die CIA. Egal, welche Verschwörungstheorie es gibt, Xavier Naidoo war dabei. Statt die Welt in seiner Komplexität zu akzeptieren, sucht er stets die einfache Antwort auf alles. Daher ist seine Entschuldigung unglaubwürdig

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Klaus Kelle, Chefredakteur