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In fremden Kissen – meine persönlichen Hotel-Erlebnisse…

Liebe Leserinnen und Leser,

übernachten Sie gern im Hotel? Ich ja. Für eine begrenzte Zeit, versteht sich. So ein Leben, wie Udo Lindenberg das in einer Luxusbude „Atlantic“ an der Alster in Hamburg lebt, das wäre nichts für mich.

Als ich 1988 nach Berlin zog, um beim ersten Privatradiosender Hundert,6 anzuheuern, brachte mich mein Chefredakteur für das erste Jahr in einem Vier-Sterne-Hotel an der Nürnberger Straße unter auf Kosten des Unternehmens. Abends Wäschebeutel an die Türklinke, nachmittags alles gewaschen und gebügelt wieder im Zimmer. Nicht schlecht. Und jeden Morgen Frühstücksbuffet – heute überall üblich, aber in den 90er noch ein Hauch von Luxus. Rührei mit Bacon – phantastisch.

Ich mag das wirklich, und ich kenne auch viele Hotels, die nicht in der Luxusklasse zu finden sind. Der absolute Tiefpunkt war 1979 der Landeskongress der Schüler Union Westfalen-Lippe in Bochum, wo ich zum stellvertretenden Landesvorsitzenden gewählt werden sollte und mein bis heute guter Freund Rainer aus Unna von dem Amt nur für mich zurücktrat, damit ich in die Startposition rutschen konnte, um dann im folgenden Jahr die Nachfolge des Landesvorsitzenden anstreben zu können. Mit so einem Schwachsinn haben wir uns mit 18 Jahren allen Ernstes schon befasst.

Ich wohnte – unvergesslich – im Hotel „Zum Hähnchen“, Zugang wegen Umbauarbeiten durch die Küche (kein Witz), Zimmerpreis 18 D-Mark pro Nacht. Als ich abends ins Zimmer kam und die Fenstervorhänge zuziehen wollte, brach die ganze Gardinenleiste durch und alles krachte auf den Boden. Wir zechten dann trotzdem noch bis in die späte Nacht mit Delegierten, die mich am nächsten Tag ja wählen sollten – viele von Ihnen kennen das, wenn Sie in einer Partei aktiv sind. Und als ich dann gegen 1.30 Uhr – ich sollte am Morgen um 10 Uhr meine Vorstellungsrede halten – todmüde und betrunken ins dunkle Zimmer stolperte, das ich bis zu dem Moment als Einzelzimmer wahrgenommen hatte, war da …überraschenderweise …im Dunkel noch eine Delegierte aus einer sehr katholischen Region Ostwestfalens, die mir dann noch ein paar ganz persönliche Fragen stellen wollte…good old times, was soll ich sagen? Ich wurde trotz all dieser Herausforderungen nach drei Stunden Schlaf gewählt und im Folgejahr auch, was aber ein ungleich härterer Kampf mit zwei Gegenkandidaten war.

Ich schreibe Ihnen das hier aus einem kleinen, preiswerten Hotelzimmer in Eisenach im schönen Thüringen. Die Rezeption war schon um 19 Uhr nicht mehr besetzt, immerhin ein Getränkeautomat auf dem Flur gegen Münzeinwurf. Ich erwähne das nur, damit Sie nicht denken, der Herr Kelle bettelt seine Leser um Abos und Spenden an und lässt es dann in Luxusherbergen krachen. Die Nacht hier kostet inklusive Frühstück 68,80 Euro. Dafür muss sich der StartUp-Unternehmer nicht schämen. Vorher habe ich in Potsdam gewohnt, bei einem großzügigen Förderer meiner politischen und publizistischen Aktivitäten, ein sehr, sehr schönes Gästehaus mit einem fulminanten Ausblick auf einen See. Bezahlen musste ich nichts, weil ich ja Deutschland retten soll…ein bisschen wenigstens.

Aber hier, wo ich gerade ins Erzählen komme Ihnen gegenüber, denke ich nach und nach: Ich könnte ein Buch schreiben, wo ich überall schon in Hotelzimmerbetten gelegen habe. In Moskau, ich glaube es hieß „Intourist“ vor 35 Jahren, wo junge Damen Spalier standen auf dem Flur zur Herrentoilette, um mit Westlern mit Devisen…ins Gespräch zu kommen. Und was ist ganz großartig fand in den 90ern, war das Grand Hotel „Esplanade“ in Berlin und später nach der Wende das Hyatt am Potsdamer Platz dort.

Ein superschönes Hyatt gibt es auch in Miami, im Stadtteil Coral Gables. Luxus pur, am Pool liegen, der Kellner bringt „Catch auf the day“ mit allerlei frisch gefangenen Krustentieren und eisgekühltem Chardonny. Und im Erdgeschoss eine angesagte Disko, in der ich irgendwann 1995 oder 1996 Landleute aus Ostdeutschland kennenlernte, die zum ersten Mal in den USA, waren. Wir haben deutsch-deutsch total abgefeiert, richtig klasse junge Leute, und meine damalige Freundin und ich waren da auch noch ziemlich jung. Niemand wäre damals auf den Gedanken gekommen, dass man als Deutsche die Vereinigten Staaten von Amerika gegen Russland eintauchen sollte.

Ganz wunderbar das berühmte Watergate Hotel in D.C., das „Hyatt Adams“ – gleicher Ort – und das „King David“ in Jerusalem mit den eisgekühlten frischgepressten Fruchtsäften und Feigen zur Begrüßung. Und in den Neunzigern mein Lieblingshotel überhaupt: das „Athaeneum“ in London-Piccadilly. „Can we have some more tea, Sir?“ Und letztlich – eins habe ich noch – was ich ganz famos fand: das „Mandarin Oriental Boston„, wunderschön wirklich, tolles Restaurant, geschmackvoll eingerichtet. Und damit komme ich aber auch zur anderen Seite.

In Boston war ich als Journalist in Begleitung einer Delegation mit dem damaligen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers. Wir waren nach Detroit geflogen, dann zu Gesprächen in der Zentrale von General Motors – Rüttgers wollte die Amis überzeugen, Opel insgesamt und damit auch das Werk in Bochum zu retten (ja, jenes Bochum, wo ich als junger Mann mal im Hotel „Zum Hähnchen“ eine erstaunliche Nacht verbachte).

Am Nachmittag fuhren wir weiter zum Flughafen und flogen direkt nach Boston. Ankunft Hotel: 20.30 Uhr. Dann alle zusammen inklusive MP Abendessen und um ungefähr 23 Uhr auf mein Zimmer, um über die vergangenen Stunden drei Artikel für die „Welt am Sonntag“, die „Welt“ und das „Westfalen-Blatt“ zu schreiben. Dann Koffer packen bis auf den Kulturbeutel und auf den Fur stellen, weil um 5 Uhr unser Gepäck geholt wurde für den Weitertransport nach New York. Ich schlief bis 6 Uhr weiter, duschte, zog mich an und fuhr mit dem Fahrstuhl in die Lobby, denn um 7 Uhr war Abfahrt im Kleinbus zu weiteren Gesprächen, ich glaube zum MIT. Ein phantastisches Hotel, dieses Mandarin Oriental,  mitreißend eingerichtet, allen möglichen Schnickschnack und ich lag da zwei Stunden in den flauschigen Kissen. Ich werde Ihnen nicht sagen, was umgerechnet der Stundenpreis dafür war.

Und deshalb, ganz ehrlich: Ich gehe jetzt schlafen – 68,80 Euro in Eisenach mit Frühstück. Das ist ok, und das reicht auch, wenn man einfach nur ein paar Stunden schlafen und ein frisches Brötchen und drei Tassen Kaffee am Morgen will.

Schlafen Sie gut und Ihnen allen ein schönes Wochenende!

Ihr Klaus Kelle

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Klaus Kelle, Chefredakteur