Masken im Unterricht? Schreiben Sie doch mal einen Brief an Ihr Familiengericht von nebenan!
von CHRISTIAN KOTT
WEILHEIM – Erst am Sonntag hatte ich den Beschluss des Amtsgerichts Weimar hier kommentiert. Mit spürbarer Enttäuschung, denn egal wie man zu der dahinter stehenden Sache stehen mag – das Familiengericht in Weimar hatte seinen Beschluss jedenfalls handwerklich vermurkst. Nun ist es auch nicht Aufgabe eines Gerichts, Politik und öffentliche Meinung zu gestalten aber unabhängig davon hatte das Gericht – zumindest meiner Meinung nach – allen Kritikern der gegen die Schulkinder gerichteten Maßnahmen der Bundes- und Landesregierungen einen Bärendienst erwiesen.
Nun gibt es einen Beschluss, der zeigt wie es geht: Das Amtsgericht Weilheim hat am 13. April ebenfalls auf Grundlage des Kindeswohls einen Beschluss erlassen, der zum fast gleichen Ergebnis kommt wie das Familiengericht Weimar, diesen aber juristisch professionell begründet. Abgesehen von dieser nachvollziehbaren und handwerklich nicht zu beanstandenden Begründung ist wesentlicher Unterschied der Beschlüsse: Das Amtsgericht Weilheim hat seine Entscheidung nicht für allgemeingültig erklärt sondern nur im Verhältnis zwischen dem betroffenen Kind und der Schule.
Jetzt gibt es endlich etwas, woran man sich juristisch abarbeiten kann: Was ist von der Rechtsauffassung des Familiengerichts zu halten, wenn man statt vieler Hobbyjuristen einen „echten“ fragt?
Um zunächst einmal mit einigen Thesen eben jener Hobbyjuristen, die oft auch in Redaktionsstuben von Mainstream-Medien sitzen, aufzuräumen:
Erstens:
Nein, man muss wenn es um die Verpflichtung einer Schule geht nicht zwingend ein Verwaltungsgericht fragen. Gemäß § 1666 IV BGB kann jedes Familiengericht jeden Dritten (also auch einen Schulleiter) verpflichten wenn es eine Verletzung des Kindeswohls sieht.
Zweitens: Nein, ein Gericht muss nicht diejenigen Gutachter aussuchen, die „Focus Online“ für würdig erachtet sondern kann im Rahmen der richterlichen Unabhängigkeit den Gutachter frei bestimmen.
Und Drittens: Ja, ein Richter darf in einem Rechtsstaat seine juristische Überzeugung nach den Vorgaben der allgemeinen Gesetze und seinem richterlichen Ermessen in einen Beschluss schreiben, selbst wenn es der Regierung, den Behörden und „Focus Online“ nicht gefällt. Das nannte man früher einmal „Gewaltenteilung“.
Was halte ich persönlich nun von der Rechtsauffassung der beiden Amtsgerichte?
Eigentlich ist der Fall ganz einfach: Alles hängt davon ab, ob man im dauerhaften Tragen der Maske, für einen Schüler bis zu zehn Stunden täglich, eine Gesundheitsbeeinträchtigung sieht. Bejaht man das – wie der Gutachter in den beiden Verfahren – dann bleibt einem überhaupt nichts anderes übrig, als genau so zu entscheiden wie die Familiengerichte. Ich selbst bin zwar kein Maskenexperte, aber wenn ich mir vorstelle, wie sehr ich mich erleichtert fühle, wenn ich nach einer Viertelstunde in einem Supermarkt die nervige Maske endlich vom Gesicht nehmen und ein bisschen frische Luft atmen kann, dann kann ich mir gut vorstellen, welche körperliche Folgen es haben kann, wenn man Kinder dazu zwingt, eine derartige Situation bis zu zehn Stunden täglich zu ertragen.
Wann immer Richter keine eigene Sachkunde haben, fragen sie Sachverständige, und das haben beide Gerichte hier getan – mit völlig eindeutigem Ergebnis. Juristisch streiten kann man eigentlich nur über die Frage, in der die beiden Amtsgerichte auch unterschiedlicher Meinung sind: Kann ein Familiengericht einen Beschluss nach 1666 IV BGB allgemeingültig fassen, oder gilt er nur im Rechtsverhältnis zwischen dem betroffenen Kind und der betroffenen Schule?
Ich neige dazu, dem Amtsgericht Weilheim Recht zu geben. Wer die gesundheitliche Gefährdung seines Kindes durch Schulleiter und Landesregierungen beseitigen will, der wird selbst tätig werden müssen. Sinn und Zweck von § 1666 IV BGB ist es nämlich nicht, den Verwaltungsgerichten die Arbeit abzunehmen sondern eine ganz konkrete Gefährdung des Wohls eines Kindes schnell und effektiv zu beseitigen.
Die gute Nachricht: Formell klagen (das klingt nach hohen Kosten, teuren Anwälten und viel Bürokratie) muss deswegen niemand. Denn so ein Familiengericht wird bereits „auf Anregung“ der Sorgeberechtigten von Amts wegen tätig, dafür braucht niemand einen Rechtsanwalt. Ob ein anderes Gericht die Sache so beurteilt wie die aus Weimar und Weilheim wird einzig davon abhängen, ob einem Familiengericht das Kunststück gelingt, einen Sachverständigen aufzutreiben, der in sein Gutachten schreibt, dass das stundenlange Tragen einer Masken ohne gesundheitliche Folgen für das Kind ist. Wer es nicht probiert, der wird es nie erfahren, deshalb gibt es den alten Grundsatz „Wo kein Kläger, da kein Richter.“
Viel Spaß beim Schreiben von „Anregungen“ an das für Ihr Kind zuständige Familiengericht!
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Klaus Kelle, Chefredakteur