Sind Sie ein Putin-Versteher, Herr Schönbach?
Vizeadmiral a. D. Kay-Achim Schönbach war bis Anfang 2022 der Chef der deutschen Marine. Am 21. Januar des Jahres trat er als Redner der Denkfabrik „Manohar Parrikar Institute for Defense Studies and Analyses“ in Neu Delhi auf. Angesichts des Aufmarsches von 100.000 russischen Soldaten zu der Zeit an der ukranischen Grenze sagte er damals:
„Ist Russland wirklich daran interessiert, einen kleinen Streifen ukrainischen Bodens zu haben, den er in ihr Land integriert hat? Nein, das ist Unsinn. Ich denke, Putin übt wahrscheinlich Druck darauf aus, weil er es tun kann. Und er weiß, dass er die Europäische Union spaltet. Doch was er wirklich will, ist Respekt. Er will auf Augenhöhe, er will Respekt. Und – mein Gott – jemandem Respekt entgegenzubringen, kostet wenig, kostet nichts. Also, wenn man mich fragen würde: Es ist leicht, ihm sogar den Respekt zu geben, den er wirklich fordert – und vermutlich auch verdient.“
Sätze, die dem hohen Offizier kurz darauf den Job kostete, weil diese Aussagen der Politik der Bundesrepublik entgegenstand, meinte jedenfalls die Bundesverteidigungsministerin Christina Lambrecht (SPD). Grund, mit dem Mann selbst zu sprechen.
Herr Schönbach, oder soll ich Sie Admiral aD nennen?
Lieber Herr Kelle, ich bin Vizeadmiral außer Dienst, aber ich heiße Schönbach, also alles gut…
…also, in Ihrer inzwischen berühmten …doch eher berüchtigten, wenn man den Qualitätsmedien folgt“… Rede bei einer Denkfabrik in Neu Delhi haben sie – live im Internet übertragen – gesagt, die Ukraine sei immer russisches Kernland gewesen, der Westen brauche Russland als Verbündeten gegen China und man solle dem russischen Präsidenten Wladimir Putin einfach Respekt zeigen. Kurz darauf befanden Sie sich im Ruhestand – befohlen von der damaligen Verteidigungsministerin Lambrecht, Sind sie also ein Putin-Versteher?
Nein, ganz und gar nicht. Das war ich nie und werde es auch absehbar nicht werden. Die Veranstaltung in Neu-Dehli war ein Austausch von Informationen, Meinungen und Einschätzungen im internen Kreis. Es ging dabei vorrangig darum, wie die Lage in den verschiedenen Weltregionen einzuordnen ist.
Mein von Ihnen angesprochener Anteil war erklärend, und er wurde im Kreis dieser Experten auch uneingeschränkt geteilt. Auch meine später verkürzte Aussage „Die Krim sei weg und käme nicht wieder“ bezeugte meine Ansicht, Russland werde die Halbinsel auf freiwilliger Basis nicht an die Ukraine zurückgeben. Nicht aber, dass ich die Wegnahme für guthieß. Was für ein absurder Gedanke.
Auch die Frage nach dem Respekt für Putin zielte darauf, dass es darum ginge, einen respektvollen Austausch mit Russland zu pflegen, wie mit möglichst jedem Land oder Staatschef dieser Welt. Das heißt aber noch lange nicht, dass man die Auffassungen dieser Herren teilt. Übrigens etwas, was der französische Präsident Macron in ähnlicher Weise kurz danach zum Ausdruck brachte. Letztlich war das Oberthema „Wie schützt man die Ukraine?“. Es wurde in den Medien dann das Gegenteil konstruiert.
Die Sicherheitslage in Europa hat sich durch den russischen Angriff auf die Ukraine dramatisch verändert. War der Westen, waren die NATO und besonders Deutschland zu naiv in der Beurteilung Russlands?
Eines vorweg. Ist ein Ereignis wie dieses, der Überfall der Ukraine, eingetreten, gibt es unzählige Bescheidwisser, die genau erklären können, warum und warum in diesem Moment besagtes Ereignis eingetreten ist. Nur bis kurz zuvor waren sie so ahnungslos wie alle anderen. In der Rückschau mag man das gerne politverwertbar als naiv bezeichnen. Aber nach dem Auftreten Moskaus in Tschetschenien, Syrien, Libyen, in Zentralafrika und einigen anderen Orten dieser Welt konnte niemand wirklich überrascht sein, dass Russland auch weiterhin militärisches Eingreifen als Teil seines außenpolitischen Handelns sieht.
Nach der Wegnahme der Krim und den Kämpfen im Donbass wusste jeder interessierte, dass da mehr kommen könnte. Bei meinen Einwürfen in Indien sagte ich seinerzeit auf diese Frage, es sei Unsinn zu glauben, Russland werde einen Krieg in der Ukraine vom Zaun brechen für diesen „tiny, litte strip (noch nicht besetzter Rest-Donbass), meinend, dass wenn es zum Krieg kommt, es ein großer wird. Vier Wochen später war es soweit. Dass ich recht behalten hatte, machte mich dabei keineswegs froh. Der Überfall ist ein schändlicher Akt.
Beliebtester Politiker Deutschlands ist Umfragen zufolge Boris Pistorius von der SPD, unser Bundesverteidigungsminister. Was halten Sie von seiner Amtsführung?
Ich hatte die Ehre und Freude, den Minister kennenzulernen, als er noch Innenminister in Niedersachsen war. Ich denke, dass er der richtige Mann für diese Aufgabe ist, den die SPD für dieses Amt ins Rennen schicken konnte. Er trifft für die Bundeswehr den richtigen Ton und hat sicherlich auch viele gute Ideen. Aber er ist eingebunden in eine Kabinettdisziplin und kann letztlich nicht so wirken, wie er müsste und vermutlich auch will.
Die Neuordnung des Bundesministeriums der Verteidigung kommt kaum oder nur schleppend voran, das Beschaffungs(un)wesen der Bundeswehr, das er natürlich nur geerbt hat, war und ist eine einzige Katastrophe. Die Personalsituation bleibt mehr als besorgniserregend. Zudem sind viele gesellschaftspolitische Projekte, die der Funktionsfähigkeit von Streitkräften zuwiderlaufen von seinem Ressort umzusetzen, was letztlich seine Amtsführung zusätzlich erschwert.
Nur seine jüngste Entscheidung, die Entsendung einer Brigade nach Litauen, halte ich für einen großen Fehler. Vor allem vor dem Hintergrund der bedenklich-schlechten Ausstattung des deutschen Heeres. Es ist mehr eine Symbolhandlung, eine schwerwiegende noch dazu. Und sie wird den sicherheitspolitischen Effekt, den man sich in Berlin erhofft, nicht erzielen.
Sie sind im vergangenen Jahr auch politisch ins Blickfeld der deutschen Öffentlichkeit geraten, als sie zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden der unionsnahen WerteUnion gewählt wurden. Warum machen Sie da mit?
Ganz einfach, weil es richtig ist! Ich schätze, dass Ihnen diese kurze Antwort zu wenig ist. Zunächst war ich in die WerteUnion eingetreten – ich bin auch Mitglied der CDU – weil ich mithelfen wollte, meine Union an manchen Stellen wieder auf den bürgerlich-konservativen Weg zurückzuführen. Dass man mich zum Stellvertreter gewählt hat, war für mich eine große Ehre, denn damit hatte ich weder gerechnet, noch hatte ich das angestrebt. Heute aber, nach mehr als einem Jahr Mitgliedschaft weiß ich, dass dies der richtige Schritt war. Wir sind die alte Union, dabei aber so jung und dynamisch, dass es eine wahre Freude ist, in Gremien, Arbeitskreisen und Vorständen mitzumachen. Die Mitglieder und auch viele, die sich von außerhalb zuschalten, wollen am Politikwechsel mitarbeiten, mitgestalten und eine bürgerliche Heimat der vielen, die diese Heimat verloren haben, wiedererrichten.
Die WerteUnion hat mit dem Führungsduo Maaßen/Schönbach ihr inhaltliches Profil deutlich geschärft, sie hat sich geöffnet auch für Nicht-Mitglieder von CDU und CSU und sie hat seit Maaßens Wahl an die Spitze einen deutlichen Mitgliederzuwachs zu verzeichnen. Wohin soll die Reise mit der WerteUnion führen?
Ganz aktuell ist die Katze aus dem Sack gelassen worden. Ziel ist es, bei der Mitgliederversammlung am 20. Januar in Erfurt die Mitglieder zu gewinnen, eine neue Partei mit Namen „WerteUnion“ ins Leben zu rufen. Das wäre der erste Schritt von einigen, die noch zu tun sind, bis wir tatsächlich bei den Wahlen im Osten der Republik antreten können. Wir wollen dabei aber nicht alleine vorangehen, Es gibt einige kleinere Organisationen, Vereine und Parteien, die wir einladen, sich uns und diesem Projekt der Schaffung einer bürgerlich-konservativen Partei anzuschließen.
Nur gemeinsam sind wir stark. Aber wir sind sehr zuversichtlich. Insbesondere, weil viele unserer Mitglieder, aber auch zahlreiche Unterstützer im Land uns immer wieder bedrängt haben „Hört auf zu reden, tut was und tretet an“. Nun, wir haben verstanden, also, auf geht’s.
Das Gespräch führte Klaus Kelle.
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Klaus Kelle, Chefredakteur