Der gordische Knoten von Sachsen: Wenn sich die CDU auf Wagenknecht einlässt, zerstört sie den letzten Rest ihrer Identität
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer von der marktwirtschaftlich ausgerichteten CDU und die Vorsitzende der sozialistischen BSW, Sahra Wagenknecht, haben sich gestern zu einem Gespräch getroffen. Man wollte »Möglichkeiten einer konstruktiven politischen Zusammenarbeit ausloten«, hieß es. Und nach der ersten Lockerungsübung wird es in den kommenden Tagen weitere Gespräche zwischen Union und BSW geben, um herauszufinden, was geht…oder eben auch nicht.
Im Wahlkampf hatte der CDU-Mann noch Klartext in Richtung der Prada-Kommunistin Wagenknecht geredet, die angekündigt hatte, sich als Bundessprecherin der BSW auch direkt in die Koalitionsverhandlungen in Sachsen und Thüringen einmischen zu wollen. Kretschmer damals: »Die Zeiten vom Politbüro sind vorbei, wo jemand in Berlin entscheiden konnte, was vor Ort passiert«, sagte er noch kurz vor dem Urnengang. Zum ersten Austausch traf man sich dann gestern, na klar, in Berlin.
Eigentlich ist es unmöglich, dass die Parteien eines Helmut Kohl und die verspätete Nachfolgepartei eines Erich Honeckers auch nur zusammen am Imbisstand eine Currywurst essen. Partei der Deutschen Einheit und Partei der Mauermörder – wie soll das funktionieren?
Das kann man doch so nicht formulieren, Herr Kelle, das ist doch ganz was anderes.
Und die frühere SED habe sich doch ihrer Vergangenheit gestellt und all die Sünden des Mauerstaates aufgearbeitet… Ja, hat sie das? Muss an mir wohl irgendwie vorbeigegangen sein.
Die CDU in Sachsen hat bei der Landtagswahl 31,9 Prozent der Wählerstimmen eingesammelt – Platz 1 auf dem Siegertreppchen, allerdings nur hauchdünn vor der AfD, die 30,6 Prozent einfuhr. Wenn es also eine klare Botschaft der Sachsen an die Politik gibt, dann heißt die: Mitte-Rechts, nicht Mitte-Links! Punkt.
Es könnte alles so einfach sein, wenn da nur nicht die real existierende Sachsen-AfD wäre. Denn Politik ist nicht nur das Zusammenrechnen von Zahlen, sondern eben auch die Kunst des Machbaren.
Und auch wenn Kretschmer eine differenziertere Haltung zu Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zeigen möchte, Kretschmer und die CDU sind Westen, sind NATO. Und große Teile der AfD in Sachsen sind das eben nicht, um es vorsichtig auszudrücken.
Der Versuch, vor dem Hintergrund dieser Ausgangslage eine Landesregierung in Sachsen zu bilden, ist die Quadratur des Kreises. Es ist unmöglich, wenn man Politik noch ernsthaft betreiben möchte.
Friedrich Merz, Partei- und Fraktionschef der CDU/CSU im Deutschen Bundestag warb gestern bei seinen Angeordneten um Vertrauen in die beiden Länderchefs Michael Kretschmer und Mario Voigt.
»Ratschläge von der Seitenlinie« seien jetzt nur kontraproduktiv, appellierte er. Die Jungs machen das schon. Und dann der Moment, wo sie in der Union immer am lautesten klatschen: „Es wird keine Gespräche und keine Zusammenarbeit mit der AfD geben, dabei muss es bleiben!“
Na dann, macht mal schön so weiter!
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Klaus Kelle, Chefredakteur